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Das versunkene DorfOverlay E-Book Reader

Das versunkene Dorf

Roman | Olivier Norek

E-Book (EPUB)
2022 Blessing
384 Seiten
ISBN: 978-3-641-26067-5

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Kurztext / Annotation
Bei der Festnahme eines Drogendealers erleidet die Kommissarin Noémie Chastain eine schwere Schussverletzung: Fortan ist eine Hälfte ihres Gesichts entstellt. Weil man ihr nicht mehr zutraut, ein Team zu führen, wird sie gegen ihren Willen aus Paris in die Provinz verbannt: Nach beschaulichen Wochen taucht auf dem See eine Tonne mit einem längst verwesten Leichnam auf, wodurch Noémie auf die Vorgeschichte Avalones stößt: Vor 25 Jahren wurde das Dorf evakuiert, überflutet, die Bewohner mussten dem neu geschaffenen Stausee weichen und wenige Kilometer entfernt im neuen Avalone leben. Doch drei Kinder kamen damals nicht mit ...

Das Spiel von Verbergen und Wiederauftauchen prägt diesen Roman, dessen raffinierte Dramaturgie Noémies Geschichte mit der des Dorfes verschränkt.

Olivier Norek, geboren 1975 in Toulouse, arbeitete drei Jahre für Pharmaciens sans frontières und wurde Police Lieutenant in Seine-Saint-Denis. Seine Erfahrungen im Polizeidienst verarbeitete er 2013-2016 in der Capitaine-Coste-Trilogie, die ihn zu einem Star der französischen Krimiszene machten. Er wurde u. a. mit dem Prix du polar européen und mit dem 'Grand Prix des lectrices de Elle, catégorie: Policiers' ausgezeichnet. 2018 erschien im Blessing Verlag sein Roman über das Geflüchtetenlager von Calais. 'All dies ist nie geschehen.'



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

16

Bahnhof von Viviez-Decazeville.

Im Aveyron.

Nur zwei weitere Personen stiegen mit ihr aus dem Zug. Sieben Stunden Fahrt mit dem Bummelzug hatte sie hinter sich und tausend Umwege über Ortschaften, von denen sie noch nie gehört hatte. Und an die sie sich sicherlich nie mehr erinnern würde. Bei Namen wie Laroque-Bouillac, Boisse-Penchot und Lacapelle-Marival musste man schon ein sehr gutes Gedächtnis haben oder dort mal mit dem Auto liegen geblieben sein, um sie nicht gleich wieder zu vergessen.

Anstelle von Wohnvierteln mit Wolkenkratzern gab es Wälder und Felder, auf denen vereinzelt Bauernhäuser standen. Anstelle mehrspuriger Alleen wanden sich Straßen durch die Landschaft, welche hie und da in Feldwege mündeten, die zu einsamen Häusern führten. Strohballen, Traktoren und Pferde. Paris hatte sie definitiv hinter sich gelassen. Allerdings mutete der Bahnhof von Viviez-Decazeville nicht so idyllisch an wie die vorherigen Haltestellen.

Sie fand sich ganz allein auf einem in der prallen Sonne gelegenen Bahnhofsparkplatz wieder. Vor ihr ein menschenleeres Restaurant mit dem subtilen Namen »Zum Bahnhof«. Hinter ihr kränklich aussehende Hügel mit zerrupften Grünflächen, die von über hundert Jahren Schwermetallbelastung durch Zinkabbau zeugten. Am Fuß der Hügel zogen sich über mehrere Hundert Meter Lagerhallen aus grauem Wellblech hin. Nicht weit davon entfernt breitete sich auf rund tausend Quadratmetern Fläche eine stillgelegte Fabrik mit einem Labyrinth aus verrosteten Metallröhren und einem Geflecht alter Förderbänder aus, die seit den 1960er-Jahren stillstanden.

Auf einmal erklang eine recht angenehme Stimme hinter ihr. »Man sollte sich nicht vom ersten Eindruck abschrecken lassen, Capitaine.«

Noémie drehte sich um, und der junge Dorfpolizist, der geschickt worden war, um seine neue Vorgesetzte abzuholen, erblickte nun seinerseits zum ersten Mal ihr Gesicht.

»Genau das Gleiche wollte ich Ihnen auch gerade sagen«, erwiderte sie.

Es wäre gelogen, wenn sie behaupten würde, dass er nicht zurückgeschreckt wäre. Er machte aber weiter kein Aufhebens daraus und redete einfach weiter.

»Ich wollte damit nur sagen, dass die Region viel Schönes zu bieten hat, wenn man sie ein bisschen kennt. Es reicht eigentlich schon, wenn sie diesen Bahnhof verlassen. Der könnte sogar mich depressiv machen.«

Dann reichte er ihr die Hand.

»Lieutenant Romain Valant.«

»Capitaine Noémie Chastain.«

Er war höchstens fünfunddreißig Jahre alt, schaute sie aus einem freundlichen jungenhaften Gesicht an, das von einem zerzausten blonden Haarschopf gekrönt war und dem die gute Laune wohl mit in die Wiege gelegt worden war, so grinste er sie zumindest an.

»Ich habe einen Onkel, der in der Grube von Aubin in einem Verbindungsgraben Opfer einer Schlagwetterexplosion wurde. Der war damals noch keine zwanzig. Im Vergleich zu ihm beeindrucken Sie mich damit nicht.«

»Dann sollten Sie jetzt noch mal einen richtigen Blick drauf werfen, um ihre Neugier zu befriedigen, damit wir mit dem Wesentlichen fortfahren können.«

Noémie war sich ihrer etwas trockenen Art bewusst, und es tat ihr jetzt schon leid, dass sie ihm bei ihrem ersten Aufeinandertreffen so kühl begegnete, aber offensichtlich bedurfte es weitaus mehr, um der immerwährenden Fröhlichkeit des Lieutenant Valant Abbruch zu tun. Unerwartet freimütig erwiderte er darauf:

»Gut, wenn Sie das schon vorschlagen, mache ich das gern.«

Als der Unbekannte daraufhin jede einzelne ihrer Narben genau inspizierte und dabei lächelte, als wäre es das Normalste von der Welt, wurde Noémie dann doch unbehaglich zumute.

»Also, ich kann mich nur wiederholen, bei meinem Onkel war das schon eine andere Hausnummer.«

Als wäre nichts weiter gewesen, ging er zur Tagesordnung über.

»Ich bringe Sie zu Ihrem Haus. Es liegt neun Kilome