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1984Overlay E-Book Reader

1984

Reclam Taschenbuch | George Orwell

E-Book (EPUB)
2021 Reclam Verlag
Auflage: 1. Auflage
376 Seiten
ISBN: 978-3-15-961860-9

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€ 8,49

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Kurztext / Annotation
George Orwells dystopischer Roman von 1949 gehört zu den wichtigsten Werken des 20. Jahrhunderts. Der Beamte Winston Smith hält in seinem geheimen Tagebuch die Lebensumstände in der Überwachungsdiktatur Ozeanien fest. Als er mit seiner jungen Kollegin Julia eine Affäre beginnt und die beiden Kontakt zu einer Untergrundorganisation aufnehmen, die der Herrschaft des 'Großen Bruder' ein Ende bereiten will, nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Ein Klassiker, der im 21. Jahrhundert wieder hochaktuell scheint.
Freiwilliger im Spanischen Bürgerkrieg, Kriegsberichterstatter, Obdachloser. George Orwell sah während seines Lebens viele Formen der sozialen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Seine Erfahrungen verarbeitete er in seinen Werken. Der Roman '1984' war sein letztes, sein Vermächtnis, das ihn zum Propheten einer vollends überwachten Gesellschaft machte. Neu übersetzt von Holger Hanowell und mit einer kompakten Biographie des Autors.

George Orwell (1903-1950) war ein britischer Schriftsteller und Journalist. Im Reclam Verlag sind seine beiden großen Romane 'Farm der Tiere' und '1984' auf Deutsch und Englisch erhältlich, darüber hinaus die Essaysammlung 'Shooting an Elephant'.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Erster Teil
1

Es war ein klarer, kalter Tag im April, und die Uhren schlugen dreizehn. Winston Smith hatte das Kinn an die Brust gedrückt, um dem hässlichen Wind zu entgehen, und schlüpfte rasch durch die Glastüren des Victory-Wohnblocks, aber nicht rasch genug, um zu verhindern, dass ein Wirbel körnigen Staubs mit hereinwehte.

Im Hausflur roch es nach gekochtem Kohl und alten Fußmatten. An einem Ende des Flurs hatte man ein farbiges Plakat an die Wand geheftet, das für innen eigentlich zu groß war. Darauf war nichts weiter als ein riesiges, mehr als einen Meter breites Gesicht zu sehen: das Gesicht eines Mannes von etwa fünfundvierzig Jahren mit dichtem schwarzem Schnurrbart und ansprechenden, wenn auch schroffen Zügen. Winston steuerte auf die Treppe zu. Es war zwecklos, es mit dem Aufzug zu versuchen. Selbst in seinen besten Zeiten funktionierte er oft nicht, und im Moment wurde der Strom während des Tages abgestellt. Das gehörte zu dem Sparprogramm, das der Hasswoche vorausging. Die Wohnung lag im siebten Stock, und Winston, der neununddreißig war und über dem rechten Sprunggelenk ein Krampfadergeschwür hatte, ging langsam und musste auf dem Weg mehrmals verschnaufen. Auf jedem Treppenabsatz, an der Wand gegenüber vom Aufzugschacht, starrte einen das Plakat mit dem riesigen Gesicht an. Es war eines jener Bilder, die so gestaltet sind, dass die Augen einem überall hin zu folgen scheinen. DER GROSSE BRUDER SIEHT DICH, stand in der Textzeile darunter.

In der Wohnung verlas eine sonore Stimme eine Statistik, die irgendetwas mit der Roheisenproduktion zu tun hatte. Die Stimme kam aus einer rechteckigen Metallplatte, die wie ein blinder Spiegel aussah und rechter Hand in die Wand eingelassen war. Winston drehte an einem Regler, woraufhin die Stimme ein wenig leiser wurde, doch der Wortlaut war immer noch vernehmbar. Man konnte das Gerät (das Telemonitor genannt wurde) zwar leiser stellen, ganz abschalten ließ es sich jedoch nicht. Winston trat ans Fenster: eine eher kleine, zerbrechlich wirkende Gestalt, deren Magerkeit durch den blauen Overall, der zur Einheitskleidung der Partei gehörte, noch betont wurde. Sein Haar war hellblond, sein Gesicht von Natur aus gerötet, seine Haut aufgeraut von grobkörniger Seife und stumpfen Rasierklingen und von der Kälte des Winters, der gerade zu Ende gegangen war.

Die Welt draußen sah selbst durch das geschlossene Fenster kalt aus. Unten auf der Straße wirbelten kleine Windböen Staub und Papierfetzen spiralförmig in die Höhe, und obwohl die Sonne schien und der Himmel ein hartes Blau zeigte, wirkte alles farblos, abgesehen von den Plakaten, die überall hingen. Das Gesicht mit dem schwarzen Schnurrbart blickte von jeder ins Auge fallenden Häuserecke herab. Eines hing an der Hauswand genau gegenüber. DER GROSSE BRUDER SIEHT DICH, lautete der Schriftzug darunter, während sich der dunkle Blick tief in Winstons Augen senkte. Weiter unten, auf Höhe der Straße, flatterte ein anderes, an einer Ecke eingerissenes Plakat unruhig im Wind, so dass das einzige Wort ENGSOZ mal verdeckt und mal zu erkennen war. In weiter Ferne tauchte ein Helikopter zwischen die Dächer, schwebte einen Moment dort wie eine Schmeißfliege und schwirrte dann in weitem Bogen wieder ab. Das war die Polizeistreife, die an den Fenstern der Leute herumschnüffelte. Die Streifflüge waren nicht von Bedeutung. Von Bedeutung war nur die Gedankenpolizei.

Hinter Winstons Rücken plapperte die Stimme aus dem Telemonitor immer noch von Roheisen und der Übererfüllung des Neunten Dreijahresplans. Der Telemonitor empfing und übertrug Daten zur selben Zeit. Jedes Geräusch, das Winston machte und das über ein leises Wispern hinausging, wurde von dem Gerät registriert; darüber hinaus war er zu sehen und zu hören, solange er im Blickfeld der Metallplatte blieb. Man konnte natürlich nicht wissen, ob man