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Agonie

Thriller | Ein abgründiger Thriller mit Setting in Hamburg: spannend, aktuell, brutal | Lea Adam

E-Book (EPUB)
2023 Ullstein
Auflage: 1. Auflage
304 Seiten
ISBN: 978-3-8437-3065-5

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Kurztext / Annotation
Sie tut alles, um Tiere zu schützen. Doch sich selbst retten kann sie nicht ... Als eine bekannte Umwelt-Influencerin wie Schlachtvieh zugerichtet in ihrem Loft aufgefunden wird, ahnen die Mordermittler Jagoda Milosevic und Vincent Frey, dass sie es mit einem Hassverbrechen zu tun haben: Die junge Frau legte sich nicht nur mit Großkonzernen an, sondern vertrat lautstark unpopuläre Meinungen. Doch je länger Milo und Vince im Umfeld der Toten ermitteln, desto überzeugter sind sie, dass das Mordmotiv ein finanzielles sein könnte: Die junge Frau hatte Videomaterial gesammelt, das einen großen Fleischkonzern die Lizenz kosten würde, käme es an die Öffentlichkeit. Bevor sie den Fall zur Anzeige bringen können, wird Milo jedoch brutal überwältigt und entführt ... Milosevic und Frey ermitteln gegen einen übermächtigen Gegner Zwischen Menschhandel und der Fleischindustrie ermitteln Vincent Frey und Jagoda Milosevic in diesem düsteren Thriller für alle Fans von 'Die Brücke' und 'Fake'.

Lea Adam ist das Pseudonym der Autorinnen Regina Denk und Lisa Bitzer. Zwischen der schwedischen Küste und dem Münchener Umland haben sie unabhängig voneinander zahlreiche Buchprojekte veröffentlicht. Stigma ist ihr erster gemeinsamer Thriller.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

3. April 2023, 9:30 Uhr, HafenCity

»Und wie, denkst du, soll ich da hochkommen?«, knurrte Vince wie ein wütender Schäferhund, dem man gerade das Drogendummy weggenommen hatte.

Stumm fragte sich Milo, wie lange die Freude über die Rückkehr ihres Kollegen noch anhalten würde, und schämte sich im selben Atemzug dafür. Auch weil sie sich für seine Misere verantwortlich fühlte. Immerhin war sie es gewesen, die zugelassen hatte, dass er dem Täter in ihrem letzten Fall direkt in die Arme gelaufen war. Rational betrachtet, konnte natürlich weder sie noch irgendjemand anderes im Team etwas für Vince' Verletzung. Und ihr war ebenso bewusst, dass es auch jeden anderen der Mordkommission hätte treffen können. Bis auf Horst vielleicht, der mit seinem Stuhl verwachsen schien und den Schreibtisch wirklich nur verließ, wenn er von Serpil, der Kommissionschefin, dazu verdonnert wurde. Theoretisch hätte jeder von ihnen an Vince' Stelle sein können: Philipp, Gioia, sie selbst. Vor allem sie selbst.

Sie lebte nur deswegen noch, weil sich Vince der Kugel in den Weg geworfen hatte, die eigentlich für sie bestimmt gewesen war. Und auch, wenn sie den Schuss überlebt hätte: Wie wäre sie damit umgegangen, wenn die Kugel nicht die Lunge ihres Partners, sondern ihre eigene durchbohrt und sie für Monate in die Reha befördert hätte? Die Ärzte hatten gesagt, Vince sei dem Tod in letzter Sekunde von der Schippe gesprungen. Also egal, wie mies er seit dem Zwischenfall in der Waldhütte drauf war: Milo war unendlich froh, dass er bei dem Schusswechsel nur verletzt worden war. Selbst wenn dieses »nur« an manchen Tagen einen sehr bitteren Beigeschmack hatte.

Die Tatsache, dass ihr Partner dank des Lungenschusses mit dem Rauchen aufgehört hatte, machte die Sache nicht besser. Eigentlich ein Grund zur Freude, war es Milo in der Vergangenheit doch regelmäßig auf den Keks gegangen, dass Vince wie ein Aschenbecher stank und seine Kippenstummel überall in der Botanik und Stadt verteilte. Aber nun war er seit Wochen gereizt und hatte, seitdem er das Krankenhaus verlassen hatte, eine unglaublich kurze Zündschnur. Wie lange dauerte so ein Nikotinentzug eigentlich? Hätte er nicht schon längst über den Berg sein müssen?

Seufzend drückte sie ihren Partner in den Rollstuhl, den sie mühsam aus dem Kofferraum seiner alten Schrottkarre gehievt und dann vor der Beifahrertür aufgeklappt hatte. Noch weitere drei Wochen maximale Schonung und Rollstuhl, das war die Bedingung für seinen vorgezogenen Wiedereinstieg. Serpil, ihre Chefin, hatte kein Geheimnis daraus gemacht, was sie mit ihnen beiden anstellen würde, wenn sie die Auflage missachteten. Gleichzeitig konnte sich Milo vorstellen, wie schwer es Vince fiel, auf den Rollstuhl angewiesen zu sein. Und sie konnte es ihm nicht verdenken.

»Erstens, du wolltest unbedingt mitkommen und endlich wieder 'Einsatzluft schnuppern'«, antwortete Milo und gab sich Mühe, freundlich zu klingen. »Und zweitens, schau dir den Protzbunker doch mal an. Die werden doch wohl einen Fahrstuhl haben.«

Ihr Blick wanderte über die makellose Glasfassade am Gebäude nach oben. Die Hamburger Morgensonne und die glitzernde Elbe spiegelten sich darin um die Wette. Milo versuchte sich vorzustellen, was Wohnungen in so einem schicken Bau in der HafenCity im Monat kosten mussten. Die Tote, wegen der man sie gerufen hatte, musste also was auf der hohen Kante gehabt haben. Schade, dass sie von dem vielen Geld jetzt nichts mehr hat, dachte Milo und zuckte im selben Moment innerlich zusammen.

Sie erinnerte sich an die Worte ihrer Mentorin Angela Kaltenbach: »Irgendwann wirst du hart werden. Das ist der Moment, in dem dich die Schicksale nicht mehr berühren. In dem du dein Mitgefühl für andere verlierst. Oder für dich selbst. Beides ist gleich schlimm.«

War sie an diesem Punkt angekommen? War ihr das Schicksal der anderen gleichgültig ... oder ihr eigenes?