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Die Farbe des GranatapfelsOverlay E-Book Reader

Die Farbe des Granatapfels

Roman | Anna Baar

E-Book (PDF)
2015 Wallstein Verlag
320 Seiten
ISBN: 978-3-8353-2874-7

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Kurztext / Annotation
Eine große Geschichte von Liebe und Versöhnung, Krieg und Frieden, Ausgrenzung, Vereinnahmung und Entfremdung im Heranwachsen zwischen den Kulturen.

Sommer für Sommer findet ein Mädchen sich fernab seiner österreichischen Heimat auf einer dalmatinischen Insel in der Obhut der Großmutter, nur einen Steinwurf vom Meer entfernt unter dem Blätterdach der Mandelbäume im Lärm der Zikaden. Es hat etwas Paradiesisches und ist zugleich doch auch das Andere, Fremde. Hier die archaische Inselwelt eines Fischerdorfs im Mutter- und Großmutterland, wo man Marschall Tito und seinen Partisanen huldigt und den Sieg über die Deutschen feiert, während die abermals über das Land kommen, diesmal willkommen - als zahlende Touristen. Dort das bürgerliche, behütete Leben in einer österreichischen Provinzhauptstadt (Vaterland), in der sich der nationalsozialistische Bodensatz lange hartnäckig hält und Jugoslawen hauptsächlich als Gastarbeiter in Erscheinung treten.
In diesem Roman geht es um Identitätsfindung, Entfremdung, um das Heranwachsen zwischen zwei Kulturen und Kindheitsschauplätzen, nämlich der archaischen Inselwelt in Kroatien und der österreichischen Welt. Es geht auch um die geschlechtliche Identität, um die Widersprüchlichkeit der Erwartungen, Anforderungen und Zumutungen und um die Zugehörigkeit zu Muttersprache und Vatersprache und um die Großmuttersprache.

Anna Baar, geb. 1973 in Zagreb. Kindheit und Jugend in Wien, Klagenfurt und auf der dalmatinischen Insel Brac. Studium der Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit an den Universitäten Wien und Klagenfurt. Lebt in Klagenfurt

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Ist Nada bei den anderen Großeltern zu Besuch, wird sie mit Komplimenten bei Laune gehalten, Erkundigungen nach dem Wohlergehen, harmloses Gezirp. Man spricht langsam und deutlich in der Hoffnung, dass man einander dadurch besser verstünde, dass sich alle Ungleichheit verbergen ließe, auch der Argwohn, die Kluft, die Befangenheit. Große Gesten, wo die Worte fehlen - und sie fehlen an allen Ecken.

Nada genießt die Schmeicheleien der Alten, die höflichen Phrasen - Was macht die Gesundheit? und Was für ein Kleid! und Wie geht es den Lieben daheim? -, heißt das Kind das Geschwätz übersetzen, tut vornehm, blickt stolz nach links, nach rechts, nach oben, sucht Antworten, schmückt aus, lacht wie eine, die keinen Grund zum Lachen hat, fragt nicht, ob die ihre Lieder mögen, und kein Sterbenswort von Vesela. Sie weiß, dass der Großvater um ein Haar als Volksverderber durch den Rost gefallen wäre. Sie weiß, dass die Großmutter seinetwegen im Gefängnis war. Sie hält sie dennoch für gesegnet, alle beide. Wie sonst ist zu erklären, dass sie selbst im Herabschauen noch missbilligend zu ihnen aufblickt? Und wie sie sich brüstet und aufspielt, um die Bitterschokolade doch noch für die beste vorzumachen.

Jahre später wird sie keine Kraft mehr haben, ihren Unmut zu verbergen: Ihr Österreicher, wird sie sagen, nichts als schöne Worte, Lipe rici.

Die schönen Worte aber sind ein Segen. Man baut sie doch nur um ein großes Schweigen. Wohin denn sonst mit den Prügeln, den Fußtritten und Bauchschlägen, dem Genickbrechen über Stuhllehnen, den Deutschen Schäferhunden, die man auf den Biss in die Geschlechtsteile abgerichtet hat? Wohin mit den elektrischen Drähten, den Hungerbunkern und der Nummer 64190 auf Großvaters Arm? Wohin mit den Abschlachtungen im Unterland, wie das südliche Grenzgebiet des Vaterlands immer noch heißt - das Land von Milch und Honig, so anmutig und satt, dass mancher nicht anders konnte, als verrückt zu werden? Wohin mit den Krüppeln und Idioten, die man in den Nächten holte, auch aus den entlegensten Dörfern, um sie ins Krankenhaus zu bringen und dort zu Tode zu spritzen? Wohin mit denen, die man in Lastwagen und Eisenbahnwaggons fortbrachte? Wohin mit jenem Tag im Februar 1944, an dem sie den Großvater holten, weil er den Führer ein Schwein genannt hatte? Beim Verhör der Zuruf des Beamten: Sag, dass du es nicht so gemeint hast, Saujud!, der Witzbold aber unbeugsam, auch als man ihn zum Hitlergruß zwingen wollte. Wohin mit dem Gift, das man im Bandenkampfgebiet, zu dem man das Unterland erklärt hatte, an die Bauern verteilte, damit sie es den Partisanen, wenn sie vorbeikämen, ins Essen mengten? Wohin mit den Provokateuren in Partisanenkleidung, die von Haus zu Haus zogen, um die Bewohner zu testen? Wohin mit den geschändeten Leichen, die man tagelang liegen ließ - zur Abschreckung der Banditen und ihrer Gesinnungsgenossen? Wohin mit meinem Schweigen, als mir die Großtante vom Furor der Partisanen erzählte: Die Keusche vom Sereinig haben die abgefackelt und sich in Sicherheit geglaubt, bis wir auch ihnen die Streu unterm Arsch angezündet haben! Wohin mit Schutt und Asche, denn alles Schutt und Asche, nur nicht die Erinnerung, die nicht kleinzukriegen ist, nicht im Totschweigen, nicht in Suff und Verleugnung? Die dunkle Ahnung: so oder so von Blut zu Blut drängend, an die Nachgeburten derer, die niemals vergessen wollen, und an die Nachgeburten derer, die das Vergessen fordern, weil's ihnen nicht gelingt.

 

Mörderzunge, zischt Nada, wenn sie allein ist mit dem Kind und sich dazu herablässt, ihre Zinnoberlippen zum Deutschen zu verzerren, weil sie die Vatersprache ins Lächerliche ziehen oder ihre Abneigung in einem Grölen, einem Befehlston breittreten kan