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Das Jahr der VeränderungenOverlay E-Book Reader

Das Jahr der Veränderungen

Tessa Hadley

E-Book (EPUB)
2024 Kampa Verlag
368 Seiten
ISBN: 978-3-311-70468-3

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Kurztext / Annotation
Kates Temperament sei wie eine Naturgewalt, hat ihre Mutter Billie immer gesagt, großartig und unentrinnbar. Jetzt ist Kate dreiundvierzig, kinderlos und unverheiratet, und ihr Leben in London, ihr Job an der Uni, alles, was sie einmal erstrebenswert und aufregend fand, langweilt sie nur noch. Kurzerhand nimmt sie ein Jahr unbezahlten Urlaub, vermietet ihre Wohnung unter und zieht zurück nach Wales, um sich um Billie zu kümmern, die mit ihren dreiundachtzig Jahren immer vergesslicher wird. Hier, in der altehrwürdigen Villa Firenze am See, wo drei Generationen ihrer kultivierten jüdischen Familie zu Hause waren, ist die Zeit stehen geblieben. Aber in Kates Leben war Stillstand nie eine Option. Als sie ihren Jugendfreund David wiedertrifft, in dessen Ehe es gehörig kriselt, scheint eine Zerstreuung gefunden. Auch Davids siebzehnjähriger Sohn Jamie sucht Kates Nähe. Sie ist so ganz anders als die Mädchen in seiner Schule, und er verliebt sich in sie ... Die neuen Verbindungen, die Kate in der alten Heimat knüpft, stellen ihr Leben auf den Kopf - wenn auch ganz anders, als sie es sich vorgestellt hat.

Tessa Hadley, 1956 in Bristol geboren, wechselt zwischen zwei Rollen hin und her: Ihr »soziales Ich« kümmert sich um ihren Ehemann, ihre drei Söhne und ebenso viele Enkelkinder, während ihr »schreibendes Ich« geduldig hinter den Kulissen warten muss, bis es wieder auftreten darf. Aber das eine gäbe es nicht ohne das andere: Auch in ihrem Schreiben beschäftigt sich Hadley, wie ihre großen Vorbilder Jane Austen und Jean Rhys, mit dem Familienleben und sozialen Beziehungen. Bevor sie sich dem Schreiben widmete, arbeitete Tessa Hadley kurze Zeit - sehr unglücklich - als Lehrerin. Mit Ende dreißig studierte sie Kreatives Schreiben in Bath (wo sie heute unterrichtet) und promovierte mit einer Arbeit über Henry James. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie erst mit 46. Für ihre Romane und Kurzgeschichten erhielt sie zahlreiche Preise, 2009 wurde sie zum Fellow der Royal Society of Literature gewählt.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Eins

Nein, es war kein Zeichen. Kate weigerte sich, darin ein Zeichen zu sehen.

Sie fuhr sowieso nicht gern Auto. Sobald sie zu Hause ankam, würde sie den Wagen verkaufen; aber um ihr ganzes Zeug aus London wegzuschaffen, hatte sie ihn natürlich gebraucht. Auf der Rückbank stapelten sich Bücherkisten und Reisetaschen mit allen möglichen Habseligkeiten, die sie einfach nicht hatte zurücklassen können und die ihr nun im Rückspiegel die Sicht versperrten. Wenn sie Auto fuhr, lebte sie permanent in dem Bewusstsein, dass sie jeden Moment sterben könnte; darum trat sie, wenn sie bremsen musste, stets mit der verzweifelten Rücksichtslosigkeit einer Spielerin aufs Pedal, und genauso wechselte sie auch die Spur; doch das, was dann tatsächlich passierte, kurz nachdem sie den Brynglas-Tunnel an der Ausfahrt Newport verlassen hatte, das war nicht ihre Schuld. Das allgemeine Tempo war nicht besonders hoch. Sie hatte eigentlich so zeitig losfahren wollen, dass sie nicht in den Berufsverkehr kam, doch dann hatte sie Stunden und Minuten damit verplempert, die Schlüssel abzugeben und die benoteten Examensarbeiten in der Universität vorbeizubringen, und so war die Zeit mal wieder wie im Flug vergangen. Würde ihr Leben wohl jemals in den klaren Bahnen verlaufen, die sie ihm vorgezeichnet hatte? Und nun saß sie hier auf der mittleren Spur fest, im Regen und im winterlich trüben Dämmerlicht, zwergenhaft klein zwischen all den hoch aufragenden Trucks mit ihren vor Nässe dampfenden Rädern, mitten in einer langen Schlange aus Newport kommender Autos, hielt sich krampfhaft mit beiden Händen am Lenkrad fest und würde wahnsinnig gern rauchen, traute sich aber nicht, eine Zigarette aus der Schachtel auf dem Armaturenbrett zu fummeln. Der Kater in seinem auf dem Beifahrersitz festgeschnallten Korb drehte sich mit angelegtem Fell im Kreis und drückte damit genau jene Mischung aus Unbehagen und Langeweile aus, die sie selbst empfand.

Und plötzlich fiel im Halbdunkel etwas vom Himmel. Kate dachte zuerst, es sei ein Bündel Schmutzwäsche, eingewickelt in ein Laken. Ehe sie die Katastrophe noch recht mitbekommen hatte, knallte das Ding auch schon seitlich an einen großen Containertruck auf der Kriechspur, und außerdem war es gar kein Bündel, das harmlos auseinanderfallen konnte, sondern entpuppte sich als feste Masse, die durch ihr Eigengewicht zurückgeschleudert wurde und auf das rote Auto unmittelbar vor ihr zugeflogen kam. Der Wagen musste ausweichen. Was blieb ihm weiter übrig? Das formlose graue Ding donnerte auf die rote Motorhaube, blieb an der Windschutzscheibe kleben, versperrte die Sicht und wurde, als der Wagen in die schnellere Außenspur hinüberschwenkte, nach vorne katapultiert, wobei es einen langen Flügel von sich streckte. Schneeweiße Federn, reihenweise angeordnet in perfekter Symmetrie und angestrahlt von lauter Autoscheinwerfern. Im nächsten Moment wurde es auf die Straße geschleudert und von dem herannahenden Chaos verschluckt. Auf der Überholspur fuhr dem Roten einer in die Seite und schob ihn auf den Mittelstreifen. Die Autos kamen angetanzt und blieben mitten auf der Fahrbahn stehen, wo gerade Platz war. Die eigentliche Katastrophe vollzog sich überraschend geordnet: Kate fuhr ganz gesittet und ohne viel Getöse auf einen weißen Lieferwagen auf, ihr kleiner Citroën beschrieb einen Halbkreis und kam auf der anderen Straßenseite, quer zur Fahrbahn, zum Stehen. Dann traf ihn irgendwas und schubste ihn ein paar Meter nach vorne. Sie war nicht verletzt, noch nicht mal besonders erschrocken, wie sie fand. Was für ein Theater, dachte sie. Schöne Begrüßung hier daheim. Nur der Kater protestierte mit empörtem Kreischen.

Nein, das war kein Zeichen, das war der reine Hohn.

Wundersamerweise schien niemand verletzt zu sein. Die Frau in dem roten Auto kletterte auf der Fahrerseite heraus und ging um den Wagen herum, um sich den Schaden zu besehen. Die andere