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Weihnachten mit Punkt Punkt Punkt

Achtzehn eigenwillige Weihnachtsgeschichten | Marcus Gärtner; Dinah Sophie Fischer

E-Book (EPUB)
2018 Rowohlt Verlag Gmbh
Auflage: 1. Auflage
256 Seiten
ISBN: 978-3-644-40545-5

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Kurztext / Annotation
Alle Jahre Für und Wider Weihnachten ... Die Zeit der peinlichen Krippenspiele, der unbedachten Geschenke, der kleinen und großen Wunder. Man verbringt die Feiertage zu Hause, auf dem Weg dahin im Zug - oder auch mal als Weihnachtsbaum verkleidet in den Ecken fremder Wohnzimmer. Wir feiern einsam, zweisam oder stellen uns dem ganz großen Weihnachtschaos. Denn wenn wir mit unseren Lieben zusammenkommen, die wir nicht so oft sehen können (oder wollen), wenn sich alle in Schale werfen und in Unkosten stürzen - dann kann das auch mal schief gehen. Da gibt es viel zu erzählen. Komisches, Drastisches, Berührendes. Die hier versammelten Autorinnen und Autoren teilen mit uns ihren Blick auf Weihnachten: die stressigste und spannungsreichste, manchmal aber auch die schönste Zeit des Jahres! Mit Beiträgen von Carmen Korn, Heinz Strunk, Renate Bergmann, Lucy Fricke, Anne von Canal, Ralf König und vielen anderen.

Carmen Korn wurde 1952 in Düsseldorf als Tochter des Komponisten Heinz Korn geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule arbeitete sie als Redakteurin u.a. für den «Stern». Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Kirsten Fuchs, 1977 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geboren, gewann 2003 den renommierten Literaturwettbewerb Open Mike. Zwei Jahre später veröffentlichte sie ihren vielgelobten Debütroman «Die Titanic und Herr Berg». Es folgten «Heile, heile» und «Mädchenmeute», für das sie den Deutschen Jugendliteraturpreis erhielt. Der Roman wurde zum Bestseller, 2021 erschien die Fortsetzung «Mädchenmeuterei». 2022 wurde Kirsten Fuchs mit dem W.-G.-Sebald-Literaturpreis ausgezeichnet. Renate Bergmann, geb. Strelemann, wohnhaft in Berlin. Trümmerfrau, Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfach verwitwet: Seit Anfang 2013 erobert sie »das Interweb« mit ihren absolut treffsicheren An- und Einsichten - und mit ihren Büchern die ganze analoge Welt. Torsten Rohde, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann, der vom Leben einer Online-Omi erzählt, entwickelte sich zum Internet-Phänomen. «Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker» unter dem Pseudonym Renate Bergmann war seine erste Buch-Veröffentlichung - und ein sensationeller Erfolg -, auf die zahlreiche weitere, nicht minder erfolgreiche Bände und ausverkaufte Tourneen folgten. Tex Rubinowitz, geboren 1961 in Hannover, lebt seit 1984 als Witzezeichner, Maler, Musiker und Schriftsteller in Wien. 2014 erhielt er den Bachmann-Preis. Ralf König, 1960 in Soest geboren, Studium der freien Graphik an der Kunstakademie Düsseldorf, ab 1980 Comic-Veröffentlichungen in diversen Schwulenmagazinen. Durchbruch mit Der bewegte Mann (1987), der als Comic wie als Film ein großes Publikum eroberte. Vielfache Auszeichnungen (u. a. 2010 mit dem Max-und-Moritz-Preis für den besten Comic-Strip für Prototyp und Archetyp). Seine Comics sind in 18 Sprachen übersetzt. Zahlreiche Ausstellungen, z.B. 2012 Das Ursula-Projekt im Kölnischen Stadtmuseum zu den Elftausend Jungfrauen. 2014 erhielt er den Max-und-Moritz-Preis für sein Lebenswerk. Till Raether, geboren 1969 in Koblenz, arbeitet als freier Autor in Hamburg, u.a. für das SZ-Magazin. Er wuchs in Berlin auf, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München, studierte Amerikanistik und Geschichte in Berlin und New Orleans und war stellvertretender Chefredakteur von Brigitte. Sein Sachbuch «Bin ich schon depressiv, oder ist das noch das Leben?» stand 2021 wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Seine Romane «Treibland» und «Unter Wasser» wurden 2015 und 2019 für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert, alle Bände um den hypersensiblen Hauptkommissar Danowski begeisterten Presse und Leser. Band 2 «Blutapfel» wurde vom ZDF mit Milan Peschel in der Hauptrolle verfilmt, weitere Danowski-Fernsehkrimis sind in Vorbereitung. Till Raether ist verheiratet und hat zwei Kinder. Jenni Zylka, geboren 1969, ist schon seit ewigen Zeiten freie Journalistin (u.a. für taz, Tagesspiegel, rbb, Spiegel Online, WDR, Rolling Stone), Drehbuchautorin, Moderatorin und Auswahlkommissarin für die Berlinale. Bei Rowohlt erschien 2003 ihr Roman «1000 neue Dinge, die man bei Schwerelosigkeit tun kann», und 2004 der Roman «Beat, Baby, Beat». Anselm Neft, geboren 1973 in Bonn, studierte Vergleichende Religionswissenschaft, Vor- und Fru?hgeschichte, Volkskunde sowie Philosophie. Seit 2016 lebt er als Autor und Publizist in Hamburg, wo er den Literaturpodcast «Laxbrunch» unterhält. Seinen letzten Roman «Die bessere Geschichte» feierte die Kritik als so «mutigen wie bewegenden Roman» (Frankfurter Allgemeine Zeitung). 2018 las er auf Einladung von Nora Gomringer bei den Klagenfurter Tagen der deutschsprachigen Literatur.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Carmen Korn

