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Muttertag und Mutterkreuz

Der Kult um die "deutsche Mutter" im Nationalsozialismus | Irmgard Weyrather

E-Book (EPUB)
2015 S. Fischer Verlag Gmbh
Auflage: 1. Auflage
224 Seiten
ISBN: 978-3-10-560410-6

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Kurztext / Annotation
»Arische« Frauen wurden in der Zeit des Nationalsozialismus als »höchstes Gut« des Volkes gefeiert: »Heilig soll uns sein jede Mutter deutschen Blutes.« Im nationalsozialistischen »Mutterkult« wurde der Mutterschaft der »deutschen« Frau ein quasi-religiöser Rang verliehen und damit das Leben der meisten Frauen ideologisch aufgewertet. Mutterschaft war keine private und persönliche Angelegenheit, sondern Staatsaufgabe und religiöse Handlung. Hierbei spielte das Mutterkreuz mit seinen drei Verleihungsstufen eine besondere Rolle. Millionenfach verliehen, war es die einzige und äußerst begehrte Auszeichnung, die der NS-Staat für seine verdienten Frauen übrig hatte. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Irmgard Weyrather, geboren 1953 in Düsseldorf, studierte Soziologie an der Freien Universität Berlin; ab 1979 wissenschaftliche Mitarbeiterin in historischen und soziologischen Forschungsprojekten; 1990 Promotion zum Dr. phil. in Soziologie. Zahlreiche Veröffentlichungen.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1. Historische Voraussetzungen des Kults um die »deutsche Mutter«

NS-Frauenideologie, Eugenik und Antisemitismus

Der Nationalsozialismus hat mit seinen »Mütterehrungsfeiern« eine spezifische Form des »Mutterkults« hervorgebracht und in Ideologie und Praxis entfaltet. Im nationalsozialistischen »Mutterkult« wird den Frauen ein ausgezeichneter Platz in der NS-Weltanschauung und im NS-Staat eingeräumt. Die Feier der Mutterschaft bezog sich jedoch nicht nur - wie man annehmen könnte - auf den Aspekt des Frauenlebens, dem die Nationalsozialisten besondere Aufmerksamkeit widmeten, vielmehr hatte sie die Tendenz, die nationalsozialistische Frauenpolitik überhaupt auszumachen.

Das nationalsozialistische Frauenbild war im Grunde kein Frauen-, sondern ein Mutterbild: Ein weiblicher Mensch wurde fast nie als 'Frau' gesehen, sondern immer gleich als 'Mutter', denn nach den Vorstellungen der NS-Ideologen war die Frau ein naturbestimmtes Wesen.[1] Über die Mutterrolle der Frau heißt es in einem Programm der NSDAP: »Der Staat muß für die Hebung der Volksgesundheit durch den Schutz der Mutter und des Kindes sorgen.«[2] Der Schutz der Mutter ist unmißverständlich dem Ziel der Hebung der Volksgesundheit untergeordnet. Das Programmzitat ist ein Hinweis darauf, daß der »Mutterkult« der NS-Rassenpolitik untergeordnet war. Wenn Frauen in der NS-Ideologie ausgezeichnet wurden, dann unter der doppelten Reduktion auf die »deutsche Mutter«; denn eine Frau, die keine »Deutsche« im rassenideologischen Sinn war, wurde nicht als Mensch anerkannt, sondern diffamiert als »Untermensch« wie die Russinnen oder als »Unmensch« wie die Jüdinnen.

Die Frauenideologie der NSDAP ist als »keineswegs originell« bezeichnet worden. Ähnliche Auffassungen von Wesen und Bestimmung der Frau fänden sich bei den meisten konservativen Parteien und Gruppen. Die Übergänge von konservativen zu »faschistischen Vorstellungen« seien fließend.[3] Diese Vorstellung trifft jedoch nur zu, wenn man unter »der Frau« wie die Nationalsozialisten nur die »deutsche« Frau versteht. Aber auch dann gilt die These nur sehr eingeschränkt. Auch die »rassisch einwandfreien« Frauen bekamen ihre Bedeutung als Mutter innerhalb der NS-Ideologie nur als »Trägerin von Blut und Rasse«, also aufgrund rassistischer, nicht einfach konservativer Vorstellungen. Konservative Frauenbilder, z.B. das katholische Frauenbild, trennen die Frauen nicht grundsätzlich in die angeblich höherwertiger und minderwertiger Rassen, auch wenn in vielen konservativen Ideologien Rassismus nachweisbar ist.

Die NS-Mutterverehrung schützte nicht die Mütter, die zu den vom NS-Staat verfolgten Gruppen gehörten. 1938 wurde die erste Frau hingerichtet, Liselotte Herrmann, eine »deutsche Mutter«, die im Widerstand gegen den NS-Staat tätig gewesen war. Um sie im Gefängnis dazu zu bringen, weitere Widerstandskämpfer zu verraten, ließ die Gestapo im Nebenzimmer ihr Kind nach ihr rufen.[4] Später bedeutete für die in den KZs neu ankommenden Frauen die Tatsache, daß sie ein Kind dabei hatten, gleich das Todesurteil, besonders für die jüdischen Frauen. Damit wurde das Bild der Frau als »Schöpferin des Lebens« geradezu umgekehrt. In dem Bericht einer jüdischen Ärztin über ihre Erlebnisse in Auschwitz heißt es: »Jedes jüdische Kind brachte automatisch seiner Mutter den Tod.«[5]

Wie viele »deutsche Mütter« verhaftet wurden, weil ihre eigenen Kinder der Aufforderung der HJ, sie zu denunzieren, gefolgt waren, wissen wir nicht. »Deutschsein« im rassenpolitischen Sinn reichte nicht immer aus, um am Leben zu bleiben, denn eine echte »deutsc