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Endzeit

Ein Fall für Kommissar Oppenheimer | Harald Gilbers

E-Book (EPUB)
2017 Verlagsgruppe Droemer Knaur
Auflage: 1. Auflage
560 Seiten
ISBN: 978-3-426-42653-1

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€ 9,99

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Kurztext / Annotation
Kommissar Oppenheimers dritter Fall: ein packender Zweiter-Weltkriegs-Krimi über die Atompläne der Nazis von Glauser-Preisträger Harald Gilbers. Berlin, Ende April 1945: Die letzten Tage des Dritten Reichs verbringen Kommissar Oppenheimer und seine Frau Lisa in einem Unterschlupf des Ganoven Ede. Doch in den chaotischen Wirren der Niederlage werden sie getrennt. Als Oppenheimer in Edes Auftrag einen verschwundenen Schuldner aufspüren soll, bekommt er unverhofft einen Hinweis auf Lisas Vergewaltiger, den russischen Deserteur Grigorjew. Er stößt auf ein Netz aus Lügen und Täuschungsmanövern, in dessen Zentrum ein Koffer mit brandgefährlichem Inhalt steht. Denn auch andere Mächte sind hinter Grigorjew her. Offenbar sollte er Material schmuggeln, das bei den Atomplänen der Nazis eine Rolle spielte. Und Oppenheimer weiß mehr von der Affäre, als er zunächst ahnt. 'Historisch sehr akkurat, atmosphärisch dicht und zudem noch ungemein spannend.' FAZ

?Harald Gilbers, geboren 1969, stammt aus Moers am Niederrhein und lebt derzeit in Ostrhauderfehn. Er studierte Anglistik und Geschichte in Augsburg und München. Anschließend arbeitete er zunächst als Feuilleton-Redakteur beim Fernsehen, bevor er als freier Theaterregisseur tätig wurde. Sein Romandebüt »Germania«, der erste Fall für Kommissar Oppenheimer, erhielt 2014 den Friedrich-Glauser-Preis und wurde bislang in acht Sprachen übersetzt. In Japan schaffte es der Roman gleich auf zwei Jahres-Bestenlisten mit ausländischen Krimis. Die Fortsetzung, »Odins Söhne«, wurde 2016 in Frankreich mit dem Prix Historia als bester historischer Kriminalroman ausgezeichnet.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Teil 1

Feuer
1

Berlin
Freitag, 20. April 1945
12 Tage vor der Kapitulation der Berliner Truppen

Seine Welt war auf wenige hundert Quadratmeter geschrumpft, doch Oppenheimer hatte in den vergangenen sechs Wochen gelernt, sich damit zufriedenzugeben. Der Horizont war nicht mehr als eine schnöde Kalksteinmauer, während der Himmel aus roten Backsteinen von Eisensäulen gestützt wurde.

Und hinter dieser Hemisphäre aus übereinandergeschichtetem Baumaterial wehte ein von Menschen entfesselter Feueratem. Der Gärkeller in den Katakomben der stillgelegten Brauerei war nicht unbedingt als Nachtlager für versprengte Menschen wie Oppenheimer und seine Frau Lisa gedacht, aber sie hatten keine Alternative. Obgleich er so umsichtig gewesen war, die improvisierte Kochstelle direkt unter einem seitlichen Luftschlitz zu errichten, hatten der Qualm und die Essensgerüche bereits nach wenigen Tagen den säuerlichen Gestank des Brauereibetriebs überdeckt. Jetzt war die Luft so dick, dass man sie schneiden konnte.

An dem künstlichen Himmelsrund in zehn Metern Höhe gab es weder Sonne noch Sterne, und so waren auch die Leuchtziffern seiner Taschenuhr keine große Hilfe. Die Ausrichtungen der Zeiger waren in Oppenheimers Vorstellung nur noch willkürliche Einteilungen, deren eigentlicher Sinn verlorengegangen war. Dafür gab es andere Indizien, an denen sich ablesen ließ, dass man jenseits des Kellers die Zeit noch in Tage einteilen konnte. Gelegentlich fiel ein heller Schimmer durch die Luftschlitze; der beste Hinweis auf einen beginnenden Tag war jedoch, wenn die Deckenlampen brannten. Oppenheimer ließ sie eingeschaltet, weil es Strom ohnehin nur noch sporadisch gab. Und wenn die Glühbirnen zur Abwechslung einmal aufleuchteten, konnte man davon ausgehen, dass es hinter den dicken Mauern früher Morgen war. Zu diesen Stunden war das Elektrizitätswerk in der Regel freigiebig mit den Stromzuteilungen. Die dunklen Phasen dazwischen waren in der letzten Zeit jedoch immer länger geworden.

Abends wiederum war die Stunde der Sirenen, deren Gejaule sogar bis in den Gärkeller drang. Wenn sie erklangen, fand draußen normalerweise der tägliche Angriff im Schutze der Dunkelheit statt.

Obwohl die Fundamente des Kellers sicher bald wieder unter der tödlichen Last der Bomber erzittern würden, fühlte sich Oppenheimer zwischen dem guten Dutzend Gärbottiche sicherer als inmitten einer verschreckten Menschenmenge in einem Betonbunker. Und erst recht war dieser Platz den verputzten Holzdecken des Judenhauses vorzuziehen, in dem er zwangsweise viele Jahre hatte wohnen müssen.

Die Sirenen und Fliegerbomben waren beileibe nicht mehr die einzigen Kriegsgeräusche. Seit einigen Tagen trug der Wind von Osten her das Grollen der Artillerie in die Stadt. Obgleich sich Oppenheimer danach sehnte, endlich von der Herrschaft der Nationalsozialisten befreit zu werden, fand er das anschwellende Toben der Kriegsmaschinerie beunruhigend. So ganz ohne Radio hatte er nicht einmal mehr einen Überblick, was an der Front vor sich ging.

Auch an diesem Morgen gab es Strom, und so wurde Oppenheimer von dem künstlichen Licht der Deckenlampen geweckt. Lisa schlief noch, wegen der feuchten Kälte war auch sie dick in Decken eingepackt, so dass man kaum die Konturen ihres Körpers erkennen konnte. Ihr Nachtlager aus zusammengeschobenen Holzkisten war besser, als auf dem Betonboden zu schlafen, komfortabel war allerdings beides nicht.

Oppenheimer stützte sich mit den Ellbogen auf den Holzkisten ab und setzte sich auf. Dann schälte er sich aus dem Kokon von Lumpenschichten und rieb mürrisch eine schmerzende Stelle an seinem Rücken. Wenige Augenblicke später kroch bereits die Kälte unter seine Anzugjacke, und er fröstelte.

Die Decke über seine Schultern gehängt, tappte Oppenheimer zur Feuerstelle, um