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Bruder

Ein Thriller | Ania Ahlborn

E-Book (EPUB)
2018 Festa Verlag
100 Seiten; ab 16 Jahre
ISBN: 978-3-86552-604-5

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Kurztext / Annotation
Das alte Bauernhaus der Familie Morrow steht fernab von jeder Straße. Und das aus guten Grund - denn wenn in der Umgebung eine Frau verschwindet, klopft niemand an ihre Tür und stellt neugierige Fragen. Und niemand schaut nach, was sie schon wieder im Hinterhof begraben haben.
Aber der 19-jährige Michael ist nicht wie der Rest seiner Familie. Er wünscht sich ein Leben weit fort von all dem Grauen.
Als Michael in der nahe gelegenen Stadt die hübsche Alice trifft, vergisst er für einen Moment fast das Ungeheuer, zu dem er selbst geworden ist. Doch sein Bruder Rebel erinnert Michael daran, wohin er gehört ...

Publishers Weekly: "Diese unerbittlich grimmige Geschichte ist definitiv nichts für Zimperliche, doch es ist fast unmöglich, sie aus der Hand zu legen."

This is Horror: "Diese Geschichte der Hassliebe zwischen zwei Brüdern erschüttert bis ins Mark ... und sie ist so gut, so perfekt geschrieben."

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

Michael drehte sich im Bett herum. Die abgewetzte Decke, die er schon sein ganzes Leben lang hatte, war um seine Beine gewickelt. Draußen schrie eine Frau wie am Spieß.

Die Leute sagten das andauernd, wie am Spieß, obwohl sie vermutlich noch nie jemanden gehört hatten, der an einem Spieß steckte. Reb nannte das eine Analogie. Als Michael wissen wollte, was das sei, erklärte Reb, dass die Leute so was benutzten, wenn sie keine Ahnung hatten, wovon sie sprachen. Niemand in der Stadt hatte jemals jemanden am Spieß schreien gehört, zumindest nicht in Wirklichkeit, aber sie sagten es trotzdem immer wieder. Das Baby schreit sich die Lunge aus dem Hals, da, bei den Cornflakes, es schreit wie am Spieß. Reb sagte, wenn die wirklich hören wollten, wie ein Baby am Spieß schreit, bräuchten sie bloß mal zu fragen.

Michael reckte den Hals und blickte zum Schlafzimmerfenster. Die Scheibe war seit Jahren verdreckt von Schmutz und Regen, und das Verandalicht unterhalb seines Zimmers schien wie der Strahl einer Taschenlampe durch eine Staubwolke. Normalerweise waren die Frauen schnell wieder still, wenn sie sich heiser geschrien hatten. Das ist der Vorteil, wenn man in der Wildnis lebt, hatte Momma mal gesagt. Die schreien und schreien und niemand hört's.

Michael starrte an die Decke seines Schlafzimmers, die alten Holzbretter hatten sich durch die zahlreichen Löcher im Dach des Farmhauses mit den Jahren verzogen. Er wartete darauf, dass der Frau die Stimme versagte. Die Schreie nervten ihn, doch das würde er nie zugeben. Obwohl er davon Albträume bekam, beschwerte er sich nicht. Er wünschte sich nur, Momma würde sie töten, solange die Sonne noch schien, statt bis zur Dunkelheit zu warten. Wenn es egal war, wie sehr sie schrien, dann verstand Michael den Unterschied nicht. Ob Tag oder Nacht, tot war tot. Nur dass er tagsüber nicht versuchte, zu schlafen.

Schließlich verstummte die Frau und Michael entspannte sich, Muskel für Muskel. Er stellte sich vor, an einem Strand zu liegen, von dem er nicht sicher war, ob es ihn wirklich gab. Er besaß eine Postkarte von einem Ort namens Honolulu. Er wusste nicht, wo das war, nur dass der Sand weiß und das Wasser unfassbar blau war. Auf der Postkarte lagen Leute unter bunten Sonnenschirmen und im Hintergrund stand ein Hotel, das so pink wie Zuckerwatte war. Er hatte sie in einem Rucksack gefunden, der einer von Mommas Frauen gehört hatte. Reb sagte, es sei kein Diebstahl, wenn sie nicht mehr lebten.

Die angenehme Stille hielt nicht lange an. Wieder durchdrang ein markerschütternder Schrei die noch dunkle Morgenstunde und holte Michael in die Gegenwart zurück. Unter seinem Fenster entstand ein Tumult. Auf der Schlafzimmerwand bewegten sich die Schatten von Leuten, die im Garten herumliefen. Michael rollte sich auf die Seite und stellte seine nackten Füße auf die rohen Bohlen des Bodens. Anschließend schob er den verschlissenen Fenstervorhang beiseite und fasste gleichzeitig mit der freien Hand sein Haar im Nacken zusammen. Es war ganz schön lang geworden, fiel gute acht Zentimeter unterhalb seiner Schultern über seinen Rücken. Seine Schwester, Misty Dawn, stand auf Typen wie Jim Morrison. Sie hatte ihm geraten, es wachsen zu lassen; Reb hatte sich darüber totgelacht.

Du weißt schon, warum Jim Morrison sich umgebracht hat, oder? Weil er keinen Bock mehr hatte, wie eine Tussi auszusehen.

Misty Dawn hatte Michael mit einem Seitenhieb auf Rebs hüfthohe Jeans und seine grüne Lederjacke verteidigt. Sie behauptete, er sei mindestens so attraktiv wie die Typen von einer ihrer Lieblingsbands - einer, die Reb auf den Tod nicht ausstehen konnte. Der Vergleich mit Benny Andersson und Björn Ulvaeus provozierte Reb normalerweise so sehr, dass er in seinen Delta 88 sprang und beim Wegfahren die Hauswand mit Kies bespritzte.

Die schreiende Frau stolperte durch den Garten.

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