Buchhandlung Spazierer

Suche

Heidis Lehr- und WanderjahreOverlay E-Book Reader

Heidis Lehr- und Wanderjahre

Johanna Spyri

E-Book (EPUB)
2016 Re-image Publishing
130 Seiten
ISBN: 978-3-96112-077-2

Rezension verfassen

€ 0,99

in den Warenkorb
Kurztext / Annotation
Heidis Tante Dete hatte bisher die Aufsicht, nachdem Heidis Mutter gestorben war. Dete bringt sie zum Alpöhi, der zunächst wenig begeistert ist, sich aber dann an Heidi gewöhnt und ihr das Leben angenehm macht. Heidi lernt den Geissenpeter kennen, einen elfjährigen Ziegenhirten, mit dem sie regelmäßig hoch auf die Alpen wandert, wo die Ziegen aus dem Dorf weiden. Eine besondere Freude bereitet ihr das Rauschen der Tannen hinter der Hütte ihres Großvaters. Drei Jahre später, als Heidi acht Jahre alt ist, erscheint jedoch Heidis Tante Dete und nimmt das Mädchen mit nach Frankfurt am Main, wo sie die Gesellschafterin der gelähmten Klara Sesemann werden soll.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet


Zum Alm-Öhi hinauf

Vom freundlichen Dorfe Maienfeld führt ein Fußweg durch grüne, baumreiche Fluren bis zum Fuße der Höhen, die von dieser Seite groß und ernst auf das Tal herniederschauen. Wo der Fußweg anfängt, beginnt bald Heideland mit dem kurzen Gras und den kräftigen Bergkräutern dem Kommenden entgegenzuduften, denn der Fußweg geht steil und direkt zu den Alpen hinauf.

Auf diesem schmalen Bergpfade stieg am hellen, sonnigen Junimorgen ein großes, kräftig aussehendes Mädchen dieses Berglandes hinan, ein Kind an der Hand führend, dessen Wangen so glühend waren, dass sie selbst die sonnverbrannte, völlig braune Haut des Kindes flammend rot durchleuchteten. Es war auch kein Wunder: Das Kind war trotz der heißen Junisonne so verpackt, als hätte es sich eines bitteren Frostes zu erwehren. Das kleine Mädchen mochte kaum fünf Jahre zählen; was aber seine natürliche Gestalt war, konnte man nicht ersehen, denn es hatte sichtlich zwei, wenn nicht drei Kleider übereinander angezogen und drüberhin ein großes, rotes Baumwolltuch um und um gebunden, so dass die kleine Person eine völlig formlose Figur darstellte, die, in zwei schwere, mit Nägeln beschlagene Bergschuhe gesteckt, sich heiß und mühsam den Berg hinaufarbeitete. Eine Stunde vom Tal aufwärts mochten die beiden gestiegen sein, als sie zu dem Weiler kamen, der auf halber Höhe der Alm liegt und 'im Dörfli' heißt. Hier wurden die Wandernden fast von jedem Hause aus angerufen, einmal vom Fenster, einmal von einer Haustür und einmal vom Wege her, denn das Mädchen war in seinem Heimatort angelangt. Es machte aber nirgends Halt, sondern erwiderte alle zugerufenen Grüße und Fragen im Vorbeigehen, ohne still zu stehen, bis es am Ende des Weilers bei dem letzten der zerstreuten Häuschen angelangt war. Hier rief es aus einer Tür: "Wart einen Augenblick, Dete, ich komme mit, wenn du weiter hinaufgehst."

Die Angeredete stand still; sofort machte sich das Kind von ihrer Hand los und setzte sich auf den Boden.

"Bist du müde, Heidi?", fragte die Begleiterin.

"Nein, es ist mir heiß", entgegnete das Kind.

"Wir sind jetzt gleich oben, du musst dich nur noch ein wenig anstrengen und große Schritte nehmen, dann sind wir in einer Stunde oben", ermunterte die Gefährtin.

Jetzt trat eine breite gutmütig aussehende Frau aus der Tür und gesellte sich zu den beiden. Das Kind war aufgestanden und wanderte nun hinter den zwei alten Bekannten her, die sofort in ein lebhaftes Gespräch gerieten über allerlei Bewohner des 'Dörfli' und vieler umherliegender Behausungen.

"Aber wohin willst du eigentlich mit dem Kinde, Dete?", fragte jetzt die neu Hinzugekommene. "Es wird wohl deiner Schwester Kind sein, das hinterlassene."

"Das ist es", erwiderte Dete, "ich will mit ihm hinauf zum Öhi, es muss dort bleiben."

"Was, beim Alm-Öhi soll das Kind bleiben? Du bist, denk ich, nicht recht bei Verstand, Dete! Wie kannst du so etwas tun! Der Alte wird dich aber schon heimschicken mit deinem Vorhaben!"

"Das kann er nicht, er ist der Großvater, er muss etwas tun, ich habe das Kind bis jetzt gehabt, und das kann ich dir schon sagen, Barbel, dass ich einen Platz, wie ich ihn jetzt haben kann, nicht dahinten lasse um des Kindes willen; jetzt soll der Großvater das Seinige tun."

"Ja, wenn der wäre wie andere Leute, dann schon", bestätigte die kleine Barbel eifrig; "aber du kennst ja den. Was wird der mit einem Kinde anfangen und dann noch einem so kleinen! Das hält's nicht aus bei ihm! Aber wo willst du denn hin?"

"Nach Frankfurt", erklärte Dete, "da bekomm ich einen extraguten Dienst. Die Herrschaft war schon im vorigen Sommer unten im Bad, ich habe ihre Zimmer auf meinem Gang gehabt und sie besorgt, und schon damals woll