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Sommer in WienOverlay E-Book Reader

Sommer in Wien

Roman | Petra Hartlieb

E-Book (EPUB)
2019 Dumont Buchverlag
Auflage: 1. Auflage
176 Seiten
ISBN: 978-3-8321-8449-0

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Kurztext / Annotation
Der letzte Sommer der Belle Époque Der berühmte Dichter Arthur Schnitzler verbringt mit seiner Familie die Sommerfrische auf der mondänen Adria-Insel Brioni. Und Marie, das Kindermädchen der Familie, reist mit. Doch obwohl sie zum ersten Mal am Meer ist, sind ihre Gedanken in Wien. Oskar Nowak, der junge Buchhändler aus der Währinger Straße, geht ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ob sie als Paar eine Zukunft haben? Wenig später befindet sich nicht nur Maries Herz, sondern die ganze Welt in Aufruhr. Der Erste Weltkrieg stellt alles infrage, was bisher sicher schien ...

PETRA HARTLIEB wurde 1967 in München geboren und ist in Oberösterreich aufgewachsen. Sie studierte Psychologie und Geschichte und arbeitete danach als Pressereferentin und Literaturkritikerin in Wien und Hamburg. 2004 übernahm sie eine Wiener Traditionsbuchhandlung im Stadtteil Währing, heute »Hartliebs Bücher«. Davon erzählt ihr 2014 bei DuMont erschienenes Buch >Meine wundervolle Buchhandlung<. In >Wenn es Frühling wird in Wien<, >Sommer in Wien< und >Herbst in Wien< spielt ebendiese Buchhandl

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Juli 1912

MARIE STAND AM STRAND, ein paar Meter vom Wasser entfernt, und konnte den Blick nicht abwenden. Minutenlang bewegte sie sich nicht und schaute zum Horizont. Das Wort »endlos« kam ihr in den Sinn, und da erinnerte sie sich an einen Moment in ihrer Kindheit. Sie war sieben oder acht Jahre alt gewesen und hatte das erste Mal mit den Eltern und den Geschwistern die Christmette in der weit entfernten Kirche besucht. An der Hand ihrer Mutter war die kleine Marie spät in der Nacht durch den Schnee gestapft. Drei Tage vor Weihnachten hatte es zu schneien begonnen, alles war weiß, und ein heller Mond ließ die Felder strahlen. Es war bitterkalt. Irgendwann blieb Marie stehen, legte den Kopf in den Nacken und blickte starr nach oben, und je länger sie schaute, desto mehr Sterne wurden es, und der Himmel war so groß, dass ihr ganz schwindlig wurde. Damals hatte sie das erste Mal das Wort »endlos« gedacht, sie konnte sich noch gut daran erinnern. Sie wunderte sich, dass sie dieses Wort schon gekannt hatte, war ihre Welt doch um so vieles kleiner gewesen, als sie es heute war.

Man konnte nicht erkennen, wo das Wasser aufhörte und der Himmel anfing. Was war wohl auf der anderen Seite des Wassers? Amerika? Afrika? Marie versuchte, sich an die Landkarte zu erinnern, die Herr Stock ihnen in dem großen Buch in der Buchhandlung gezeigt hatte. Sie würde Heini fragen, der wusste es bestimmt. Lachen würde er und sich freuen, dass er wieder einmal klüger war als sie, und Marie würde stolz auf ihn sein, als wäre er ihr eigener Sohn.

Heini und Lili waren wie ausgewechselt, seit sie am Meer waren. Wie junge, ausgelassene Hunde tobten sie über den Strand. Sie hatten die Schuhe ausgezogen, plantschten mit den Füßen im Wasser, und Lili versuchte, über die kleinen Wellenkämme zu hüpfen.

»Geht nicht so weit rein, Kinder! Ihr macht euch schmutzig.«

Maries Rufe verhallten ungehört, und sie hoffte, dass sie die nassen Kinder unbemerkt an der gnädigen Frau vorbeischmuggeln konnte, um sie fürs Mittagessen umzuziehen.

Besonders Heini erweckte den Anschein, als wäre ein großes Gewicht von seinen Schultern genommen. Er wirkte viel jünger als noch vor ein paar Wochen, seine Augen leuchteten, und Marie war froh, ihn so glücklich zu sehen. Anfang Juni hatte die schriftliche Aufnahmeprüfung für das Gymnasium stattgefunden, und obwohl er ein guter Schüler war, war er sehr aufgeregt gewesen.

»Und wenn ich es nicht schaffe?«, hatte er immer wieder gefragt. Besonders das Rechnen fiel ihm schwer, wusste Marie. Und dass es für seine Eltern selbstverständlich war, dass der Bub aufs Gymnasium gehen würde, machte die Sache für ihn nicht leichter. Ein paarmal, kurz bevor er sein Nachtlicht ausschalten und schlafen sollte, rief er Marie an sein Bett und sagte: »Wenn ich es nicht schaffe, dann ist der Vater ganz enttäuscht und die Mutter bös auf mich.«

»Aber Heini! Wie kommst denn nur auf die Idee? Warum sollst du es nicht schaffen? Du bist doch so ein gescheiter Bub! Wenn du nicht aufs Gymnasium gehst, wer denn dann?«

»Glaubst du?«

»Aber sicher. Und jetzt schlaf.«

»Warst du auch auf dem Gymnasium?«

»Ich?« Marie lachte. »Nein, du Dummerchen. Bei uns gab es kein Gymnasium. Ich musste schon arbeiten, wie ich so alt war wie du.«

»Ich muss aber auch arbeiten. Rechnen und schreiben und Gedichte auswendig lernen. Und Klavier üben muss ich auch noch.«

»Ja, das stimmt. Du musst auch arbeiten. Und jetzt schlaf gut, mein Lieber.«

»Und, Marie?«

»Ja, Heini?«

»Ich hab's dir schon so oft gesagt: Es heißt nicht 'wie'. Du musst sagen: 'als ich so alt war wie du'.«

»Das lern ich nie. Und du schlafst jetzt!«

Natürlich hatte er es geschafft - gleich im ersten Anlauf und ohne zusätzliche mündliche Prüfung. Doch noch Tage nach der Prüfung wirkte Heinrich erschöpft und müde und konnte sich gar nicht so recht über seinen Erf