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Dazwischen: IchOverlay E-Book Reader

Dazwischen: Ich

Ausgezeichnet mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2017 | Julya Rabinowich

E-Book (EPUB)
2016 Carl Hanser Verlag München
Auflage: 1. Auflage
256 Seiten; ab 14 Jahre
ISBN: 978-3-446-25438-1

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Kurztext / Annotation
Madina ist endlich angekommen. In einem Land, das Sicherheit bedeuten könnte. Nach einer beschwerlichen Flucht vor dem Krieg in ihrer Heimat. Zerrissen zwischen Traditionen und dem neuen Leben in der westlichen Welt schildert sie ihre Zeit im Flüchtlingsheim. Und erzählt von ihrer Freundin Laura. Die als Einzige am ersten Schultag auf Madina zugekommen ist. Und die nicht über ihre Deutschfehler gelacht hat. Mit ihr kann Madina für einige Zeit die ärmlichen Zustände zu Hause vergessen. Die Hänseleien der Mitschüler. Und ihren Papa, der mit der neuen Situation nicht zurechtkommt. Eine bewegende Geschichte über Freundschaft und das Erwachsenwerden in Zeiten von Krieg, Verfolgung und Migration.

Julya Rabinowich, geboren 1970 in St. Petersburg, lebt seit 1977 in Wien, wo sie auch studierte. Sie ist als Schriftstellerin, Kolumnistin und Malerin tätig sowie als Dolmetscherin. Bei Deuticke erschienen Spaltkopf (2008, u. a. ausgezeichnet mit dem Rauriser Literaturpreis 2009), Herznovelle (2011, nominiert für den Prix du Livre Européen), Die Erdfresserin (2012) und Krötenliebe (2016). Mit Dazwischen: Ich veröffentlichte sie bei Hanser 2016 ihr erstes Jugendbuch. Es wurde u. a. mit dem Friedrich-Gerstäcker-Preis, dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis und dem Luchs (Die Zeit & Radio Bremen) ausgezeichnet sowie unter die Besten 7 Bücher für junge Leser (Deutschlandfunk) gewählt. 2019 erschien ihr Jugendbuch Hinter Glas, 2022 folgt Dazwischen: Wir.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

2

Habe die Katze heute heimlich ins Zimmer gelassen. Sie hat sich in meinem Bett zusammengerollt und geschnurrt. Ich habe meinen Kopf neben sie gelegt, damit ich das leise Beben ihres Körpers wahrnehmen kann. Das ist so angenehm wie die sanfteste Massage. Nur ohne Hände.

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Amina sagt, sie verpetzt mich beim Pensionsbesitzer, den hier alle Chef nennen, wenn sie das »Drecksvieh« noch einmal in ihrem Zimmer erwischt, so wie gestern. In ihrem Zimmer. Sehr witzig.

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Habe Papa gefragt, ob wir Amina nicht in ein eigenes Zimmer abschieben können.

Nein, können wir nicht. Wir hätten schon ein großes Zimmer, sagt der Chef. Die kleinen brauchen sie für Paare mit Babys. Einzelzimmer gibt es hier keine. Das lohnt sich nicht.

Papa hat das fast noch mehr bedauert als ich.

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Ich will jetzt nicht total miese Laune haben. Herr Bast, unser Biolehrer, hat mal in einem philosophischen Anfall ein Glas mit Wasser auf das Lehrerpult gestellt. »Halb voll oder halb leer?«, hat er gefragt. Das komme nur drauf an, wie man es betrachte. Kurz vor der Pause hat er es leider umgeworfen, weil er immer, wenn er in Fahrt ist, mit seinen Armen ausholt wie eine Windmühle.

Ich sehe es so: Das Glas ist immer halb voll, auch wenn es in Wirklichkeit fast leer ist. Ich versuche es. Eigentlich ist noch gar nichts wirklich gelöst bei uns. Wir sind noch nicht wirklich hier, aber ich arbeite daran. Stimmt, den Bescheid haben wir nicht. Aber ich kann mich ja trotzdem anstrengen! Zum Beispiel wenn ich merke, dass ich schon bei fast allen Unterrichtsfächern mitkomme und keine Angst mehr haben muss, dass ich durchfalle und Laura weiterkommt und ich wieder allein bin. Zugegeben, wenn Laura mir nicht helfen würde, hätte ich sicher schon ein paar Klassenarbeiten in den Sand gesetzt. Vor allem in Deutsch. Mathe ist leichter. Ich glaube, die Deutschlehrerin - King heißt sie - weiß das. Ich glaube, sie sieht manchmal einfach weg. Das ist sehr lieb von ihr. Hoffentlich merkt das keiner außer mir.

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Mama hat wieder einmal mit Tante Amina gestritten. Die kann einen bis aufs Blut reizen. Papa hat sich wie immer eingemischt, hat Mama rausgeschickt und dann mich. Rami hat sich hinter dem Schrank versteckt, den hat er nicht gesehen. Oder nicht sehen wollen.

Mama ist in den Hof gegangen, hat sich draußen auf die Bank gesetzt, in die Sonne, und hat sich das Taschentuch an die Augen gehalten und so getan, als ob sie Schnupfen hätte. Was hätte sie auch sonst tun sollen - auf dem Gang stehen, wo alle vorbeigehen? Die Küche ist am Nachmittag verschlossen. Im ganzen Haus gehen immer wieder Frauen herum, die leise weinen. Und Männer streiten lautstark. Manchmal streiten auch die Frauen laut und die Männer weinen, aber das passiert meist erst, wenn sie wirklich total am Ende sind, und dann passieren manchmal auch noch ärgere Sachen, bei denen der Arzt kommen muss oder die Polizei oder beides. Der Depp aus dem zweiten Stock wurde von seinen Eltern mal krankenhausreif geprügelt. Hat den Heimleiter nicht geschert. Der hat die Polizei nicht gerufen. Weiß nicht, wer das war. Und kaum war der Depp zurück, hat er Rami vermöbelt. Bis ich dazwischengegangen bin. Ist zwar die Pest, aber dennoch mein kleiner Bruder.

Ich habe mich zu Mama auf die Bank gesetzt, die rot getigerte Katze ist mir auf den Schoß gesprungen, hat geschnurrt. Ich habe die eine Hand auf die warme weiche Katze gelegt und die andere auf Mamas Arm und habe ihr lustige Dinge von der Schule erzählt. Die in echt gar nicht so lustig waren. Die habe ich einfach ausgeschmückt. Das ist aber in solchen Momenten in Ordnung, finde ich. Sie hat gelacht und sich die Augen abgetupft. Ich mag es, wenn sie nicht immer weint.

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Papa läuft



Julya Rabinowich, geboren 1970 in St. Petersburg, lebt seit 1977 in Wien, wo sie auch studierte. Autorin (zahlreiche Theaterstücke), Malerin und Simultandolmetscherin. Im Standard erscheint wöchentlich ihre Kolumne Geschüttelt, nicht gerührt.