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Stalins Alpinisten

Der Fall Abalakow | Cédric Gras

E-Book (EPUB)
2021 Tyrolia
224 Seiten
ISBN: 978-3-7022-3973-2

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Kurztext / Annotation
Vom glorreichen Aufstieg und tragischen Niedergang der Brüder Abalakow Ein preisgekröntes Berghelden-Schicksal im Roten Zeitalter der UdSSR Wie kam es, dass Stalin die gefeierten Alpinisten, die in seinem Namen den Marxismus bis auf die höchsten Gipfel tragen sollten, verhaften und verschwinden ließ? Seit der preisgekrönte französische Journalist Cédric Gras vom Los der Brüder Abalakow erfahren hatte, ließ ihn diese Frage nicht mehr los. Er beschloss, den Spuren ihres Lebens nachzugehen. Witali und Jewgeni Abalakow unternehmen zahlreiche Expeditionen im Kaukasus sowie im zentralasiatischen Pamir und Tian Shan. Dort besteigen sie in den 1930er Jahren im Namen des Systems die Siebentausender Pik Stalin und Pik Lenin sowie den Khan Tengri - und werden als Helden bejubelt. Bald wendet sich das Blatt: 1938 wird Witali Abalakow Opfer des Großen Terrors und der Säuberungen. Er überlebt und kehrt in die Berge zurück. Sein Bruder Jewgeni wird 1948 tot aufgefunden. Cédric Gras hat sowohl in den Archiven des KGB als auch in Sibirien sowie in den Bergen Zentralasiens recherchiert, um das Leben der Brüder Witali und Jewgeni Abalakow zu rekonstruieren, die - erst unzertrennlich, dann zerstritten - gemeinsam das Rote Zeitalter erlebten und davon träumten, den höchsten Gipfel der Welt im Namen der UdSSR zu bezwingen. Entstanden ist so eine packende Reportage, in welcher der Erzähler die Leserinnen und Leser ganz unmittelbar an seinen Recherchen und Entdeckungen teilhaben lässt.

Cédric Gras (geb. 1982) hat mehrere Jahre in der ehemaligen UdSSR verbracht. Der studierte Geograf und begeisterte Alpinist schreibt regelmäßig Reportagen für Magazine wie GEO, Grands Reportages oder Le Figaro und hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Für den Sender ARTE hat er an Dokumentationen über Russland mitgewirkt.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

DIE GESELLSCHAFT FÜR PROLETARISCHEN TOURISMUS

Mittlerweile sind die Brüder 25 und 24 Jahre alt. Witali ist diplomierter Maschinenbauingenieur und Jewgeni hat die Kunstakademie abgeschlossen. 1931 muss man sie sich in einem Zug vorstellen, der in die kleine kaukasische Republik Kabardino-Balkarien fährt. Die Brüder Abalakow sind kräftige und starke junge Männer geworden. Jewgeni ist noch stämmiger als sein großer Bruder, mit tiefblauen Augen, hellbraunem Haar wird er als immer heiter beschrieben. Witali seinerseits spricht schnell und scharf, er hat einen ungestümeren Charakter. Er hat ein schmales Gesicht, das später faltig wird und nie rund. Seine knochige Gestalt spiegelt die Askese wider, der er sich verschrieben hat. Seine Kahlheit schreitet voran, aber noch hat er nicht diesen Kahlkopf mit abstehenden Ohren, der der Nachwelt bekannt ist.

Eine junge Frau, Valentina Tscheredowa, ist mit dabei. Sie ist ebenfalls aus Krasnojarsk, auch sie hat das Klettern an den Stolby gelernt. Sie ist Witalis Jugendliebe. Ein erstes Herzklopfen, das ewig bleibt. Die ganzen Studienjahre lang hat Valentina brav in Sibirien am Ufer des Jenisseis gewartet. Es sei denn, sie lebte die freie Liebe, um gegen die überholten bourgeoisen Sitten aufzubegehren. Wer weiß? Wie dem auch sei, schließlich zog sie zu ihrem Zukünftigen in die Hauptstadt. Das ist der Lauf der Dinge in Sachen Ehe in diesem weiten Land. Hier ziehen die jungen Männer als Aufklärer den Trugbildern der Großstadt entgegen. Wenn sie dort einmal Fuß gefasst haben, lassen sie ihre Verlobten nachkommen, die sie im hintersten Winkel des trostlosen Flachlandes zurückgelassen haben und die befürchten, von einer eleganten Dame auf einem Moskauer Boulevard in den Schatten gestellt zu werden.

Witali hat Valentina nicht vergessen. Sicher betrachtete er am Abend nach seinen Kursen die sportliche und kräftige junge Frau, die zu Beginn der UdSSR und ihres Lebens posiert, ein Moment, den ein schmachtender Verehrer auf einem Sepiafoto verewigt hat. Mit ihrem Bubikopf ist sie der Inbegriff einer jungen und emanzipierten Kommunistin. Jetzt, da sie zivilrechtlich verheiratet sind, rollt der Zug in Richtung Kaukasus. Diesen haben Witali und Jewgeni nur das eine Mal im vorigen Sommer von den üppigen Ufern des Schwarzen Meers aus gesehen. Keiner von ihnen hat jemals einen Fuß auf einen Gletscher gesetzt. Sie sind nicht in Tälern groß geworden, nicht im Schatten schwindelnd hoher Berge geboren. Sie sind in den unendlichen Ebenen auf die Welt gekommen, die einen an Galileo zweifeln lassen, am Ufer des Jenisseis. Dieser Fluss durchzieht den gesamten Bauch Eurasiens, mächtig, glatt, faszinierend ist er das einzig Bemerkenswerte in dieser Landschaft.

Drei Tage auf Schienen. Die Sibiriaken kennen das Zugfahren. Sie verbringen ganze Monate ihres Lebens im Zug. Bis dahin sind die Brüder Abalakow fast jeden Sommer nach Krasnojarsk zurückgekehrt. Wochenlanges Reisen, natürlich um Valentinas schöner Augen willen, aber auch, um ihrem Abenteuergeist Freiraum zu geben, ermöglicht durch die Ersparnisse, die der Ingenieur Witali mit seinen ersten Patenten erwirtschaften konnte. Der Künstler Jewgeni verdient noch keinen müden Heller. Nichts Neues unter der Sonne, selbst wenn sie kommunistisch war, und sicherlich nichts, das ihre Eintracht stören könnte. In diesem Alter scheinen sie unzertrennlich zu sein, wie sie wochenlang in die unbekannten Gebirgsmassive des Altai oder Sajan vorstoßen.

Es wäre ein zu großer Exkurs, von diesen äußerst wilden initiatorischen Streifzügen zu erzählen. Ich würde einfach sagen, dass sie die Brüder Abalakow definitiv geprägt haben. Die Bären sicherlich, aber auch die zugefrorenen Flüsse, die Nächte auf einer von der Glut aufgewärmten nackten Erde, die "ohne jeden Nagel" zusammengebauten Flöße. Welch strahlende Jugend, die ihre Schritte nach den Sternen o