Buchhandlung Spazierer

Suche

Das Haus der FrauenOverlay E-Book Reader

Das Haus der Frauen

Roman | Laëtitia Colombani

E-Book (EPUB)
2020 S. Fischer Verlag Gmbh
Auflage: 1. Auflage
256 Seiten
ISBN: 978-3-10-491201-1

Rezension verfassen

€ 9,99

in den Warenkorb
Kurztext / Annotation
Laetitia Colombani erzählt in ihrem neuen Roman »Das Haus der Frauen« von zwei heldenhaften Frauen - für alle Leserinnen von »Der Zopf« In Paris steht ein Haus, das allen Frauen dieser Welt Zuflucht bietet. Auch der erfolgreichen Anwältin Solène, die nach einem Zusammenbruch ihr Leben in Frage stellt. Im »Haus der Frauen« schreibt sie nun im Auftrag der Bewohnerinnen Briefe - an die Ausländerbehörde, den zurückgelassenen Sohn in Guinea, den Geliebten - und erfährt das Glück des Zusammenhalts und die Magie dieses Hauses. Doch wer war die mutige Frau, die vor hundert Jahren allen Widerständen zum Trotz diesen Schutzort schuf? Solène beschließt, die Geschichte der Begründerin Blanche Peyron aufzuschreiben. Ein ergreifender Roman über mutige Frauen und ein Plädoyer für mehr Solidarität. In ihrem neuen Roman »Das Mädchen mit dem Drachen« (Erscheint am 23.02.2022) erzählt Laetitia Colombani die bewegende Geschichte des Mädchens Lalita und einer Schule am Indischen Ozean - einem hoffnungsvollen Ort, der alles verändert.

Laetitia Colombani wurde 1976 in Bordeaux geboren, sie ist Filmschauspielerin und Regisseurin. Ihr erster Roman »Der Zopf« stand wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde verfilmt. Für ihren zweiten Roman »Das Haus der Frauen« recherchierte Colombani im »Palais de la Femme« in Paris, einem Wohnheim für Frauen in Not. »Das Haus der Frauen« ist der erste Roman über Blanche Peyron, die 1926 unter widrigsten Umständen eines der ersten Frauenhäuser begründete. Die Idee für ihren dritten Roman »Das Mädchen mit dem Drachen« fand Laetitia Colombani in Indien, in einer Schule für Dalits, während der Vorbereitungen zur Verfilmung von »Der Zopf«. Laetitia Colombani lebt in Paris.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1 Paris, heute

Es ging alles blitzschnell. Solène verließ den Gerichtssaal mit Arthur Saint-Clair. Sie wollte ihm gerade sagen, dass sie die Entscheidung des Richters nicht nachvollziehen könne, auch nicht die Strenge, mit der er sein Urteil verkündete. Doch dafür blieb ihr keine Zeit.

Saint-Clair steuerte auf die Glasbrüstung zu und übersprang sie mit einem großen Satz.

Ungehindert stürzte er sich aus dem sechsten Stock des Gerichtsgebäudes.

Für einige Augenblicke, die sich zu einer Ewigkeit ausdehnten, schwebte sein Körper im Leeren. Dann schlug er fünfundzwanzig Meter tiefer auf.

 

An das, was folgte, erinnert sich Solène nicht mehr. Die Bilder drängen sich ungeordnet auf, spulen sich wie in Zeitlupe vor ihrem geistigen Auge ab. Sie muss geschrien haben, ja, bestimmt hat sie geschrien, bevor sie zusammenbrach.

Aufgewacht ist sie in einem Zimmer mit weißen Wänden.

Der Arzt hat es in zwei Wörter gefasst: Burn-out. Wobei Solène nicht klar war, ob sich seine Diagnose auf sie oder ihren Mandanten bezog. Dann aber fügten sich die Einzelteile wieder zu einem Ganzen.

 

Sie kannte Arthur Saint-Clair schon eine ganze Weile, er war ein einflussreicher Geschäftsmann, der sich wegen Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten musste. Bis ins kleinste Detail wusste sie über sein Leben Bescheid, über seine Ehen, seine Scheidungen, seine Affären, hatte Einblick in die Unterhaltszahlungen an seine Exfrauen und seine Kinder, war im Bilde über die Geschenke, die er ihnen von seinen Auslandsreisen mitbrachte. Sie wusste von seiner Villa in Sainte-Maxime, seiner herrlichen Wohnung im VII. Arrondissement von Paris. Er hatte sie stets ins Vertrauen gezogen, sie in all seine Geheimnisse eingeweiht. Monatelang hatte Solène sich auf die Verhandlung vorbereitet, hatte bereitwillig ihre gesamte Freizeit, jeden Urlaubs- und Feiertag geopfert, um nur nichts dem Zufall zu überlassen. Sie war eine herausragende Anwältin, unermüdlich, perfektionistisch, gewissenhaft. Ihre Kanzleikollegen schätzten ihre Qualitäten als Juristin einhellig. Dass ein gewisses Rechtsprechungsrisiko besteht, weiß jeder. Trotzdem - mit einem solchen Urteil hatte Solène nicht gerechnet. Der Richter forderte für ihren Mandanten eine Gefängnisstrafe und einen Schadenersatz in Millionenhöhe. Saint-Clair hätte bis an sein Lebensende zahlen müssen. Ganz abgesehen von dem Ehrverlust, der sozialen Ächtung. Er konnte es nicht ertragen.

Lieber stürzte er sich in den gigantischen Lichthof des neuen Pariser Justizpalastes.

 

An alles haben die Architekten gedacht, nur nicht daran. Ihr Ziel war es, ein elegantes Gebäude zu entwerfen, einen wahren »Palast aus Glas und Licht«, der durch seine perfekte Formgebung besticht. Und trotzdem gegen Terroranschläge gewappnet ist. Ein Gebäude mit massiven Fassaden und tausendundeiner Sicherheitsschleuse, mit Videokameras an sämtlichen Pforten. Überall haben sie Zutrittskontrollen vorgesehen, es gibt keinen Eingang, der nicht elektronisch überwacht, mit Gegensprechanlage und High-Tech-Monitor ausgerüstet wäre. Was sie in ihren Plänen allerdings nicht berücksichtigt haben, ist, dass in diesen Mauern Menschen über andere, manchmal sehr verzweifelte Menschen richten. Auf sechs Etagen verteilen sich die Gerichtssäle um ein fünftausend Quadratmeter großes Atrium, das mit seinen achtundzwanzig Metern Deckenhöhe schwindelerregend wirkt. Ein frisch Verurteilter kann an diesem Ort leicht auf dumme Gedanken kommen.

In Gefängnissen gibt es überall Sicherheitsvorkehrungen, um dem Selbstmord entgegenzuwirken. Nicht aber hier. Einfache Glasbrüstungen begrenzen die Gänge um das Atrium. Es war ein Leichtes für Saint-Clair, das Geländer zu überwinden und in die Tiefe zu springen.

 

Das Bild verfolgt Solène, sie kann es nicht vergessen. W