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Rheinblick

Im Schatten der Macht, zwei Frauen gehen ihren Weg | Brigitte Glaser

E-Book (EPUB)
2019 Ullstein
Auflage: 1. Auflage
432 Seiten
ISBN: 978-3-8437-2079-3

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Kurztext / Annotation
Von der Autorin des Spiegel-Bestsellererfolgs Bühlerhöhe Deutschland, im November 1972: Niemand kennt das Bonner Polittheater besser als Hilde Kessel, legendäre Wirtin des Rheinblicks. Bei ihr treffen sich Hinterbänkler und Minister, Sekretärinnen und Taxifahrer. Als der Koalitionspoker nach der Bundestagswahl härter wird, wird Hilde in das politische Ränkespiel verwickelt. Verrat ist die gültige Währung. Gleichzeitig kämpft in der Abgeschiedenheit einer Klinik auf dem Venusberg die junge Logopädin Sonja Engel mit Willy Brandt um seine Stimme, die ihm noch in der Wahlnacht versagte. Doch auch sie gerät unter Druck. Beide Frauen sind erpressbar. Für Hilde steht ihre Existenz auf dem Spiel, Sonja will ihre kleine Schwester beschützen. Wie werden sie sich entscheiden? Die Presse zu Bühlerhöhe: »Das Buch lässt Raum zum Denken. Es ist eine Symbiose aus vielen Genres: Heimat- und Kriminalroman, Geschichtsbuch, aber auch die Darstellung von menschlichen Beziehungen, Sehnsüchten und Ängsten.« Brigitte WIR, Hannah Krekeler 'Selten wurde so spannend und sprachlich präzise über die Gründungszeit der Bundesrepublik geschrieben.' Verena Hagedorn, Barbara

Brigitte Glaser lebt seit über 30 Jahren in Köln. Bevor sie zum Schreiben kam, hat die studierte Sozialpädagogin in der Jugendarbeit und im Medienbereich gearbeitet. Heute schreibt sie Bücher für Jugendliche und Krimis für Erwachsene, u. a. ihre erfolgreiche Krimiserie um die Köchin Katharina Schweitzer. Mit Bühlerhöhe gelang ihr der Durchbruch.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

The Times They Are a-Changin'
Bonn, Sonntag, 19._11._1972

Dass er sich endlich die Haare schneiden lassen solle, pflaumte Kohlmeier Max Dorando immer an, wenn er seinen Dienst antrat. Bei Max ging der Satz zu einem Ohr hinein und zum anderen hinaus, während er erst die Mütze, die der Chef ihm zuwarf, und dann die Autoschlüssel auffing. Wie in einem oft geprobten Theaterstück wusste er genau, dass Kohlmeier, während er sich die Haare unter die Mütze schob, »dass mir keine Klagen kommen« sagen würde, und natürlich tat er es. Anstatt zu antworten, griff Max nach Portemonnaie und Quittungsblock und fragte, ob er einen Vorschuss in bar bekommen könne. Mit Missbilligung auf der Stirn nestelte Kohlmeier ein Schlüsselchen aus der Westentasche, sperrte damit die Geldschublade auf, zählte Max fünf Zwanzigmarkscheine auf den Tisch und ließ sich den Betrag quittieren. Im Gegenzug förderte Max aus den Hosentaschen die Überbleibsel zutage, die Kunden in seiner letzten Schicht im Taxi vergessen hatten. Diesmal war nichts dabei gewesen, was eine Unterschlagung lohnte. Er legte einen schweren Füllfederhalter, einen roten Baumwollschal und ein Taschentuch mit dem Monogramm MC auf den Tisch. Kohlmeier kramte alles zusammen und verstaute es im Fach unter der Geldschublade. Manches wurde tatsächlich abgeholt, anderes staubte so lange vor sich hin, bis es im Kohlmeier'schen Sinn reif zum Wegwerfen war.

Heute hatte es der Chef gut mit ihm gemeint und ihm den Audi_100, die neueste Anschaffung im Fuhrpark, zugeteilt. Eine Spießerkarre zwar, aber mit ordentlich PS unterm Hintern. Max schaltete den Sprechfunk ein, drückte die mitgebrachte Kassette - Led Zeppelin - in den Schlitz und drehte auf volle Lautstärke. Dann ließ er den Motor aufheulen, schoss mit quietschenden Reifen vom Parkplatz und drosselte das Tempo erst kurz vor dem Bahnhof, wo er den Audi auf den leeren Taxistand rollen ließ.

Während er auf den ersten Fahrgast wartete, trommelte er im Rhythmus der Musik aufs Lenkrad, schrie, wie Robert Plant schrie, und überlegte, wann und wo er Witiko Bonak endlich das Geld geben würde. Auf keinen Fall in seiner Werkstatt, da lungerte seit Neuestem einer herum, der wie Bud Spencer aussah und bestimmt kräftig zuschlagen konnte. Der Kerl stammte nicht aus der Venusberg-Siedlung, die alten Kumpels von Witiko kannte Max. Morgen zur Mittagszeit an der Uni-Mensa? Da herrschte ordentlich Betrieb, da würde Witiko keinen Aufstand machen, wenn er anstelle der dreihundertfünfzig erst mal nur hundert Mark kriegen würde. Überhaupt sollte der schön stille sein. Loswerden hatte er die Boxen wollen, keinen Tag länger hatten sie in der Werkstatt rumstehen sollen, er, Max, hatte ihm, so gesehen, einen Gefallen getan - aber mal ehrlich: Wer hätte zu zwei Spendor-BC1-Boxen Nein sagen können? Ein Wahnsinnssound, das Beste, was es zurzeit auf dem Markt gab. Deshalb hatte er auch nicht nachgefragt, wo Witiko die Boxen so billig bekommen hatte, die bei Elektro-Klüwer für tausendzweihundert Mark angeboten wurden.

Ein ungeduldiges Klopfen an der Fahrertür riss ihn aus seinen Gedanken. Ein langbeiniger Ami mit Cowboyhut wollte zur amerikanischen Botschaft gebracht werden. Max stellte das Radio aus und fuhr den Cowboy nach Godesberg, wo er ihn mit all seinen Koffern in der Deichmanns Aue unten am Rhein absetzte. Die Zentrale gönnte ihm keine Pause, er wurde sofort weiter zur britischen Botschaft geschickt. Dort ließ man ihn warten, und er betrachtete die Wahlplakate an der B_9. Stimmt! Wählen musste er auch noch. Willy, wen sonst? Da konnten die Kommunisten in der Schumann-Klause noch so sehr das Hohelied der DKP singen, er würde Willy wählen und seine Kreuzchen machen, sowie ihn eine Fuhre in die Nähe seines Wahllokals brachte. Der Engländer, der nun endlich auftauchte, wollte allerdings nicht zurück in die Stadt, sondern zum Flughafen. Auch recht, Max nutzte die Autobahn, um die PS-Stärke des Audi zu tes