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Jörg Fauser

E-Book (EPUB)
2019 Diogenes
Auflage: 1. Auflage
320 Seiten
ISBN: 978-3-257-60945-5

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Kurztext / Annotation
Schon in Fausers frühen Gedichten und experimentellen Prosatexten kann von Pose und Erfindung keine Rede sein. Da lebt jemand das, was er schreibt, was er als Text hinausbrüllt oder flüstert. Zu spüren sind auch Fausers erste Helden Kerouac und Burroughs, die ihn vielleicht nach Tophane und in die Sucht, vielleicht auch zum Schreiben getrieben haben. In diesen Texten, die von Beat bis Cut-up reichen, geht Fauser aufs Ganze - dies ist der Band, um ihn neu zu entdecken. Mit einem Nachwort von Jürgen Ploog.

Jörg Fauser wurde 1944 bei Frankfurt am Main geboren. Nach Abitur und abgebrochenem Studium lebte er längere Zeit in Istanbul und London. Er arbeitete u.a. als Aushilfsangestellter, Flughafenarbeiter, Nachtwächter. Ab 1974 widmete er sich hauptberuflich dem Schreiben. Seine Romane, Gedichte, Reportagen und Erzählungen sind eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Literatur. Jörg Fauser verunglückte 1987 in der Nacht nach seinem Geburtstag tödlich bei München auf der Autobahn.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Nirwana im Norden

Ein Script der Siebziger Jahre

»Time to move into first place«

(W.S.B.)

GALAERÖFFNUNG. Die Szene ist überall, und es ist überall dieselbe Szene. Man sitzt sich in irgendeinem Wohnklo gegenüber, im Spülstein der Abwasch vom letzten Karneval, der Hund schlappt am Bier, auf dem Plattenteller John Coltranes »Equinox«, nämlich »Sonnenfinsternis«, die Demolierungstrupps machen Mittagspause, man füttert seinen Affen mit Cuba Libre und stellt die Totenscheine aus:

»Diese Suizid-Welle«, sagt Dimi, während er in der »Baltischen Adelszeitung« blättert, »allein in Schwabing 23 ...«

Keine Ahnung, warum wir es sind die überleben.

»Den Weg der Maschinenfabrik Shanghai gehen«, fordert der Mann von der RAF im Gerichtssaal. Time for a change!, jubelt der Weather-Man, als er sich mit seiner Bombenküche in die Luft jagt. Doktor Junk konfiszierte auf andere Art: Überdosis im Gülhane Hilton, Überdosis im Berliner Zimmer, Überdosis Zeit & Zero im grünen Badezimmer am Ende der Welt, Frankie Machine alias Hermes der den Kopf in die Schlinge legt und den Stuhl wegkickt1.

Der Marxist in der Beletage mixt sich noch einen Mao Tonic: »Für Cut-up-Reaktionäre und Beat-Dekadente gibt es kein Papier auf Bezugsscheine, Herr Gelb.«

Ixca der Amokläufer, Fred Smack, Trichlor-Terry, Jojo, Tiki der Koma-Kid massieren ihre steifen Venen im Letzten Onkel Max am Ende aller Straßen2 ... »Schätze es fällt wieder 'ne Menge Schnee auf die Irren in Bakirköy, Ede3« ... »Aber wir hams schön warm« ... kalte Kuddeln in Saloniki, der Alte Bange schaffte es nicht mehr, Abgang über dem verbogenen Löffel vom Café Europa, 23mal die kalte Hand von Doktor Junk:

»Was ihr draußen seht ist bloß das was ihr schon vorher hingestellt habt. Zeit zurückzukehrn ins Vorher, Jungs.«

Eine Retrospektive aus der Asche westlicher Alpträume.

 

MAINLINE-TANGO. Vestibül im Finas Palas Hotel in Cholera City. Verstaubte Palmwedel, fetter syrischer Patron mit Zahnstocher im Mund, Klappern von Gebetsschnüren und Tabla-Würfeln, manchmal der lustlose Schrei einer Hure die mit dem Messer angegeilt wird. Und vom Hafen rüber das Tuten der Frachtkähne und das Heulen der Nebelhörner. Ab und zu eine MG-Salve in den Armenvierteln. Es gibt keinen Impfstoff mehr. Und es gibt kein Heroin mehr. Dafür gibt es Leichen.

Das Finas ist eine Absteige für armenische Existenzialisten, kirgisische Doppelagenten ohne Spesenkonto, drittklassige ausrangierte Filmschauspieler mit angeklebtem Douglas-Fairbank-Lächeln, und die üblichen Sex- und Crime-Süchtigen aus den Selbstmordzonen der europäischen Metropolen.

Ich fuhr zusammen. Der Mann mit der Financial Times hatte mich angesprochen:

»Kennen Sie den Mainline-Tango?«

Ich folgte ihm in die Bar. Auf der Tanzfläche drehten sich ein paar pockennarbige Transvestiten in Nostalgie-Kleidern aus der Vogue der 30er Jahre. Nach jeder Drehung imitierten sie mit schmutzigen Gummispritzen die alten tristen Fixer-Bewegungen.

»Unglaublich, nicht? Ich heiße Christopher. Nehmen Sie auch einen Pink Gin?«

»Danke. Trinke nicht im Dienst, Mr Isherwood.«

Der Mann drückte seine Fatima aus und verzog sich.

An der Jukebox dünner blonder Junge konzentriertes Gesicht des Junkies nach dem Fix. Tiki. Er lächelte mir zu.

»Que tal, amigo?«

Er zuckt die Achseln ... 20 Jahre Knast Cold-turkey Klapsmühle Paranoia in Para-City4 und immer das dünne Lächeln bis sie ihm die Zähne einzeln rausbrechen und seine Lippen zerfetzen aber das Lächeln bleibt genau dort wo es immer war manche nennen es das Chinesische Lächeln er drück