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Brombeersommer

Roman | Dörthe Binkert

E-Book (EPUB)
2012 Dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
Auflage: 2. Aufl.
272 Seiten
ISBN: 978-3-423-41334-3

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Kurztext / Annotation
Jetzt als eBook Die ehemaligen Jugendfreunde Karl und Theo lieben beide Viola - Theos Frau. Zu dritt erleben sie einen unbeschwerten Sommer, an dessen Ende Viola schwanger ist. Sie ahnt, von wem. Doch nach einer Zeit voller Verluste sind Liebe und Freundschaft alles, was zählt.

Dörthe Binkert, geboren in Hagen/Westfalen, wuchs in Frankfurt am Main auf und studierte dort Germanistik, Kunstgeschichte und Politik. Nach ihrer Promotion hat sie viele Jahre für große deutsche Publikumsverlage gearbeitet. Seit 2007 ist sie freie Autorin und lebt in Zürich.

Langtext
Deutschland in den frühen 50er Jahren. Die Menschen haben die Hoffnung auf neue Zeiten im Herzen, aber den Krieg noch im Kopf. Karl, Anfang 30, verweigert sich dem Vergessen und dem unbeschwerten Glauben an die Zukunft. In seiner Heimatstadt trifft er seinen Jugendfreund Theo wieder und auch die storchenbeinige Viola.
Theo studiert Jura, macht Karriere und heiratet Viola, die für das städtische Theater Kostüme näht und Billie Holiday hört. Eine ungewöhnliche Freundschaft zu dritt entsteht. Gemeinsam entdecken Viola, Theo und Karl das Leben neu, teilen, was sie haben, feiern übermütige Feste. Und Karl verliebt sich in die Frau seines besten Freundes ...


Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

3

Seit Ende des Krieges wohnte Theo wieder zu Hause. Das Haus seiner Eltern war nur wenig beschädigt, die Eltern hatten beide überlebt. Er war vierundzwanzig Jahre alt, als er in sein ehemaliges Kinderzimmer zurückkehrte.

Die Möbel waren unversehrt, nur stand jetzt ein weiteres Bett darin. Käthe Schulze war doch noch einmal schwanger geworden und hatte im Jahr 1940 einem weiteren Sohn das Leben geschenkt - was sie fast das eigene gekostet hätte. Der kleine Siegfried aber war wohlauf, und sein Kinderbettchen wurde in Theos Zimmer aufgestellt. Theo wusste nicht viel mit dem Nachzügler anzufangen, er hätte fast sein Vater sein können, neunzehn Jahre älter, wie er war.

Sonst hatte sich in seinem alten Kinderzimmer nicht viel verändert. Einige Fotos, die er als Junge an die Wand gehängt hatte, waren verschwunden. Andere, vor allem die Aufnahmen verschiedener Flugzeugtypen, hingen noch an ihrem alten Platz. Theo stand vor den leeren Stellen seiner Bilderwand und konnte die Lücken problemlos mit seinen Erinnerungen füllen.

Da war Goebbels Besuch im Sommer 1932; Goebbels war damals Berliner Gauleiter der NSDAP gewesen. Der alte Schulze hatte seinen Sohn Theo zur Großkundgebung auf die »Kuhweide« mitgenommen. Die Straßen der Stadt waren schwarz von Menschen, zehntausend hatten an der Veranstaltung teilgenommen. Am Rand der Kundgebung gab es Proteste und Gegendemonstrationen, es kam zu Straßenschlachten. In eine wären sie auf dem Nachhauseweg fast hineingeraten. Nichts, was sich in seinem elfjährigen Leben bis dahin ereignet hatte, war so in Theos Kopf haften geblieben. Das Foto, das Goebbels während seiner Rede zeigte, hatte er aus der Zeitung ausgeschnitten und mit einem Ehrenplatz an der Wand bedacht.

Und dann war da das schöne Foto vom Haus Busch gewesen. Ein kleiner Steppke war er noch, als ihn die Eltern mit zum Besuch bei dem Hauptmann Franz Pfeffer von Salomon nahmen, der dort residierte. Er war ein Parteifreund seines Vaters. Theo selbst konnte sich nicht an den Nachmittag erinnern, er war zu der Zeit nicht älter als vier, fünf, aber die Eltern erzählten bei jeder Gelegenheit davon, denn auch der Führer und Rudolf Hess waren dort schon zu Gast gewesen. Aber nun war augenscheinlich selbst der Anblick der harmlosen Fassade des Hauses Busch ein verräterisches Indiz, das seine Eltern lieber aus dem Weg geräumt hatten.

Theo holte ein Küchenmesser, lockerte mit der Klinge die Reißzwecken, mit denen die verbliebenen Fotos befestigt waren, und hängte auch den Rest der Bilder ab. Die leere Wand in ihrem schmuddeligen gelbbräunlichen Chamois war ihm lieber als die lückenhafte Bildersammlung, die ihn daran denken ließ, dass es nur noch Flicken und Leerstellen gab, eine in Scherben gefallene, zerfetzte Welt, in der nicht einmal mehr die Bruchstücke der Lebensläufe der einzelnen Menschen zusammenpassten. »Irgendwann, wenn es wieder Farbe gibt, streichen wir die Wand«, sagte er zu Siegfried, der ihn nur staunend ansah.

Theo war kurz nach Kriegsende aus der Gefangenschaft entlassen worden, noch vor seinem Geburtstag im Oktober. Es war ein Weg zurück in eine unkenntlich gewordene Heimat. Natürlich, da war der Fluss, an dem man sich orientieren konnte. In der Volme trieben Gerümpel, Halbverkohltes, Zersplittertes. Der Wasserspiegel war angestiegen davon. Das Erste, was er von seiner Heimatstadt wirklich erkannte, war das Rathaus. Nur Reste standen noch und halbe Kirchtürme, tief gefüllt mit Himmel.

 

Der Frankreichfeldzug war so verlaufen, wie sie sich die Eroberung eines Landes in der Hitlerjugend vorgestellt hatten. Danach kommandierte man ihn ab nach Afrika. Er kam zu Rommels Truppen in Libyen, worum ihn viele Kameraden beneideten. Aber Rommel war weniger beliebt bei seinen Leuten, als es immer hieß. Theo, Funker bei der Flugsicherheit, bekam ihn nie zu Gesicht.

Am 16. Februar 1