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Politische NovelleOverlay E-Book Reader

Politische Novelle

Bruno Frank

E-Book (EPUB)
2017 Books On Demand
Auflage: 1. Auflage
94 Seiten
ISBN: 978-3-7448-9856-0

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€ 4,99

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Kurztext / Annotation
Der ehemalige Minister Ferdinand Carmer verbringt seinen Urlaub in der süditalienischen Hafenstadt Ravello. Es ist die Zeit der Weimarer Republik. Wahrscheinlich wird Carmer bald wieder ein Ministeramt übernehmen. Vor der erneuten beruflichen Bindung kostet er seine Freiheit auf Reisen voll aus. Er gerät in eine Kundgebung, auf der Mussolini als Redner auftritt. Gerne verlässt er nach dieser Erfahrung Italien und folgt einer Einladung des französischen Außenministers Achille Dorval zum Gespräch ins französische Cannes. Als sich Dorval wegen einer Autopanne mehrere Stunden verspätet, verbringt Carmer seine Zeit im Spielcasino. Dort begegnen ihm der Wohlstand und die Internationalität, aber auch der Snobismus und die Vergnügungssucht der 20er Jahre in übersteigerter Form. In dem langen Gespräch mit Dorval erörtert Carmer die Möglichkeiten zur Aussöhnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg. Nachdem er sich von Dorval verabschiedet hat, setzt Carmer seine Reise spontan fort. Er fährt nach Marseille. Ein letztes Mal will er sich vor der Rückkehr nach Berlin richtig amüsieren. Dabei unterschätzt er die Gefahren eines großstädtischen Vergnügungsviertels. Die "Politische Novelle" von Bruno Frank erschien erstmals 1928. Vorbild für den Romancharakter des Achille Dorval ist der französische Außenminister Aristide Briand. Thomas Mann besprach die "Politische Novelle" 1930 in einem längeren Essay, das die hohe literarische Bedeutung des Werkes betonte.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

IV

Der nächste Tag war ein Sonntag. Cramers Aufenthalt näherte sich dem Ende. Die Rückkehr nach Deutschland war nötig, und zudem telegraphierte aus Paris Achille Dorval und wünschte das Datum ihrer Zusammenkunft festzusetzen. Sie sollte an der französischen Südküste stattfinden, in Cannes: Carmer fügte sich darin der Neigung des viel Älteren, der sein Land ungern verließ.

Sie kannten einander von mehreren Konferenzen her, und sie sympathisierten. Man hatte in Paris die Hand am Puls der deutschen Politik, die Regierungsänderung im Reiche galt als sicher bevorstehend, an Cramers neuem Hervortreten konnte dabei kein Zweifel sein. Der französische Staatsmann wünschte lebhaft, ihn noch zuvor, noch ohne offizielle Erschwerung, zu sehen. Mit Zähigkeit strebte sein vorurteilsloses Alter dem großen Ziele friedlicher Sicherung zu. Hier war das Erbe, das er zu hinterlassen hoffte.

Carmer hatte seine Abreise schon zweimal verschoben. Cannes - das bedeutete eine Frist von Tagen, und jenseits, unmittelbar, lag die Heimkunft, nach der sein Verlangen gering war. An jedem Morgen, wenn Doktor Erlanger hinter ihn trat, um die angelangte Briefschaft gemeinsam mit ihm zu prüfen, spürte er nicht ohne Gewissensqual, daß sein Widerstreben aufs neue gewachsen war.

Heimkehren also wieder in diesen Braukessel trüb schäumender Böswilligkeit, der sich deutsche Politik nannte, langsam sich wieder mitdrehen im übel gemischten Brei; bei öffentlicher Tagung die abgestandenen Phrasenreste beschwingterer Vorzeiten schmecken müssen, hinter verschlossenen Türen aber das ängstliche Gezänk von Philistern, die an ihren nächsten schäbigen Vorteil denken. Nie ein männlicher, grader Impuls, nie ein Wort, das aufstieg wie der Rauch am klaren Tage; in der eigenen Partei, bei der sein Herz doch ganz hätte sein müssen, viel dürftiger Beamtengeist, Kleinbürgerei und Scheu vor der eigenen Courage; die wenigen denkenden und kräftigen Gefährten vor der Zeit abgenutzt, bedrückt und zerrieben.

Und um einen das Volk, diese sechzig Millionen, Herzstück des Erdteils, ewiger Mutterschoß der Idee, der Musik und innigster Dichtung, aber von einer beispiellos finstern und schmerzhaften Geschichte als öffentliches Wesen verdorben und verfälscht, so unfähig, Leib seiner reichen Seele zu sein, so unkund seiner selbst, so kindisch, daß es jedem schielenden Schmeichler anheimfiel. Nichts ließ es sich in seiner Unsicherheit lieber bezeugen, als daß es allein das Volk aller Völker sei, ausersehen unter den Nationen, umringt von Pfauen und Tigern ganz allein treu, rein, tapfer, fromm, wahrheitsmutig und seelengroß. So weit ging sein Hang zu romantischer Selbstbetäubung, daß ihm jeder recht war, der mit einem Schwall herkömmlich dunstigen Geredes sich selber als Heiland und Symbol der Volkstugenden empfahl: der krakeelende General war ihm recht, der eitle Konjunktur-Mystiker war ihm recht, sogar der profitwütige Nurverdiener war ihm recht, wenn er bloß den blutarmen Hang nach dem Kolossalen zu befriedigen schien und seinen Riesenladen mit nationalfrommen Spruchtafeln austapezierte.

Blickte man aus südlich heiterer Ferne auf dies wolkenüberhangene Vaterland zurück, so schien es einem, als sei der Himmel dort von allen den aufgestiegenen Phrasen und nebelhaften Halbgedanken so trübe und undurchsichtig geworden. Ach, wer sollte Lust haben zur Rückkehr! Wer sollte nicht wünschen, das alles dort zu vergessen und, wenn er dort lebte, eben einsam zu leben, in der eigenen Wahrheit, im verschlossenen Hause.

Hielten es denn nicht alle so, die etwas taugten im Lande? Es war zur Seltenheit geworden, daß ein Mann von Ernst und geistigem Stolz in Deutschland Politiker war. Mit Spott und Mißachtung sahen alle dem dunstigen Treiben zu, oder vielmehr sie sahen nicht zu, sie kehrten sich ab und ließen das Feld dem Gezücht.

Und darum eben waren Cra