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Palast der FinsternisOverlay E-Book Reader

Palast der Finsternis

Stefan Bachmann

E-Book (EPUB)
2017 Diogenes
Auflage: 2. Aufl.
400 Seiten
ISBN: 978-3-257-60805-2

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€ 9,99

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Kurztext / Annotation
Die Außenseiterin Anouk ist mit vier anderen Jugendlichen nach Paris gekommen, um einen unterirdischen Palast zu erforschen, den ein verrückter Adliger während der Französischen Revolution als Versteck für seine Familie erbaute. Doch hinter der Tür mit dem Schmetterlingswappen erwartet die fünf Abenteurer in jedem weiteren Raum ein neuer Abgrund, den sie nur gemeinsam bezwingen können.

Stefan Bachmann, geboren 1993 in Boulder/Colorado, verbrachte den Großteil seiner Kindheit in der Schweiz, wo er an der Zürcher Hochschule der Künste ein Studium der Komposition und Musiktheorie absolvierte. Sein von der Liebe zu Steampunk, Charles Dickens und C.S. Lewis' ?Chroniken von Narnia? inspiriertes Debüt, ?Die Seltsamen? war ein Riesenerfolg in den USA und in Deutschland. Stefan Bachmanns Werke wurden in über fünfzehn Ländern veröffentlicht. Seit 2022 unterrichtet er Creative Writing im Jungen Literaturlabor in Zürich.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

2

Unser Treffpunkt ist am JFK-Flughafen, in der weißen Glas- und Stahlhalle von Terminal vier. Wir haben äußerst detaillierte Anweisungen erhalten:

7:45 Uhr - Ankunft am Flughafen. Nicht in die Koffer schauen. Sofort durch die Sicherheitsschleuse gehen und dann weiter zu Gate B 24. Dort Zusammentreffen mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Forschungsreise und Abflug. Begleit- und Kontaktperson ist Professor Dr. Thibault Dorf.

Hier steht es, schwarz auf weiß auf dickem Büttenpapier, enthalten in den piekfeinen blauen Mappen, die uns zugeschickt worden sind. Ich fahre mit den Fingern über das Wappen der Sapanis, das in die rechte obere Ecke geprägt ist - ein Beil und eine Flagge, umrankt von zwei Rosen. Sie finanzieren unsere Expedition. Ihnen gehört das Schloss, unter dem die archäologische Sensation entdeckt wurde. Nach Google sind sie die fünftreichste Familie der Welt, aber ich habe noch nie von ihnen gehört - zu den Gartenpartys meiner Eltern sind sie jedenfalls nicht eingeladen.

Mein Herz macht kleine Sprünge, als wir uns dem Flughafen nähern.

Ich ziehe noch weitere Unterlagen heraus und blättere sie durch. Ich habe alles schon zigmal durchgelesen, aber will beschäftigt wirken, damit der Fahrer mich nicht anspricht. Manchmal versuchen die einen unterwegs anzuquatschen, weil sie heftige Wut mit putziger Teenagermelancholie verwechseln und einen aufheitern wollen, indem sie einem von ihrem Neffen erzählen, der in den Knast gewandert ist, weil er jemanden erschossen hat. Ich reiß' ihm den Kopf ab, wenn er mich anlabert. Aber dann schmeißt er mich raus, fährt uns ans Meer, irgend so etwas, so dass ich meinen Flug verpasse.

Meine Augen huschen über die Dokumente. Packlisten. Sicherheitshinweise. Eine Anleitung mit dem Titel Teamarbeit - Fokussiertheit, Kommunikation und Kameradschaft, die ich bisher jedes Mal beim Lesen übersprungen habe. Man muss es ja nicht übertreiben. Wo ich doch zusätzlich in wochenlangen Intensivkursen Klettern und Tauchen lernen und anschließend die Teilnahmebestätigungen an ein Büro in Manhattan schicken musste, um zu beweisen, dass ich bestanden hatte.

Ich musste ellenlange Verträge Blatt für Blatt abzeichnen, mich auf jede bekannte Krankheit testen lassen, um sicherzustellen, dass ich die Expedition nicht gefährde - das Ganze unter größter Geheimhaltung. Nur die Eltern oder Sorgeberechtigten waren eingeweiht. Und da soll ich auch noch fokussiert, kommunikativ und kameradschaftlich sein? Nichts da.

Der Wagen biegt in die Abflugzone ein. Ich klemme die blaue Mappe unter den Arm, steige aus, gehe nach hinten zum Kofferraum und hebe meinen Koffer schon heraus, noch bevor der Fahrer seine Tür ganz geöffnet hat. Dann mache ich mich so schnell davon, wie es möglich ist, ohne dass es aussieht, als wäre ich auf der Flucht. Was ich allerdings durchaus bin. Ich weiß genau, dass mir der Fahrer verdutzt hinterherstarrt.

Im Hineingehen erhasche ich einen Blick auf mein Spiegelbild in den Glasschiebetüren zum Terminal. Ich bin das, was die Leute gern als »gertenschlank« beschreiben, vor allem, wenn sie keine Ahnung haben, wie eine Gerte aussieht. Scharfkantiges Gesicht unter einem dunklen, krankenschwestermäßig kurzen Bob. Verkniffener Mund. Dunkle Ringe unter den Augen. Unter dem Häkelmantel gucken Skinny Jeans sowie spitze Hexenschnürstiefel hervor, in denen mir wahrscheinlich in ein paar Stunden die Füße höllisch weh tun werden.

Mit leisem Zischen öffnen sich die Türen und teilen mich in der Mitte. Ich betrete den Terminal. Eau de Airport empfängt mich - Kaffee, staubige Teppichböden, luxuriöse Kopfnoten von Heizungsluft und billiger Waschlotion. Passagiere schieben Berge von Gepäck vor sich her wie Strafgefangene. Sie starren mich an, blöde und fast feindselig.

Scho