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Ich erwarte die Ankunft des Teufels

Damals - heute - morgen: Reclams Klassikerinnen | Mary MacLane

E-Book (EPUB)
2020 Reclam Verlag
Auflage: 1. Auflage
204 Seiten
ISBN: 978-3-15-961669-8

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Kurztext / Annotation
Die 19-jährige Mary MacLane wünscht sich Napoleon oder am besten gleich den Teufel als Liebhaber. Sie träumt von einer Revolution, während sie mit ihren Mitmenschen in dem tristen Bergarbeiterstädtchen in Montana genauso wenig anfangen kann wie mit ihren häuslichen Pflichten und der kargen Landschaft. MacLane war völlig unbekannt, als sie 1902 ihr erstes, im Tagebuchstil verfasstes Buch veröffentlichte. Es wurde zum Skandal und seine Autorin zum Star. - Mit einer kompakten Biographie der Autorin.

Mary MacLane (1881-1929) wuchs in einer Bergarbeiterstadt in Montana (USA) auf. Mit ihrem ersten Buch 'Ich erwarte die Ankunft des Teufels' wurde sie 1902 schlagartig berühmt, es folgten der Roman Meine Freundin Annabel Lee (1903) und weitere autobiographische Texte. MacLanes bohemehafter Lebensstil und ihre Bisexualität sorgten immer wieder für Skandale. Sie starb im Alter von 48 Jahren in Chicago

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Butte, Montana
13. Januar 1901

Ich, neunzehn Jahre alt und im weiblichen Geschlecht geboren, werde jetzt, so vollständig und ehrlich wie ich kann, eine Darstellung von mir selbst verfassen, Mary MacLane, die in der Welt nicht ihresgleichen kennt.

Davon bin ich überzeugt, denn ich bin ungewöhnlich.

Ich bin ausgesprochen originell, von Geburt an und in meiner Entwicklung.

Ich habe eine ganz ungewöhnliche Lebensintensität in mir.

Ich kann fühlen.

Ich habe eine wunderbare Fähigkeit zu Elend und zu Glück.

Ich bin gedanklich offen.

Ich bin ein Genie.

Ich bin eine Philosophin meiner eigenen guten peripatetischen Schule.

Mich kümmert weder Gut noch Böse - mein Gewissen ist gleich null.

Mein Gehirn ist ein Sammelgefäß energischer Vielfalt.

Ich habe einen wahrlich erstaunlichen Zustand elenden, krankhaften Unglücks erlangt.

Ich kenne mich, ach, sehr gut.

Ich habe einen wirklich seltenen Egoismus entwickelt.

Ich bin in die tiefen Schatten hineingegangen.

All das zusammen ergibt Seltsamkeit. Ich denke also, dass ich ziemlich, ziemlich seltsam bin.

Ich habe mich umgesehen, ob es auch nur die Andeutung einer Parallele zu den paar hundert Menschen gibt, die ich meine Bekannten nenne. Vergeblich. Es gibt Leute von unterschiedlicher Tiefe und charakterlicher Vertracktheit, aber niemanden, der sich mit mir vergleichen ließe. Die jungen Leute in meinem Alter - sofern ich ihnen auch nur einen kurzen Blick in die wahren Vorgänge meines Gehirns gewähre - starren mich in ihrer stumpfen Blödheit nur verständnislos an; und die Alten, die vierzig und fünfzig sind - vierzig und fünfzig sind alt, wenn man neunzehn ist -, können auch nur blöd starren, oder sie setzen mit der ihnen eigenen Engstirnigkeit ihr kleines, teuflisches, überlegenes Lächeln auf, das sie für ahnungslose junge Menschen bereithalten. - Diese völlige Idiotie von Vierzig- und Fünfzigjährigen manchmal! -

Das sind sicherlich Extremfälle. Es gibt unter meinen jungen Bekannten auch welche, die nicht blöd starren, und ja, sogar mit vierzig und fünfzig gibt es ein paar, die die eine oder andere Phase meines komplizierten Charakters verstehen, auch wenn niemand ihn in seiner Ganzheit begreift.

Allerdings finde ich, wie gesagt, nicht einmal annähernd eine Entsprechung unter ihnen.

In diesem Moment denke ich an zwei berühmte Köpfe aus der literarischen Welt, die mit dem meinen gewisse feine Gemeinsamkeiten haben. Es sind die von Lord Byron und Marie Bashkirtseff. Im Byron des Don Juan finde ich mich selbst angedeutet. In diesem erhabenen Erguss werden nur wenige die Figur Don Juan bewundern, alle aber müssen Byron verehren. Man muss ihn wirklich bewundern. Er enthüllte und entblößte seine Seele, diese Mischung aus Gut und Böse - wie man so sagt -, damit die Welt sie betrachten konnte. Er kannte die menschliche Rasse. Und er kannte sich selbst.

Was diese seltsame Berühmtheit anbelangt, Marie Bashkirtseff: Ja, ich ähnele ihr in manchen Punkten, hat man mir gesagt. Aber in den meisten gehe ich über sie hinaus.

Wo sie tiefgründig ist, bin ich tiefgründiger.

Wo sie wunderbar leidenschaftlich ist, bin ich noch viel leidenschaftlicher.

Wo sie philosophisch ist, bin ich eine Philosophin.

Wo sie erstaunliche Eitelkeit und Einbildung besaß, bin ich noch eitler und eingebildeter.

Aber, ganz ehrlich, sie konnte gut malen - und ich - was kann ich?

Sie hatte ein wunderschönes Gesicht, und ich bin ein bedeutungsloses kleines Tier mit unauffälligen Zügen.

Sie war umringt von bewundernden, mitfühlenden Freunden, und ich bin allein - allein, obwohl es vor Leuten wimmelt.

Sie war ein Genie, doch ich bin noch viel mehr ein Genie.

Sie litt mit dem Schmerz einer Frau, die jung ist,