Weihnachten mit einem Traum
Dezember 1957

Nur zwei Zeilen hatte er noch im Kopf. Weiß sind Türme, Dächer, Zweige, Und das Jahr geht auf die Neige. Ernst Lühr blätterte in dem in Leinen gebundenen Band mit den Balladen und Gedichten von Theodor Fontane.

Er war nicht der rechtmäßige Besitzer des Buches, hatte es versehentlich in den Karton gepackt, als er seine Habseligkeiten an sich nahm nach der Trennung von Henny. Neun Jahre war das her. Das Buch gehörte seiner einstigen Schwiegermutter, nun hatte er zu lange versäumt, Fontanes Lyrik an Else zurückzugeben.

Eine dritte Zeile fiel ihm ein: Und das schönste Fest ist da. Das war es für ihn schon lange nicht mehr. Das schönste Fest. Stattdessen dieses Spektakel in der Schule: Krippenspiel der ersten Klassen, Basar. Gut, dass er eine vierte unterrichtete in der Volksschule Angerstraße, da wurden zumindest keine Sterne aus Goldfolie mehr gebastelt. Doch der Schulleiter hatte den Kollegen Lühr eigens um andere Beiträge zum Advent gebeten. Eine Mutter habe sich beschwert, in seinem Unterricht ginge es viel zu nüchtern zu, nicht einmal Gedichte lernten die Kinder mehr, dabei sei ihr Sohn noch angehalten, eines aufzusagen vor der Bescherung.

Keine Verse zum Advent, ausgerechnet dieses Gedicht fehlte im Buch, doch was da auf einmal zwischen den Seiten lag, ließ ihn erschrecken. Dabei war es nur ein kleines Bild mit Büttenrand, das einen Heiligabend bei ihnen zu Hause festgehalten hatte, bevor ihr Heim in Schutt und Asche gefallen war.

Er hatte gern fotografiert mit der Agfa Box, ein Weihnachtsgeschenk von Henny, 1930, ihr erstes gemeinsames Fest. Ihm hatte daran gelegen, das Familienleben in Bildern zu dokumentieren, mit großer Sorgfalt waren sie von ihm in zwei Alben geklebt worden. Alles verbrannt in jener Bombennacht des Jahres 1943.

Ernst Lühr klappte das Buch zu, versuchte auch, die Erinnerungen zuzuklappen, ganz unnütz, an all das zu denken. Er trat an das Fenster, das zur Straße hinausging, blickte auf die Klinkerhäuser der Nachkriegszeit. Schneeflocken vor dem Fenster, sie schmolzen, kaum dass sie den Asphalt berührten.

Waren die Winter damals kälter gewesen? Die Schlittenfahrten mit den Kindern am Hang des Kuhmühlenteiches fielen ihm ein, die hatten auch ihn erfreut. Der Kakao und der Rosinenklöben, wenn sie wieder in der warmen Stube saßen. Der Tannenduft.

Vielleicht sollte er doch einem alten Weihnachtsgefühl nachspüren, in die Straßenbahn steigen und zum Jungfernstieg fahren, die Schaufenster des Alsterhauses betrachten, an denen sich Kinder die Nasen platt drückten? All dieses Spielzeug, das es nun gab.

Ernst Lühr stellte das Buch zurück in das Bord. Unnütze Erinnerungen und Gedanken. Seine Viertklässler würde er Hans Christian Andersens Text Der Tannenbaum lesen lassen. Ein Lehrstück über die Vergänglichkeit des Glanzes.

 

Die Sonntage waren am schlimmsten, vor allem im Winter, vor allem im Advent. Er war schließlich doch noch aus der Wohnung geflohen, hatte sich in die Straßenbahn gesetzt, nicht zum Jungfernstieg, Ernst Lühr fuhr zur Kirmes am Heiliggeistfeld. Vielleicht tat ihm das bunte Treiben des Weihnachtsdoms gut.

Doch kaum bunt zu nennen, das Treiben an diesem nieseligen Abend. Da saßen sie alle lieber gemütlich vor dem Adventskranz, blickten in die Kerzen, aßen Spritzgebäck, schlichen nicht über matschige Wege auf dem Dom herum.

Er versank eine Weile in den Anblick des Kettenkarussells, Klaus war vier Jahre alt gewesen, als er bei ihm dort auf dem Schoß saß, der eiserne Bügel hielt das Kind gut fest, Ernst hatte dennoch den linken Arm schützend um den Sohn gelegt, sich nur mit der rechten Hand an der Kette festgehalten. Klaus hatte gejauchzt, daran erinnerte er sich genau, auch wenn Henny später behauptete, der Kleine habe