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Heidis Lehr- und WanderjahreOverlay E-Book Reader

Heidis Lehr- und Wanderjahre

Johanna Spyri

E-Book (EPUB)
2020 Saga Egmont
192 Seiten
ISBN: 978-87-26-53940-0

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€ 7,99

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Kurztext / Annotation
Der bis heute weltweit beliebte Kinderbuchklassiker über eine Kindheit in den Schweizer Bergen: Die Waise Heidi wird von ihrer Tante zum Großvater, dem Almöhi, in die Berge gebracht. Schon bald freunden sich der alte Mann und das kleine Mädchen, das die Berge über alles liebt, an. Nach drei Jahren holt die Tante sie zu sich nach Frankfurt am Main. Ob Heidi zum Almöhi zurückkehren darf?-

Johanna Spyri (1827-1901) war eine Schweizer Schriftstellerin im Bereich Kinder- und Jugendliteratur. In Bremen erschienen ihre ersten Erzählungen, wo sie einige Zeit bei Freunden verbrachte. Ihre beiden 'Heidi'-Romane machten sie weltberühmt und wurden in 50 Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Zum Alm-Öhi hinauf

Vom freundlich gelegenen alten Städtchen Mayenfeld aus führt ein Fussweg durch grüne, baumreiche Fluren bis zum Fusse der Höhen, die von dieser Seite gross und ernst auf das Tal herniederschauen. Wo der Fussweg zu steigen anfängt, beginnt bald das Heideland mit dem kurzen Gras und den kräftigen Bergkräutern dem Kommenden entgegenzuduften; denn der Fussweg geht steil und direkt zu den Alpen hinauf.

Auf diesem schmalen Bergpfade stieg am hellen, sonnigen Junimorgen ein grosses, kräftig aussehendes Mädchen dieses Berglandes hinan, ein Kind an der Hand führend, dessen Wangen in solcher Glut standen, dass sie selbst die sonnverbrannte, völlig braune Haut des Kindes flammenrot durchleuchtete. Es war auch kein Wunder: das Kind war trotz der heissen Junisonne so verpackt, als hätte es sich eines bitteren Frostes zu erwehren. Das kleine Mädchen mochte kaum fünf Jahre zählen; welches aber seine natürliche Gestalt war, konnte man nicht ersehen; denn es hatte sichtlich zwei, wenn nicht drei Kleider übereinander angezogen und drüberhin ein grosses rotes Baumwollentuch um und um gebunden, so dass die kleine Person eine völlig formlose Figur darstellte, die, in zwei schwere, mit Nägeln beschlagene Bergschuhe gesteckt, sich heiss und mühsam den Berg hinaufarbeitete. Eine Stunde vom Tal aufwärts mochten die beiden gestiegen sein, als sie zu dem Weiler kamen, der auf halber Höhe der Alm liegt und "im Dörfli" heisst. Hier wurden die Wandernden fast von jedem Hause aus angerufen, einmal vom Fenster, einmal von der Haustür und einmal vom Wege her; denn das Mädchen war in seinem Heimatsort angelangt. Es machte aber nirgends halt, sondern erwiderte alle zugerufenen Grüsse und Fragen im Vorbeigehen, ohne stillezustehen, bis es am Ende des Weilers bei dem letzten der zerstreuten Häuschen angelangt war. Hier rief eine Stimme aus einer Tür: "Wart einen Augenblick, Dete, ich komme mit, wenn du weiter hinaufgehst!"

Die Angeredete stand still; sofort machte sich das Kind von ihrer Hand los und setzte sich auf den Boden.

"Bist du müde, Heidi?" fragte die Begleiterin.

"Nein, es ist mir heiss", entgegnete das Kind.

"Wir sind jetzt gleich oben; du musst dich nur noch ein wenig anstrengen und grosse Schritte nehmen, dann sind wir in einer Stunde oben", ermunterte die Gefährtin.

Jetzt trat eine breite, gutmütig aussehende Frau aus der Tür und gesellte sich zu den beiden. Das Kind war aufgestanden und wanderte nun hinter den zwei alten Bekannten her, die sofort in ein lebhaftes Gespräch über allerlei Bewohner des Dörfli und vieler umherliegenden Behausungen gerieten.

"Aber wohin willst du eigentlich mit dem Kinde, Dete?" fragte jetzt die neu Hinzugekommene. "Es wird wohl deiner Schwester Kind sein, das hinterlassene."

"Das ist es", erwiderte Dete, "ich will mit ihm hinauf zum. Öhi (Oheim), es muss dort bleiben."

"Was, beim Alm-Öhi soll das Kind bleiben? Du bist, denk ich, nicht recht bei Verstand, Dete! Wie kannst du so etwas tun! Der Alte wird dich aber schon beimschicken mit deinem Vorhaben!"

"Das kann er nicht; er ist der Grossvater, er muss etwas tun. Ich habe das Kind bis jetzt gehabt, und das kann ich dir schon sagen, Barbel, dass ich einen Platz, wie ich ihn jetzt haben kann, nicht dahinten lasse um des Kindes willen; jetzt soll der Grossvater das Seinige tun."

"Ja, wenn der wäre, wie andere Leute, dann schon", bestätigte die breite Barbel eifrig; "aber du kennst ja den. Was wird der mit einem Kinde anfangen und dann noch mit einem so kleinen! Das hält's nicht aus bei ihm! Aber wohin willst du denn?"

"Nach Frankfurt a. M.", erklärte Dete, "da bekomm ich einen besonders guten Dienst. Die Herrschaft war schon im vorigen Sommer unten im Bad; ich habe ihre Zimmer auf meinem Flur gehabt und sie besorgt, und schon damals wollten sie mich mitnehmen; aber ich konnte nicht fortkommen; und jetzt sind sie wieder da und