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Fliegen ohne Flügel

Eine Reise zu Asiens Mysterien | Tiziano Terzani

E-Book (EPUB)
2014 Goldmann
480 Seiten
ISBN: 978-3-641-13831-8

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Kurztext / Annotation
Ein faszinierender Einblick in die spirituelle Welt Asiens
»In diesem Jahr darfst du nicht fliegen. Nicht ein einziges Mal.« Aufgrund der Warnung eines chinesischen Wahrsagers vor einem Flugzeugabsturz begann für den Asienkorrespondenten des SPIEGEL ein ungewöhnliches Jahr der Reisen mit allem, was keine Flügel hat. Entstanden ist ein faszinierender Länderbericht mit tiefen Einblicken in asiatische Lebensweisen zwischen materialistischer Moderne und traditionellen magischen Praktiken.

Tiziano Terzani, 1938 in Florenz geboren, in Europa und den USA ausgebildet, kannte Asien wie kaum ein anderer westlicher Journalist. Von 1972 bis 1997 war er dort Korrespondent des SPIEGEL - anfangs in Singapur, dann in Hongkong, Peking, Tokio und Bangkok. 1975 war er einer der wenigen westlichen Reporter, die in Saigon blieben, als Kommunisten die Stadt übernahmen. Terzani lebte bereits fünf Jahre in China, als er 1984 plötzlich verhaftet, antirevolutionärer Aktivitäten beschuldigt, einen Monat umerzogen und schließlich ausgewiesen wurde. Nach mehrjährigen Aufenthalten in Japan und Thailand zog er sich 1994 nach Indien zurück und hielt sich in den folgenden Jahren wechselweise in meditativer Abgeschiedenheit am Himalaja und in Italien auf. Im Sommer 2004 erlag Tiziano Terzani einer Krebserkrankung. Sein letztes Buch 'Das Ende ist mein Anfang. Ein Vater, ein Sohn und die große Reise des Lebens' erschien 2007.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Knapp dem Tode entronnen

Zum Okkulten hatte ich seit jeher eine kühle, distanzierte Beziehung. Die Gründe dafür liegen wohl  wie für so vieles andere   in meiner Kindheit. Das Mißverhältnis begann nämlich schon ziemlich früh.

In eine mit Wasser gefüllte Schale hatten sie ein kleines Foto gelegt. Sie hatten mir ein Handtuch über den Kopf gebreitet, und ich sollte so, im Dunkeln über die Schale gebeugt, das Brustbild eines Soldaten anstarren, das auf dem Grund des Wassers bebte. Die Frauen standen schweigend um mich herum und warteten. Der Einfall war meiner Großmutter gekommen. Sie meinte, daß es dazu eines »Unschuldigen« bedürfe, und ich schien ihrer Definition zu entsprechen. Der Sohn Palmiras, unserer Nachbarin in Monticelli, einem Arbeiterviertel in Florenz, war in Rußland seit dem Rückzug im Winter 1942/43 verschollen. Und ich sollte nun herausfinden, ob er noch lebte, und möglichst auch beschreiben, was er im Augenblick tat.

Ich hätte nur zu gern erzählt, daß ich ihn an einem Tisch sitzen und essen sah, in einem Holzhaus mitten im tiefsten Schnee, aber leider war das einzige, was ich wahrnahm, sein tiefernstes Gesicht, das sich bei jedem meiner Atemzüge leicht bewegte. Das kleine Schwarzweißfoto erinnerte mich an die, die ich auf den Marmorkreuzen im Friedhof von Soffiano gesehen hatte, aber auch das traute ich mich nicht zu sagen.

Dies ist eine der Szenen aus meiner Kindheit, die mir am deutlichsten im Gedächtnis geblieben sind; ich erinnere mich noch genau an die Enttäuschung, die rundum herrschte, als man mir das Handtuch vom Kopf zog und das Wasser wegschüttete. Palmira nahm ihr Bild wieder an sich und trocknete es mit einem Taschentuch ab. Eine der Frauen meinte, daß die Sitzung vielleicht nur deshalb mißlungen sei, weil ich meine Unschuld auf irgendeine Weise schon verloren hätte. Unwahrscheinlich; schließlich war ich damals gerade erst fünf Jahre alt. Vielleicht war die Sitzung ja auch gelungen: Der Sohn Palmiras kehrte nämlich nie zurück.

Nach dieser ersten Begegnung brachte ich jener ungewissen Welt jenseits der Erscheinungen immer nur eine ganz normale, skeptische Neugierde entgegen, und instinktiv ist es mir immer gelungen, für alles Unerklärliche, das meines Weges kam, eine rationale Erklärung zu finden. Immer notwendiger wurden diese Erklärungen, als ich selbst Kinder hatte, denn Kinder lassen nie locker und wollen immer »verstehen«.

Eines Tages trafen wir in Delhi einen alten Sikh. Ich hatte meine Familie dorthin mitgenommen, um meinen vierzigsten Geburtstag zu feiern. Symbolisch hatte ich damit gewissermaßen ein Samenkorn in die indische Erde legen und so in aller Form kundtun wollen, daß ich die Absicht hätte, eines Tages dort zu leben. Dieser Sikh war auf Saskia und Folco zugegangen, die damals gerade acht bzw. neun Jahre alt waren, und hatte sie angesprochen. »Wenn ihr wollt, errate ich den Namen eures Großvaters!« Ungläubig streckten sie ihm ein paar Rupien hin, und nach ein paar Fragen, die er ihnen stellte, schaffte er es tatsächlich, den Buchstaben G auf ein Stückchen Papier zu malen, den Anfangsbuchstaben des Vornamens meines Vaters, Gerardo. Folco und Saskia waren entgeistert, und ich hatte Mühe, sie zu überzeugen, daß, wie bei so vielen »Wundern« Indiens, von den lebendig Begrabenen angefangen bis hin zu dem Seil, das sich von selbst steil aufrichtet, auch hier ein Trick dahintersteckte. Vermutlich hatten sie selbst dem Sikh den Buchstaben durch ihre Antworten auf seine Fragen suggeriert. Nichts zu machen! Sie waren fest davon überzeugt, daß es sich zumindest um Gedankenübertragung han



Tiziano Terzani, 1938 in Florenz geboren, in Europa und den USA ausgebildet, kannte Asien wie kaum ein anderer westlicher Journalist. Von 1972 bis 1997 war er dort Korrespondent des SPIEGEL - anfangs in Singapur, dann in Hongkong, Peking, Tokio und Bangkok. 1995 war er einer der wenigen westlichen Reporter, die in Saigon blieben, als Kommunisten die Stadt übernahmen. Terzani lebte bereits fünf Jahre in China, als er 1984 plötzlich verhaftet, antirevolutionärer Aktivitäten beschuldigt, einen Monat umerzogen und schließlich ausgewiesen wurde. Nach mehrjährigen Aufenthalten in Japan und Thailand ging Terzani 1994 nach Indien. Er starb in Juli 2004.