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Große FreiheitOverlay E-Book Reader

Große Freiheit

Rocko Schamoni

E-Book (EPUB)
2019 Hanserblau
288 Seiten
ISBN: 978-3-446-26316-1

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Kurztext / Annotation
St. Pauli, 1960: Ein Sehnsuchtsort für Gegenkultur, Kunst, Drogen und freie Sexualität. Als es Wolli Köhler nach Hamburg verschlägt, ist die Welt der Nachkriegsjahre eng und spießig. Der junge Mann aus dem Nirgendwo sucht nach Abenteuer und Freiheit. Und steigt auf zur außergewöhnlichsten Kiezlegende in der Geschichte St. Paulis. Im Lichtermeer des Hamburger Viertels treiben Nacht für Nacht Huren, Freier, Transvestiten, Schläger und Künstler wie die noch völlig unbekannte Band 'The Beatles', aufgeputscht von Drogen und Alkohol, durch die heruntergekommenen Straßen. Sie alle treibt die Sehnsucht nach einem grenzenlosen Leben. Kultautor Rocko Schamoni ist zurück und erzählt die frühen Jahre von Wolfgang 'Wolli' Köhler als Entwicklungsroman eines Antihelden.

Rocko Schamoni, geboren 1966, ist Autor, Entertainer, Musiker, Schauspieler und Bühnenkünstler. Er lebt in Hamburg. Mit seinen Romanbestsellern wie 'Große Freiheit' und 'Dorfpunks' füllt er Hallen. Lange Jahre betrieb er auf St. Pauli zusammen mit Schorsch Kamerun den legendären 'Golden Pudel Club'.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1950 haut Wolfgang Köhler von zu Hause ab. Morgens um fünf hat er seine Sachen gepackt, ist über die Hauptstraße vor dem Haus gelaufen und hat den Bus nach Chemnitz genommen. Ist vorbeigefahren an Vaters Schlossereibetrieb, nie wieder in diese verdammte graue Garage. Das nervige Geschrei vom Alten, der Kommisston der Gesellen - los, Wolli, hol ma Bier für die Belegschaft, Wolli, wisch das Schmieröl weg, Wolli, Werkstatt fegen, der Kleinste macht den Dreck weg. Schon lange denkt er über diesen Ausbruch nach.

Vorbei an dem Gefängnis, dem riesigen Knast im Herzen Waldheims, dem größten Zuchthaus Sachsens. Da wo andere Städte das Rathaus und den Marktplatz haben, da hat Waldheim den Knast. So, als ob man sein Leben lang darauf hinarbeiten würde, endlich in den Kern der Stadt vorzudringen, in dem man dann für immer bleiben müsse. Aus dieser Stadt kommst du nicht lebend raus, es sei denn, du machst dich rechtzeitig aus dem Staub.

Als das Stadtschild im letzten Dunkel der Nacht hinter ihm zurückbleibt, wird er ruhiger, bald schon geht die Sonne auf.

Wolli schlägt sich durch. Schläft in Chemnitz in einer alten Schrebergartenhütte. Er teilt Zeitungen aus. Kellnert ein paar Tage in einem Café. Bei den Eltern meldet er sich nicht, er will es allein schaffen. Im Erzgebirge schuftet er unter Tage im Wismut-Bergbau der Sowjets. Sie bauen dort Uran ab, die Rohstoffbasis für die sowjetische Atomindustrie. Wolli weiß nicht, was Uran ist, es interessiert ihn auch nicht sonderlich. Da er unter Tage nur die bereits abgebauten Hohlräume mit taubem Gestein verfüllen darf, kommt er nicht in Kontakt mit dem Wunderzeugs, das die Kumpels Pechblende nennen. Großartiges Wort, klingt wie ein Schutz aus Pech. Vor was bloß? Die Dunkelheit unter Tage, die harte und trostlose Arbeit schlagen Wolli schnell aufs Gemüt. Eines Tages packt er sein Bündel zusammen und flüchtet erneut.

Es verschlägt ihn nach Berlin. Mit achtzehn Jahren arbeitet er ein paar Monate beim Secret Service, transportiert Informationen zwischen den Kontrahenten der unterschiedlichen Nationen, ist eigentlich ein besserer Laufbursche, bezeichnet sich selbst aber lieber als »Agent«. Er ist gut im »Dinge organisieren«. Wenn es was zu besorgen gilt - Alkohol, Zigaretten, Schokolade, auch Huren -, fragen ihn die Engländer. Da er stets zuverlässig liefert, hat er schnell einen guten Ruf. Und Pillen besorgt er, welche, die wach, andere, die wieder müde machen. Selber nimmt er sie auch gerne. Am besten geht Pervitin. Das bekommt er leicht. Das gibt es zwar auch in der Apotheke, aber nur auf Rezept. Die Engländer stehen drauf, es ist die »Blitzkrieg-Droge«, dank ihr war die deutsche Wehrmacht in den ersten drei Kriegsjahren so überlegen in ihrem Sturm über Europa. Als das Pervitin ab 1942 nicht mehr an die Front kam, brach die Kraft der Truppen ein. Ein ganzes Heer auf Drogen, auf Speed. Ausgerechnet die Deutschen, dieses angebliche Naturvolk, stark und hart und rein. Nichts als ein Witz.

Wolli versteht sich gut mit den Engländern, sie sind nett zu ihm, sie sehen lässig aus, hören gute Musik und trinken die besten Getränke. Bei ihnen probiert er das erste Mal schottischen Whisky, der gefällt ihm ausnehmend gut. Eines Tages wird er beim »Organisieren« erwischt und muss schnellstmöglich den britischen Sektor verlassen.

Er wechselt in die Ostzone, in die noch junge DDR. Als man ihm einen Job bei der Volkspolizei anbietet, lässt er sich zögernd darauf ein. Mit seinen Eltern hat er ab und zu telefonischen Kontakt, und als er der Mutter von dieser Möglichkeit berichtet, ist sie stolz auf ihn, es gefällt ihr noch besser als die Schlosserei, auch der Vater lobt den Jungen. Einen Polizisten hat es in der Familie noch nicht gegeben.

Lang aber geht das nicht gut. Bei der Polizei ist es wie in der Schlosserei: Druck, Zucht, Ordnung, Unterdrückung, Gehorsam, Hierarchien. Er ist wieder das letzte Glied der Kette. Der Unterste. De