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Die ÜberlebendenOverlay E-Book Reader

Die Überlebenden

Roman | »Ein Meisterwerk.« Thomas Böhm, Radio eins | Alex Schulman

E-Book (EPUB)
2021 Dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
Auflage: 2. Aufl.
304 Seiten
ISBN: 978-3-423-43940-4

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Kurztext / Annotation
Über Hoffnung. Über Versöhnung. Über Leben Nach zwei Jahrzehnten kehren die Brüder Benjamin, Pierre und Nils zum Ort ihrer Kindheit - ein Holzhaus am See - zurück, um die Asche ihrer Mutter zu verstreuen. Eine Reise durch die raue, unberührte Natur wie auch durch die Zeit. Im Kampf um die Liebe der Mutter, die abweisend und grob, dann wieder beinahe zärtlich war, haben die Jungen sich damals aufgerieben bis zur Erschöpfung. Heute fühlen sie sich so weit voneinander entfernt, dass es kein Aufeinanderzu mehr zu geben scheint. Und doch ist da dieser Rest Hoffnung, den Riss in der Welt zu kitten, wenn sie sich noch einmal gemeinsam in die Vergangenheit vorwagen.

Alex Schulman, geboren 1976, ist einer der populärsten schwedischen Schriftsteller. Sein Roman >Die Überlebenden<, 2021 bei dtv erschienen, wurde in 30 Sprachen übersetzt. Mit >Verbrenn all meine Briefe<, bei dtv 2022, gelang ihm in Schweden 2018 der Durchbruch als literarischer Autor.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

KAPITEL 2

Das Wettschwimmen

Jeden Abend stand Benjamin im flachen Wasser, unmittelbar unterhalb der kleinen Strandwiese, wo seine Eltern saßen. Sie folgten dem Lauf der Sonne, verschoben Tisch und Stühle um einige Meter, sobald sie sich im Schatten befanden, und so fuhren sie fort, während die Dämmerung langsam hereinbrach, bewegten sich immer weiter. Unterm Tisch saß Molly, der Hund, und wunderte sich, dass sein Dach verschwand, dann folgte er dem Gespann auf seinem Weg am Ufer entlang. Jetzt waren Benjamins Eltern an der Endstation angekommen und sahen zu, wie die Sonne über den Wipfeln am anderen Seeufer sank. Sie saßen immer nebeneinander, Schulter an Schulter, denn beide wollten aufs Wasser schauen. Die weißen Plastikstühle ins hohe Gras gebohrt, ein schiefer kleiner Holztisch, auf dem die fleckigen Biergläser in der Abendsonne glänzten. Ein Schneidebrett mit einem Zipfel ungarischer Salami, Mortadella und Radieschen. Im Gras zwischen ihnen eine Kühltasche, die den Wodka kalthielt. Jedes Mal, wenn Papa einen Schnaps kippte, sagte er »hej« und hob das Glas in Richtung Nirgendwo und trank. Er säbelte an der Wurst, sodass der Tisch wackelte, das Bier schwappte über, was Mama jedes Mal irritierte - mit einer Grimasse hob sie ihr Glas, bis er fertig war. So etwas fiel Papa gar nicht auf, Benjamin dagegen schon. Er registrierte jede Veränderung, stand immer ein klein wenig abseits, damit sie ihre Ruhe hatten, und doch nah genug, um ihren Gesprächen folgen, Stimmungen und Launen einschätzen zu können. Er hörte ihr freundliches Murmeln, Besteck auf Geschirr, das Geräusch, wenn sich einer von ihnen eine Zigarette ansteckte, ein Strom von Lauten, die darauf hindeuteten, dass zwischen ihnen alles in Ordnung war.

Mit seinem Kescher schlenderte Benjamin am Ufer entlang, spähte ins Wasser. Manchmal sah er versehentlich genau in die Spiegelung der Sonne, und dann schmerzten seine Augen, als würden sie bersten. Er balancierte über die großen Steine, suchte den Grund nach Kaulquappen ab, diesen seltsamen Tierchen, schwarz und träge, die aussahen wie schwimmende Kommas. Er zog ein paar mit dem Kescher heraus und entließ sie in die Gefangenschaft des roten Eimers. Es war ein Ritual. Mit den Eltern als Kulisse sammelte er Kaulquappen, und wenn die Sonne unterging und Mama und Papa aufstanden, um ins Haus zu gehen, kippte er die Kaulquappen in den See und wanderte mit den Eltern hangaufwärts. Und am nächsten Abend begann er wieder von vorn. Einmal vergaß er die Kaulquappen im Eimer. Als er es am Nachmittag darauf bemerkte, waren alle tot, vernichtet von der Hitze der Sonne. Die Angst, Papa könnte es bemerken. Rasch leerte er den Eimer ins Wasser, und obwohl Benjamin wusste, dass Papa oben im Haus war und sich ausruhte, war ihm, als brenne dessen Blick in seinem Nacken.

»Mama!«

Benjamin schaute zum Haus hinauf und sah, wie sein jüngerer Bruder den Hang runtergelaufen kam. Man sah ihm seine Rastlosigkeit schon von Weitem an. Das hier war kein Ort für Ungeduldige. Vor allem nicht diesen Sommer: Als sie vor einer Woche angekommen waren, hatten die Eltern beschlossen, dass es die ganzen Ferien über kein Fernsehen geben sollte. Feierlich teilten sie es den Kindern mit, und vor allem Pierre nahm es schwer, als der Vater das Kabel herauszog und den Stecker demonstrativ oben auf den Fernseher legte, wie bei einer öffentlichen Hinrichtung, bei der man die Leiche zur Abschreckung hängen lässt. Es sollte sie daran erinnern, was den Dingen blühte, die die Entscheidung der Familie bedrohten, ihren Sommer im Freien zu verbringen.

Pierre hatte seine Comics, die er sich langsam und murmelnd selbst vorlas, wenn er abends auf dem Bauch im Gras lag. Doch irgendwann verlor er die Lust, und dann lief er immer zu ihren Eltern, und Benjamin wusste, dass ihre Reaktion je nach Laune unterschiedlich ausfallen konnte; manchmal durfte man