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Johanna

Roman | Renate Welsh

E-Book (EPUB)
2021 Czernin Verlag
256 Seiten; ab 12 Jahre
ISBN: 978-3-7076-0723-9

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Kurztext / Annotation
'In einer Woche wu?rde Johanna wegfahren. Dann wu?rde keiner mehr fragen, ob sie ehelich oder unehelich geboren war. Dann wu?rde sie nicht mehr Johanna, das Gemeindekind, sein, sondern Johanna, die Schneiderin. Oder Johanna, die Friseurin.'

'Das wäre ja noch schöner, wenn ledige Kinder schon was wollen du?rften!', diesen Satz kann Johanna nicht vergessen. Denn eigentlich will sie eine Ausbildung machen und kommt dafu?r Anfang der 1930er-Jahre in ein kleines niederösterreichisches Dorf. Dort angekommen, muss sie jedoch als Magd auf einem Bauernhof arbeiten, unentgeltlich. Aber Johanna gibt nicht auf und kämpft fu?r ihre Zukunft. Feinfu?hlig und ergreifend erzählt Renate Welsh Johannas Geschichte - und zugleich vom Schicksal einer ganzen Generation.

Renate Welsh erzählt von den politisch turbulenten 1930er-Jahren in Österreich: Austrofaschismus, Antisemitismus und Nationalsozialismus beeinflussen das kleine Dorf immer stärker, in das Johanna voller Hoffnung auf eine Ausbildung kommt. Doch diese wird ihr verwehrt, stattdessen
muss sie als Dienstmagd auf dem Bauernhof der Familie Lahnhofer arbeiten. Johanna teilt so das Schicksal vieler unehelich geborener Mädchen ihrer Zeit, doch trotz aller Umstände nimmt sie ihr Leben selbst in die Hand.

Renate Welsh, 1937 in Wien geboren, in Wien und Bad Aussee aufgewachsen. Studierte Englisch, Spanisch und Staatswissenschaften, arbeitete als freie Übersetzerin und beim British Council in Wien. Autorin diverser Kinder- und Jugendbu?cher, am bekanntesten: 'Das Vamperl', 'Dieda oder das fremde Kind', 'Johanna', und Romane, u. a. 'Liebe Schwester' und 'Großmutters Schuhe'. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Abschied

Seit Johanna wusste, dass sie weggehen würde, sah alles anders aus.

Den ganzen langen Sommer über hatte sie jeden Morgen einen Strich in den Pfosten neben dem Schweinekoben geritzt. Es waren jetzt hundertundvier Striche. Eine Woche noch.

Sie striegelte den verklebten Dreck von den Flanken der drei Kühe, wusch die Euter mit dem Tuch, das immer säuerlich roch, auch wenn man es noch so oft ausspülte. Sie wich gerade noch rechtzeitig dem Kuhschwanz aus, als sie die Bless mit der Wurzelbürste bearbeitete.

Die Ziehschwester Maria kam über den Hof und nickte Johanna zu. Der Henkel des Eimers schepperte.

Johanna füllte Heu in die Futterkrippen. Ihre Stiefel schlurften auf dem Lehmboden. Es waren alte Stiefel des Ziehvaters, drei oder vier Nummern zu groß. Wenn Johanna schlaftrunken hineinfuhr, war das praktisch, aber beim Gehen hatte sie Mühe damit.

Der Milchstrahl zischte hell in den leeren Eimer. Später, sobald der Boden bedeckt war, wurde der Klang dumpfer. Als der erste Eimer voll war, nickte Maria; Johanna schob ihr einen leeren Eimer hin, schnippte zwei Strohhalme aus der schäumenden Milch und goss sie durch das Sieb. Sie schöpfte zwei Liter in die Kanne und trug sie ins Haus.

Johanna ging zum Brunnen, pumpte den Eimer voll, spülte ihn aus, pumpte noch einmal und hielt das Gesicht unter den scharfen Strahl. Sie schüttelte sich, dass die Tropfen von ihren Haaren flogen. Die weiße Katze erwischte einen Tropfen auf der Nase und sprang beleidigt zur Seite.

Wenn sie ihre Jungen bekommt, bin ich nicht mehr da, dachte Johanna.

Die Kaffeebecher standen auf dem Herdrand aufgereiht, jeder mit dem Namen des Besitzers in Goldbuchstaben.

Johanna fischte mit einem Stück Brot die Haut vom Kaffee.

Die Ziehschwester kam herein. »Die Bless hat was«, sagte sie.

»Ich frag den Hadinger«, sagte die Ziehmutter.

Maria machte eine geringschätzige Handbewegung. »Besser, der Tierarzt kommt.«

»Der kostet Geld.«

»Und wenn die Bless hin ist, kostet es erst recht Geld.«

Die Ziehmutter nickte. »So arg ist es? Also gut, wenn du meinst ... Johanna, lauf hinüber, wenn du fertig bist mit dem Kaffee.«

Johanna zog die Stiefel aus und fuhr sich mit dem Kamm durch die Haare. Ein Zahn brach ab. Wenn das so weiterging, war der Kamm bald so zahnlos wie der Ziehvater. Aber der hatte die Zähne im Krieg verloren, lange bevor Johanna auf der Welt war. Sie war 13, fast 14.

»Die Zähne ist mir noch der Kaiser schuldig«, sagte der Ziehvater gelegentlich. Es war der einzige Witz, den Johanna je von ihm gehört hatte.

»Beeil dich! Und bring gleich ein Paket Malzkaffee mit und ein Kilo Zucker. Die Eier kannst du am Weg in der 'Traube' abgeben.«

Johanna ging barfuß. Sie hatte vor ein paar Tagen begonnen, jeden Abend schwarze Schuhcreme auf ihre Schuhe zu schmieren. Wenn sie bis zum nächsten Sonntag so weitermachte, sah man vielleicht die abgewetzten Stellen nicht mehr. Außerdem waren die Schuhe unbequem. Sie hatten dem Fräulein Olga gehört, die dem Herrn Pfarrer die Wirtschaft führte.

Der Tierarzt war nicht zu Hause. Seine Frau versprach, er würde noch am Vormittag vorbeikommen.

In der »Traube« saß der Viehhändler mit zwei Fremden, an einem anderen Tisch prostete sich der alte Josef mit seinem Schnapsglas selbst zu. Seine Krücke lehnte schräg gegen einen Stuhl, Johanna musste einen Bogen darum machen. Josef kicherte. »Kannst ruhig drüberspringen, sie tut dir nichts.«

Marianne brachte dem Viehhändler und seinen Gästen Wein.

Sie lehnte sich vor, al