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Anansi Boys

Neil Gaiman

E-Book (EPUB)
2018 Eichborn Ag
Auflage: 1. Auflage
416 Seiten; ab 16 Jahre
ISBN: 978-3-7325-6046-2

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€ 12,99

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Kurztext / Annotation

Fat Charlie Nancy lebt in London, arbeitet als Buchhalter, ist nicht besonders beliebt, nicht besonders gutaussehend, nicht besonders witzig.
Sein überschaubar spannendes Leben nimmt eine rasante Wendung als Charlies Bruder auftaucht. Spider ist das krasse Gegenteil zu Fat Charlie. Gutaussehend, witzig, überheblich, selbstverliebt, und er hat die göttlichen Fähigkeiten ihres gemeinsamen Vaters Anansi geerbt.
Eine Brüdergeschichte, eine Göttergeschichte, eine Geschichte über Träume und Märchen, voller schräger Wendungen und ungeheuerlichen Begebenheiten. Und eine Geschichte über Familienbande, Freundschaft und Liebe.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

KAPITEL EINS
in dem es hauptsächlich um Namen und Familienverhältnisse geht

Es beginnt, wie es ja meistens der Fall ist, mit einem Lied. Im Anfang waren schließlich die Worte, und dazu gab es auch gleich eine Melodie. So wurde die Welt geschaffen, so wurde das Nichts geteilt, so kamen sie alle in die Welt: die Landschaften und die Sterne und die Träume und die kleinen Götter und die Tiere.

Sie wurden gesungen.

Die großen Tiere wurden ins Dasein gesungen, nachdem der Sänger mit den Planeten und den Hügeln, den Bäumen, den Meeren und den kleineren Tieren fertig war. Die das Dasein begrenzenden Klippen wurden ersungen, die Jagdgründe und die Dunkelheit.

Lieder sind dauerhaft. Sie währen ewig. Das richtige Lied kann einen großen Herrscher zum Gespött machen, kann ganze Dynastien stürzen. Ein Lied kann noch bestehen, nachdem die Ereignisse und Menschen, von denen es handelt, längst zu Staub zerfallen, nur noch ferne Träume sind. Das ist die Macht der Lieder.

Es gibt noch mehr, was man mit Liedern anfangen kann. Sie bauen nicht nur Welten oder erschaffen neues Leben. Fat Charlie Nancys Vater zum Beispiel benutzte sie einfach nur, um gepflegt einen draufzumachen und einen, wie er hoffte, beziehungsweise mit einiger Sicherheit erwartete, angenehmen und geselligen Abend zu verleben.

Bevor Fat Charlies Vater die Bar betreten hatte, war in dem Barkeeper die Überzeugung gereift, dass der ganze Karaoke-Abend sich zu einer deftigen Pleite entwickeln würde. Aber dann war der kleine alte Mann in den Raum stolziert und an dem Ecktisch gleich neben der improvisierten Bühne vorbeigekommen, an dem mehrere blonde Frauen mit frischen Sonnenbränden und dem typischen Touristinnenlächeln saßen. Er sah sie an und tippte sich an den Hut, denn, fürwahr, er trug einen Hut, einen makellosen grünen Filzhut, und dazu zitronengelbe Handschuhe, und dann trat er an ihren Tisch. Sie kicherten.

»Amüsieren Sie sich auch gut, meine Damen?«, fragte er.

Sie fuhren fort zu kichern und teilten ihm mit, ja, sie hätten viel Spaß, danke sehr, und sie seien hier im Urlaub. Er versicherte ihnen, es würde noch viel besser werden, sie sollten nur abwarten.

Er war älter als sie, viel, viel älter, aber er war charmant, der Charme in Person, wie ein Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten, als Höflichkeit und gute Manieren noch etwas gegolten hatten. Der Barkeeper entspannte sich. Wenn man so jemand in der Bar hatte, dann würde es ein guter Abend werden.

Es gab Karaoke. Es gab Tanz. Der alte Mann stieg auf die improvisierte Bühne, um zu singen, nicht nur einmal, sondern zweimal an diesem Abend. Er hatte eine schöne Stimme und ein prachtvolles Lächeln, und seine Füße funkelten, wenn er tanzte. Das erste Mal, als er hinters Mikrofon trat, sang er »What's New Pussycat?«. Als er sich anschickte, zum zweiten Mal zu singen, ruinierte er Fat Charlies Leben.

Dick war Fat Charlie eigentlich nur einige wenige Jahre lang, von kurz bevor er zehn wurde - was die Zeit war, als seine Mutter der Welt verkündete, dass, wenn es eins gebe, mit dem sie endgültig fertig sei (und falls der betreffende Herr dagegen irgendwelche Einwände habe, könne er sich diese sonst wohin stecken), dann sei es ihre Ehe mit diesem alternden Bock, den sie fatalerweise einst geheiratet habe und den sie am nächsten Morgen verlassen werde, um irgendwohin weit weg zu gehen, und er solle ja nicht versuchen, ihr zu folgen - bis zum Alter von vierzehn, als Fat Charlie ein wenig in die Höhe schoss und mehr Sport trieb. Er war nicht fett. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war er nicht mal pummelig, sondern einfach nur an den Rändern ein bisschen weich geformt. Aber der Name Fat Charlie blieb an ihm kleben, wie ein Kaugummi an der Sohle eines Tennisschuhs. Vorstellen tat er sich als Charles oder, mit Anfang zwanzig, als Chaz oder schriftlich als C. Nancy, doch es hatte alles keinen Zweck: der Name schlich