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Monster

Roman | Kurt Palm

E-Book (EPUB)
2019 Deuticke
304 Seiten
ISBN: 978-3-552-06397-6

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Kurztext / Annotation
Polit-Groteske, Krimi-Satire und herzzerreißende Liebesgeschichte: Bei den Dreharbeiten zu einem Horrorfilm am Rottensee mischt sich ein lesbisches Vampirpärchen unter die Statisten, während im Flüchtlingsheim der Innenministerin eine Suppe serviert wird, die ihr nicht bekommt. Am nächsten Tag werden im Strandbad der Fuß einer Frau und das Hinterbein eines Hundes angeschwemmt. Als dann auch noch ein Fischer verschwindet, ist klar, dass in den Tiefen des Sees ein Monster sein Unwesen treiben muss. Der Polizist Alfons Stallinger versucht vergeblich, die Absage eines auf der Seebühne geplanten Konzerts zu erreichen. Kurt Palm ist nicht nur die lang erwartete Fortsetzung des Bestsellers 'Bad Fucking' gelungen - er legt noch eins drauf.

Kurt Palm, geboren 1955 in Vöcklabruck, Studium der Germanistik und Publizistik, wurde mit der gefeierten TV-Produktion 'Phettbergs nette Leit Show' (1994-96) bekannt. Sein Bestseller Bad Fucking (2010) wurde 2011 mit dem Friedrich Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Krimi des Jahres ausgezeichnet und war auch als Film erfolgreich. Bei Deuticke sind seine Romane Strandbadrevolution (2017) und Monster (2019) erschienen.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1.

Matthias Ablinger saß unter dem alten Apfelbaum und streichelte gedankenverloren die schwarze Katze, die neben ihm auf der Bank lag. Er spürte ihren regelmäßigen Atem und den schnellen Schlag ihres Herzens. Immer wieder zuckte die Katze im Schlaf zusammen und gab merkwürdige Laute von sich. Wahrscheinlich fing sie im Traum gerade eine Maus oder kämpfte mit einem Marder.

Am Hof war es ruhig, nur ab und zu knarrte das Scheunentor, das schief in den rostigen Angeln hing. Es roch nach frisch gemähtem Gras, und Ablinger dachte daran, dass sich die Flächen der Wiesen und Felder, die zum Hof gehörten, seit drei Generationen nicht geändert hatten. Um das Land nicht teilen zu müssen, waren die weichenden Erben stets ausbezahlt worden. Geld konnte man nicht aussäen, und mit Zinsen konnte man keine Kühe füttern.

Ein Julikäfer flog vorbei, drehte wieder um und setzte sich auf die Tischplatte. Er schien unschlüssig zu sein, in welche Richtung er fliegen sollte. Vielleicht war er aber auch nur müde. Ohne lange zu zögern, schlug ihn Ablinger tot. Er mochte die Julikäfer nicht, weil sie die Blätter seiner Obstbäume fraßen. Ablinger wischte sich die Hand mit den Überresten des toten Käfers an seiner Arbeitshose ab. Die Katze öffnete kurz die Augen, schlief aber gleich wieder weiter.

Seit mehr als fünf Jahren lebte die namenlose Katze am Hof. Hätte Ablinger geahnt, dass sie so lange bleiben würde, hätte er ihr vielleicht sogar einen Namen gegeben. Aber da Katzen kamen und gingen, wie es ihnen gefiel, hätte es wenig Sinn gehabt, sie Schnurrli, Minki oder Stupsi zu nennen. Man gab ja auch Hühnern keine Namen, nur bei den Hähnen machte man eine Ausnahme. Ablingers Hahn hieß Nero, weil er schwarze Schwanzfedern hatte.

Bei den Kühen war es grundsätzlich anders. Die mussten, je nach Abstammungslinie, sogar Namen mit den gleichen Anfangsbuchstaben haben. Ablingers A-Tiere hießen Alma, Afra, Adriana und Agnes, die B-Tiere Beate, Begonia, Belinda und Britta. Zwanzig Milchkühe hatte er besessen. Die letzte Kuh, die er sich angeschafft hatte, hieß Exenia. Dann war Schluss. Er besaß noch alle Unterlagen über seine Kühe, sogar die Nummern der Ohrmarken hatte er sich aufgehoben. Kühe mussten ja auf beiden Ohren markiert sein, damit sie jederzeit identifiziert werden konnten. Eine Kuh ohne Ohrmarken war nichts wert, und keine Molkerei hätte Milch von einer Kuh genommen, die nicht registriert war. Sämtliche 535.000 Milchkühe in diesem Land waren mit Namen und Nummern in einem zentralen Register gespeichert.

Für Ablinger spielte das aber alles keine Rolle mehr, weil er seine Kühe vor drei Jahren verkauft hatte. Besser gesagt: verkaufen musste. Nach der Aufhebung der Milchkontingentierung hätte es gar keinen Sinn mehr gehabt, sich weiterhin für einen Hungerlohn abzurackern. Selbst die Landwirtschaftskammer hatte ihm vorgerechnet, dass er bei dem drastisch gesunkenen Milchpreis mit seinen zwanzig Milchkühen keinen Cent mehr verdienen würde. Also hatte er die Kühe um einen Spottpreis an den Schlachthof verkauft und seine Wiesen und Äcker an einen cleveren Jungbauern verpachtet, der wusste, wie man an die nötigen Subventionen herankam. Ablinger musste noch froh sein, dass er für die Verpachtung wenigstens fünfhundert Euro im Jahr bekam.

Das aufgeregte Gegacker der Hühner drang an Ablingers Ohr. Wahrscheinlich hatte Nero gerade Futter für sie gefunden. Ablinger hörte aber gar nicht hin, weil er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Er atmete tief durch und strich sich mit seinen rissigen Fingern über sein stoppeliges Kinn. Immer noch lag die Zeitung aufgeschlagen vor ihm, aber er traute sich nicht, den Artikel zu lesen. Stattdessen sah er zu den beiden toten Eschen, die am Wiesenrand standen. Die Krähen auf den kahlen Ästen schienen Ablinger zu beobachten. Und als hätten die Vögel geahnt, wie dem alten Mann zumute war, begannen sie zu schreien