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Hannah ArendtOverlay E-Book Reader

Hannah Arendt

Die Biografie | Thomas Meyer

E-Book (EPUB)
2023 Piper Verlag
Auflage: 1. Auflage
528 Seiten
ISBN: 978-3-492-60348-5

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Kurztext / Annotation
Die große Denkerin und ihr Werk - auf Basis neuer Quellen »Meyer ist eine völlig überraschende Biografie einer intellektuellen Ikone gelungen, der man im Ringen um das Leben anderer so schmerzlich nahekommt wie noch nie.« Peter Neumann, DIE ZEIT »Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Denkvorgang gibt, der ohne persönliche Erfahrung möglich ist. Alles Denken ist Nachdenken, der Sache nach - denken.« Für Thomas Meyer bilden diese Sätze den Leitfaden seiner Biografie Hannah Arendts. Ihm folgt Meyer, wenn er anhand neuer Quellen ihr Leben und Werk von Königsberg nach New York, von der Dissertation über Augustin bis hin zum unvollendeten Opus magnum »Vom Leben des Geistes« nachzeichnet und deutet. Seine Biografie beleuchtet die Faszination und die Kritik, die ihre Person und ihre Schriften zeitlebens auslösten, und macht dabei sowohl für Interessierte wie für Kenner das Phänomen »Hannah Arendt« verständlicher. Der hier gewählte Zugang unterscheidet sich radikal von der bisherigen Forschung. Erstmals werden bislang völlig unbekanntes Archivmaterial und andere zuvor ignorierte Dokumente herangezogen, um Arendt in ihrer Zeit dazustellen. Dabei konzentriert sich die Biografie auf zwei Lebensphasen Arendts: die Pariser Jahre nach der Flucht aus Deutschland und die Zeit in den USA bis zur Publikation ihres ersten Hauptwerkes »Origins of Totalitarianism« 1951, auf Deutsch 1955 unter dem Titel »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft« erschienen. Daraus ergeben sich neue Perspektiven auf Arendts revolutionäres Denken. Thomas Meyers Biografie ist der Ausgangspunkt für eine notwendige Neubewertung von Arendts Leben und Werk.

Thomas Meyer wurde an der LMU München promoviert und habilitierte sich auch dort. Nach zahlreichen Stationen im In- und Ausland lehrt Meyer Philosophie in München. Schwerpunkt seiner Forschungen und Publikationen bildet das 20. Jahrhundert. Er hat mehrere Schriften Hannah Arendts ediert, darunter »Wir Flüchtlinge« (2015) und »Die Freiheit, frei zu sein« (2018).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Prolog
Das letzte Tau

Küste, die mich nicht mehr findet,

Stadt, um die mein Blick noch kreist,

wie aus Ankertiefen windet

aus Versunkenem sich mein Geist,

und dies Tau, das mich noch bindet

an die Welt, die mich gebar,

an das Festland, mit dem schwindet

alles, was Europa war:

Sprache und Musik der Landschaft,

Weltentrücktheit, Schwärmerei

und, in grässlicher Verwandtschaft,

dunkle Todesraserei.

Das Geheimnis meiner Jahre,

Worte, die ich sprach als Kind,

letztes Tau, das mich noch bindet,

wenn ich längst hinüber bin.

Hans Sahl, Lissabon, 1. April 1941, Guiné

 

Der 10. Mai 1941 war in Lissabon ein milder Frühlingstag. Laut amtlichem Wetterbericht kletterten die Temperaturen nicht über 19,6 Grad Celsius. Im Hafen wurden am Vormittag die Arbeiten für die Abfahrt der Guiné abgeschlossen, in wenigen Stunden würde es heißen: »Leinen los!«

Die Guiné war das kleinste der im Dienst der Companhia Colonial de Navegação stehenden Passagierschiffe. Man sah ihm seine besondere Geschichte nicht an, denn es war für den neuen Zweck umgebaut worden: Die Jungfernfahrt hatte es 1905 noch unter dem Namen San Miguel gemacht, damals war es hauptsächlich zur Beförderung von Fracht genutzt worden. Die San Miguel war ein schlankes und wendiges, geradezu elegantes Schiff gewesen. Kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs, im August 1918, erlangte es in Portugal nationale Berühmtheit, und sogar der Gegner fand anerkennende Worte. Denn dem Kapitän gelang eine spektakuläre Flucht vor dem erfolgreichsten U-Boot-Kommandanten der Seekriegsgeschichte, dem deutschen Marineoffizier Lothar von Arnauld de la Perière; das Schiff entkam dem legendären Jäger, ohne dass Opfer und Verlust an Ladung zu beklagen waren.[1] Ein Dutzend Jahre später, 1930, wurde die San Miguel als Guiné II Nachfolgerin der zuvor im gleichen Jahr aus dem Verkehr gezogenen originalen Guiné. Gut zehn Jahre fuhr das umgetaufte Schiff zumeist zwischen Lissabon und Kap Verde hin und her.

Doch nicht erst im Mai 1941 war alles anders. Als Nazideutschland und seine Verbündeten in diesen ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs durch ihre Eroberungen die Fluchträume im Westen immer kleiner werden ließen, die Aktivitäten zur Rettung von verfolgten Jüdinnen und Juden daher immer größere Anstrengungen und somit auch größere Transportkapazitäten verlangten, begann das in New York ansässige American Jewish Joint Distribution Committee (JDC), häufiger Schiffe zu chartern.[2] So fuhr die Guiné erstmals am 1. April 1941 im Auftrag des JDC die Route zwischen Lissabon und New York. Insgesamt sieben Fahrten unternahm das Schiff auf dieser Strecke im Auftrag der Organisation, die letzte startete am 19. Mai 1942. Ende Oktober 1944 mietete das JDC die Guiné schließlich das letzte Mal, um 449 meist jüdische Kinder und Jugendliche nach Haifa zu bringen, wo sie am 5. November auch ankamen. Wer die Guiné betrat, durfte sich also sicherer fühlen.

Bei der ersten Fahrt für das JDC war auch der promovierte Kunsthistoriker und Dichter Hans Sahl, der eigentlich Hans Salomon hieß, mit an Bord. Im zweiten Teil seiner Memoiren eines Moralisten, die drei Jahre vor seinem Tod 1993 unter dem Titel Exil im Exil erschienen, schilderte er die Atmosphäre in der portugiesischen Hauptstadt, dem berühmten »Wartesaal« der Emigranten:

Im Hafen von Lissabon lagen Schiffe, die nicht mehr oder nur noch selten ausfuhren. In den Cafés saßen Flüchtlinge aus allen Ländern, die auf ein Visum warteten und sich in vielen Sprachen Gehör zu verschaffen suchten. Da saßen die Schwarzhändler und boten Schiffskarten an für kleine portugiesische Dampfer, die v