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Die Geier-Wally

Ein Heimatroman aus den Tiroler Alpen | Wilhelmine von Hillern

E-Book (EPUB)
2017 Books On Demand
Auflage: 1. Auflage
196 Seiten
ISBN: 978-3-7460-1245-2

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€ 4,99

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Kurztext / Annotation
Das Mädchen Walburga Stromminger wächst bei ihrem Vater, einem Bauern, in den Tiroler Alpen auf. Ihre Mutter ist kurz nach der Geburt gestorben. Der Vater will ihr den großen Hof zu vererben und bereitet sie durch eine harte Erziehung auf die Verantwortung vor. Als ein Geier oberhalb des Tales nistet, soll er vertrieben werden. Niemand aus der Dorfjugend wagt es, sich dem Nest zu nähern. Walburgas Vater will allen zeigen, dass seine Tochter schon stärker ist, als die jungen Männer aus dem Dorf. Er seilt das Kind zum Nest ab. Der Geier wehrt sich gegen die Angreiferin, doch blutüberströmt erreicht Walburga ihr Ziel. Das Geier-Küken nimmt sie mit und zieht es groß. Von nun an ist sie für die Dorfbewohner nur noch die "Geier-Wally". Als sie heranwächst, gerät die Geier-Wally immer wieder in Konflikt mit ihrem Vater, der ihr den Kontakt zu den meisten Männern aus dem Dorf verbietet. Er hat einen Heiratskandidaten für sie ausgesucht. Doch die Geier-Wally weigert sich, ihn zu ehelichen. Sie kämpft um ihre Freiheit. Der Heimatroman "Die Geier-Wally" von Wilhelmine von Hillern aus dem Jahr 1873 beruht auf der wahren Geschichte von Anna Stainer-Knittel. "Die Geier-Wally" wurde mehrfach verfilmt.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Die Alpenrose

Tief unten durchs Ötztal zog ein fremder Wanderer. Oben in Adlershöhe über ihm am schwindelnden Abhang stand eine Mädchengestalt, von der Tiefe heraufgesehen nicht größer als eine Alpenrose, aber doch scharf sich abzeichnend vom lichtblauen Himmel und den leuchtenden Eisspitzen der Ferner. Fest und ruhig stand sie da, wie auch der Höhenwind an ihr riß und zerrte, und schaute nieder schwindellos in die Tiefe, wo die Ache brausend durch die Schlucht stürzte und ein schräger Sonnenstrahl in ihrem feinen Sprühregen schimmernde Prismen an die Felswand malte. Auch sie sah winzig klein den Wanderer und seinen Führer dahinziehen über den schmalen Steg, der in Turmeshöhe über die Ache führte und von da oben einem Strohhalm glich. Sie hörte nicht, was die beiden sprachen, denn aus der Tiefe drang kein Laut herauf als das donnernde Brausen des Wassers. Sie wurde nicht gewahr, daß der Führer, ein schmucker Gemsjäger, drohend den Arm erhob, zu ihr hinauf deutete und zu dem Fremden sagte: "Das is g'wiß die Geier-Wally, die dort oben steht, denn auf den schmalen Vorsprung, so nah an n' Abgrund, traut sich kei andres Madel; schauen's, ma meint, der Wind müßt' sie 'runterwehen, aber die tut immer's Gegenteil von dem, was jeder vernünftige Christenmensch tut."

Jetzt traten sie in einen dunkeln, feuchtkalten Fichtenwald ein. Noch einmal blieb der Führer stehen und schaute hinauf mit Falkenblick, wo das Mädchen stand und das Dörfchen sich lieblich hinbreitete auf der schmalen Bergplatte im vollen Glanz der Morgensonne, die noch kaum verstohlen hereinschielen durfte in die enge, grabesdüstre Schlucht da unten. "Schau nur nit so trotzig 'runter, da 'nauf gibt's a noch'n Weg!" murmelte er und verschwand mit dem Fremden. Wie zum Hohn auf die Drohung stieß das Mädchen einen Juchzer aus, so gellend von allen Wänden widerhallend, daß ein beflügeltes Echo den Ton bis in die tiefe Stille des Fichtenwaldes hineintrug, geisterhaft verklingend wie der herausfordernde Ruf der den Gemsjäger feindlichen Feen des Ötztals.

"Ja, schrei nur - i will dir's scho austreiben!" drohte er wieder, und sich stark hintenüberlegend, das Genick mit beiden Händen stemmend, schmetterte er hell und grell wie ein Posthorn ein Spott- und Trutzlied an der Bergwand empor.

"Ob sie's hört?"

"Warum nennst du das Mädchen dort oben die Geier-Wally?" fragte der Fremde unten im dunkeln, feuchtrauschenden Wald.

"Herr, weil sie als Kind scho a Geiernest ausg'nommen und mit dem alten Geier g'hakelt hat", sagte der Tiroler, "'s is das schönste und stärkste Mädel in ganz Tirol und furchtbar reich, und die Buab'n lassen sich von ihr heimjagen, daß a wahre Schand is. Keiner hat die Schneid, daß er ihr amal 'n Meister zeigen tät! Spröd sei sie wie a wilde Katz und so stark, daß die Buab'n behaupten, 's könn' sie keiner zwinge - wenn ihr einer z' nah kommt, schlagt s' ihn nieder. No - wann i emal 'nauf käm, i wollt' sie zwinge, oder i riß mer selber 'n Gamsbart und d' Feder vom Huat!"

"Warum hast du nicht schon dein Glück bei ihr versucht, wenn sie doch so reich ist und schön?" fragte der Fremde.

"Ach wissen S' i mag so Madeln nit - die halbe Buab'n sind. Freili kann sie nix dafür: der Alte - Stromminger heißt er - ist gar a schiecher, böser Mensch. Er war vorzeiten der beste Hackler und Robler im Gebirg, und des geht ihm heut noch nach. Das Madel hat er lasterhaft viel g'schlagen und aufzog'n wie 'n Buab'n; kei Muater hat's nit g'habt, weil's so a groß's stark's Kind war, daß es die Frau kaum auf d' Welt bringen könnt hat und glei g'storben is. Da is das Madel halt au so wild und g'walttätig word'n." - So erzählte der Tiroler unten in der Schlucht dem Fremden, und er hatte sich nicht getäuscht. Die Mädchengestalt, die dort oben über dem Abgrund ragte, war die Walburga Strommingerin, des gewaltigen "Höchstbaue