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Geschwister im GegenlichtOverlay E-Book Reader

Geschwister im Gegenlicht

Roman | Sabine Bode

E-Book (EPUB)
2023 Klett-cotta
Auflage: 1. Auflage
320 Seiten
ISBN: 978-3-608-12197-1

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Kurztext / Annotation
Der große Familienroman von Bestsellerautorin Sabine Bode Familie, nein danke lautet Sonjas Lebensmotto - und damit ist sie stets gut gefahren. Bis ihr Bruder Rolf überraschend an der Ostsee auftaucht und in der dunklen Familiengeschichte zu graben beginnt. Lebensnah und feinfühlig erzählt Sabine Bode von einem ungleichen Geschwisterpaar, das die Narben seiner Herkunft nicht länger versteckt. Wenn der eigene Bruder plötzlich vor der Tür steht, kann es das eigene Leben ganz schön durcheinanderwirbeln. Während Sonja das Kapitel Familie schon vor Jahren geschlossen hat, ist der Erkenntnisdrang bei Rolf taufrisch. Seine Mission ist es, die Schwester zur gemeinsamen Familienaufarbeitung anzustiften, aber Sonja fällt es schwer, sich auf die neue Nähe einzulassen. Doch dann bittet ihre Nichte Nina sie um Hilfe. Halb widerwillig, halb neugierig kehrt Sonja ihrer friedlichen Ferienwohnung an der Ostsee schließlich den Rücken und macht sich mit Rolf in dessen rostigem VW-Bus auf die Reise an die Orte ihrer gemeinsamen Vergangenheit und in ihr Elternhaus, einen Ort des Schreckens. Bestsellerautorin Sabine Bode erzählt in ihrem zweiten Roman höchst authentisch von den Traumata eines Geschwisterpaares, die ihren Ursprung in der NS-Zeit haben.

Sabine Bode, Jahrgang 1947, begann als Redakteurin beim »Kölner Stadt-Anzeiger«. Seit 1978 arbeitet sie freiberuflich als Journalistin und Buchautorin und lebt in Köln.Sie ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet seelischer Kriegsfolgen.Ihre Sachbücher »Die vergessene Generation«, »Kriegsenkel«, »Nachkriegskinder« und »Kriegsspuren« sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Es ist Samstag, früher Nachmittag, die Sonne scheint, und ich bin Zeugin eines zaghaften Saisonbeginns. Ausflugsgäste schlendern über die Uferpromenade. Vor meinem Fischbrötchen-Kiosk hat sich eine kleine Schlange gebildet. Die jüngsten Mitglieder einer Drei-Generationen-Gruppe betteln um ein Eis. Während die Eltern noch zögern, hat Opa schon das Portemonnaie aufgemacht, mit der Begründung, einen so schönen, warmen Tag sollten auch die Kleinen feiern.

Eines der zwei Hotels hat seine Terrasse geöffnet. Man erreicht sie von der Einkaufsstraße aus über eine kurze Treppe. Ich habe mich an einen Tisch am Geländer gesetzt und schaue hinunter auf Blumenbeete mit den letzten Narzissen und den ersten Tulpen. Die Fliederbüsche, die überall im Ort zu finden sind, stehen kurz vor der Blüte. Ein Spatz hockt auf der Stuhllehne neben mir, bereit, sich auf Kuchenkrümel zu stürzen. Die Schokoladentorte ist ein einziger Genuss. Entwöhnt, wie ich bin, hätte ich am liebsten noch eine zweite bestellt. Aber ich habe einen Termin.

Vergeblich warte ich darauf, dass jemand erscheint, damit ich bezahlen kann. Eine Frau vom Nachbartisch, die meine Unruhe bemerkt, rät mir, ins Hotel hineinzugehen und an die Tür neben der Kuchentheke zu klopfen. So weit kommt es nicht. Die junge Bedienung steht neben der Kasse, in enger Umarmung mit einem jungen Mann. Als sie mich kommen sieht, löst sie sich von ihm mit einer Serie kleiner Küsse. Dann wendet sie sich mir zu, lächelt mich offen an und druckt den Kassenbon aus. Erst da erkenne ich, dass es Britta ist, die im Winter, bei dem Karaoke-Geburtstag, von den Gästen so schäbig behandelt wurde. Es freut mich für sie, dass sie in einer gepflegten Umgebung arbeitet. Vielleicht werde ich sie später einmal darauf ansprechen. Sie macht einen netten Eindruck, und falls ich nicht abreise, werde ich noch öfter auf der Terrasse sitzen und ein Stück Schokoladentorte genießen.

Wenig später treffe ich im Friseursalon von Giovanni Fiore ein. Als ich vor dem Spiegel Platz nehme, klingelt mein Handy. »Gehen Sie ruhig ran«, sagt der elegante, weißhaarige Meister. »So viel Zeit muss sein. Wahrscheinlich ist es die Nichte.«

»Machen Sie Spaß!? Sind Sie Hellseher?«

»Keineswegs.« Er lächelt amüsiert. »Ihre Nina und ich haben einige Male telefoniert.«

»Wie soll ich das verstehen? Warum?!« Das Handy klingelt weiter.

»Das wird sie Ihnen schon selber sagen.« Er zündet sich eine Zigarette an und will sich diskret entfernen, als ihm mein sehnsüchtiger Blick auffällt. Mit einem »Pardon« hält er mir seine Packung hin, er raucht meine Marke. Ich bediene mich, er gibt mir Feuer und versorgt mich mit einem Aschenbecher. Als ich endlich den Anruf annehmen will, hat Nina oder wer auch immer aufgelegt. Gut so. Ich werde nicht zurückrufen. Wenn mich Geheimnisse umwabern, kann ich mich nicht konzentrieren, schon gar nicht auf ein Telefonat, bei schlechter Handyverbindung in Konkurrenz mit der mir wohlbekannten Hintergrundmusik, den italienischen Schlagern. Im Spiegel sehe ich, dass sich Signore Fiore hinter seine Theke zurückgezogen hat und mit weit ausgebreiteten Armen bei Volare mitsingt. Sein junger Mitarbeiter, der ein weißes Rüschenhemd trägt, und dessen Kundin, die eine Farb-Packung auf dem Kopf hat, begleiten ihn in voller Lautstärke: »Nel blu dipinto di blu.« Woher die Fröhlichkeit? Feiern sie im Norden Karneval später als am Rhein? Aber wo sind die Luftschlangen? Wenn ich verwirrt bin, stelle ich mir immer die dümmsten Fragen.

Ich verlasse den Salon mit einem frechen Haarschnitt und neugierig wie ein Kind. Ich möge mir keine Sorgen machen, hat mir der Chef mit einem breiten Lächeln mit auf den Weg gegeben. Und ich könne stolz auf meine Nichte sein. Auf die Schnelle kaufe ich einen Strauß mit blauen und rosa Anemonen, stelle ihn zu Hause auf den Esstisch und mache es mir mit Kaffee und Zigarette gemütlich. Das Handy klin