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Gruß aus der KücheOverlay E-Book Reader

Gruß aus der Küche

Ingrid Noll

E-Book (EPUB)
2024 Diogenes
Auflage: 1. Auflage
304 Seiten
ISBN: 978-3-257-61473-2

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Kurztext / Annotation
Irma, 40, hat aus dem Gasthaus »Zum Hirschen« die beliebte vegetarische »Aubergine« gemacht. Die kreative Inhaberin beschäftigt eine bunte Truppe: eine 17-jährige Schulverweigerin als Mädchen für alles; eine tratschfreudige Hilfsköchin; einen Ex-Weltenbummler als Kellner und Manager. Und den 80-jährigen »Gemüsemann«, der beim Gemüseschnippeln hilft und angeblich fast taub ist. Und wie in jeder engen Gemeinschaft herrschen nicht nur positive Vibes, sondern gibt es einige Turbulenzen.

Ingrid Noll, geboren 1935 in Shanghai, studierte in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte. Sie ist Mutter dreier erwachsener Kinder und vierfache Großmutter. Nachdem die Kinder das Haus verlassen hatten, begann sie Kriminalgeschichten zu schreiben, die allesamt zu Bestsellern wurden. 2005 erhielt sie den Friedrich-Glauser-Ehrenpreis der Autor:innen für ihr Gesamtwerk.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet


Leider hatte ich von Haus aus keine Gelegenheit gehabt, eine Fremdsprache zu erlernen. Ein wenig Englisch in der Hauptschule, das war alles. Aber ich hole auf und finde es spannend, hin und wieder mit einem Ausländer ins Gespräch zu kommen und meinen Wortschatz um ein paar Ausdrücke zu erweitern, auch mein Lebensmensch, der hochgebildete Josch, liebt es, mich zu belehren. Als Köchin hat man es sowieso mit Begriffen aus der französischen Küche zu tun, so dass mir diese Sprache fast ein wenig vertraut vorkommt. Meine Ausbildung habe ich schließlich im Badischen Hof absolviert und dort nicht nur die bürgerliche, sondern auch die gehobene Gastronomie von der Pike auf erlernt.

 

Als ich den kleinen Gasthof meines hessischen Heimatortes übernehmen konnte, wollte ich den traditionellen Namen Zum Hirschen auf keinen Fall beibehalten, denn ich war dort durch das jahrelange Braten von Jägerschnitzeln zur Vegetarierin geworden. Mein Chef hatte wenig Wert auf eine raffinierte Zubereitung gelegt. »Salzen, salzen, salzen« hieß sein Motto, denn am Durst der Gäste war mehr zu verdienen als an der Schlachtplatte.

Josch meinte, man könne den altbekannten Namen des Lokals mit einem einzigen Wort modernisieren, nämlich: Zum vegetarischen Hirschen, denn der König des Waldes sei schließlich seinerseits kein Fleischfresser.

 

Aber ich nannte den Gasthof nach der Übergabe Aubergine. Anfangs war mir gar nicht bewusst, dass es bereits mehrere berühmte Restaurants mit diesem Namen gab. Erst als Josch mich aufklärte, wollte ich etwas ganz Besonderes aus meinem Laden machen und beschränkte mich nicht nur auf fleischlose Küche, sondern überraschte die Kundschaft sowohl mit exotischen als auch traditionellen oder selbsterfundenen Gemüsegerichten. Vegetarische Moussaka stand nun an erster Stelle auf meiner kleinen Speisekarte, wahrscheinlich nicht zur Freude der griechischen Konkurrenz. Fast ebenso beliebt wie die fleischlose Moussaka war meine italienische Parmigiana. Nach und nach probierte ich die unterschiedlichsten Auberginenrezepte aus, denn man kann dieses Gemüse grillen, braten, überbacken, panieren, schnitzeln, auf türkische Art füllen, mit Mozzarella verfeinern oder als Creme pürieren. Schon bald standen bei mir die asiatischen Eierfrüchte auf Platz eins der Speisekarte, wenn auch zur Abwechslung unter anderen Namen wie etwa Eggplants oder Melanzane. Grundsätzlich lehne ich es aber ab, pflanzliche Produkte durch spezielle Formgebung in Würste und Steaks zu verwandeln. Falsche Schnitzel als optischer Ersatz sind mir genauso suspekt wie magere Köche.

Fast gleichzeitig kam mir die Idee, mich passend zum namensgebenden Gemüse einzukleiden. Ich kauf_te also mehrere übergroße violette Arbeitskittel und ließ mir dazu passende Kappen mit grünen Kelchblättern aus Filz anfertigen, die ich allerdings nur im Restaurant und nicht in der Küche aufsetze. Es steht mir gut, ein wenig sehe ich wie eine Märchenfigur in einem Trickfilm aus. Eines Tages tauf_te mich ein kanadischer Student Humpty Dumpty, weil er fand, ich gleiche trotz meiner Verkleidung eher einem lila Ei als einer Aubergine. Ich tat so, als würde ich es mit Humor nehmen, denn eigentlich war es kein Kompliment, auf meine fehlende Taille anzuspielen; aber da meine anderen Gäste das englische Kindergedicht nicht kannten, geriet dieser Spitzname rasch wieder in Vergessenheit. Als mich einmal eine junge Mutter mit verschwörerischem Lächeln fragte, wann es denn so weit sei, hätte ich sie erwürgen können. Schon in meiner Schulzeit wurde mein Name »Krugel« in »Kugel« umgewandelt, selbst mein Grundschullehrer sagte schon mal Irma Kugel zu mir. Früher kam er jeden Samstag mit Gitarre und Blockflöte in mein Lokal, dabei sang er wie schon vor dreißig Jahren das saublöde Lied für Erstklässler: Spannenlanger Hansel