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Totenhaus

Thriller | Bernhard Aichner

E-Book (EPUB)
2015 Btb
416 Seiten
ISBN: 978-3-641-15572-8

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Kurztext / Annotation
Bei einer Exhumierung auf einem Innsbrucker Friedhof werden in einem Sarg zwei Köpfe und vier Beine gefunden. Schnell wird klar, dass es sich um ein Verbrechen handeln muss, dass hier die Leichenteile eines vor einem Jahr spurlos verschwundenen Schauspielers liegen. Nur eine Person kommt als Täterin in Frage: die Bestatterin, die die Verstorbene damals versorgt und eingebettet hat. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Brünhilde Blum den Schauspieler getötet hat. Doch die ist wie vom Erdboden verschluckt ...

Bernhard Aichner (1972) lebt als Schriftsteller und Fotograf in Innsbruck. Er schreibt Romane, Hörspiele und Theaterstücke. Für seine Arbeit wurde er mit mehreren Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet, zuletzt mit dem Burgdorfer Krimipreis 2014, dem Crime Cologne Award 2015 und dem Friedrich Glauser Preis 2017.

Die Thriller seiner 'Totenfrau'-Trilogie standen monatelang an der Spitze der Bestsellerlisten. Die Romane wurden in 16 Länder verkauft, u.a. auch nach USA und England. Mehrere seiner Romane wurden verfilmt, u.a. seine Totenfrau-Trilogie für Netflix/ORF.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Man hört, wie sie atmet. Auf dem alten Teppich ihr Gesicht. Irgendwo im Schwarzwald auf einem Hügel, sie hat keine Kraft mehr. Da ist kein Gedanke mehr, der guttut, kein Wort, keine Berührung, nichts mehr. Eine Frau am Boden, allein, die Kinder weit weg, sie hört sie nicht, spürt sie nicht, sie wird sie nicht wiedersehen, sie nie wieder küssen, ihr Weinen nicht mehr hören, ihr Lachen. Weil sie sterben wird. Weil sie auf diesem Teppich liegen bleiben und tot sein wird. In wenigen Stunden schon.

Wie es brennt. Ihr Hals ist eine Wunde, alles tut weh. Ihr Mund ist eine Wüste, ihre Zunge ein Stück Dörrfleisch, das Schlucken eine Qual. Kein Speichel mehr, kein Tropfen Wasser, nichts, das abwendet, was kommt. Sie wird das Bewusstsein verlieren, ihre Organe werden versagen, die Nieren, die Lunge, ihr Körper wird aufhören zu funktionieren, sie kann nichts dagegen tun, sich nicht mehr wehren, nicht mehr gegen die Tür treten, an den Wänden kratzen. Sie hat keine Kraft mehr, sie weiß nicht mehr, wie lange sie schon hier ist, wie viele Stunden, ohne zu trinken, wie oft es Nacht war, seit sie gehört hat, wie sich der Schlüssel gedreht hat. Wann der Tag aufhört, wann er beginnt, sie weiß es nicht.

Keine Fenster, kein Licht von außen. Nur der Kronleuchter an der Decke, die barocken Vorhänge, das Himmelbett, die Jugendstilmöbel und der riesige Spiegel mit dem goldenen Rahmen. Sie sieht sich, wenn sie die Augen offen lässt. Ihr Gesicht, ihre Lippen, keine Bewegung zu viel, sie darf ihre Kraft nicht verschwenden, sie muss wach bleiben. Immer wieder hebt sie kurz ihren Kopf, leicht nur, für zwei Sekunden lang schwebt ihre Wange über dem Boden, weil sie wissen will, ob sie es noch kann, ob sie aufstehen könnte, wenn er kommen würde. Ob sie noch aus eigener Kraft zurückkönnte in ihre Welt. Weil vielleicht doch noch ein Wunder passiert, weil jemand ihr Bitten erhört, ihr Flüstern. Deshalb muss sie wach bleiben, sie darf nicht abtauchen ins Trübe, klar denken will sie, sich erinnern. Wer sie ist. Wie sie heißt. Wie ihr Leben war. Immer wieder wiederholt sie es, wie ein Gebet ist es. Was sie sagt. Ihre kleine verhungerte Stimme. Brünhilde Blum. Ich bin Bestatterin, ich lebe in Innsbruck, ich habe zwei Kinder. Ich will leben, sagt sie und erstickt fast an dem Klumpen in ihrem Mund.

Nur noch ein leises Flüstern ist es, kaum hörbar. Mein Name ist Blum. Weil sie ihren Vornamen immer schon gehasst hat, weil sie ihn nicht mehr wollte, als sie sechzehn war. Ich heiße Blum. Für wenige Sekunden hebt sich wieder ihr Kopf. Ich habe zwei Kinder. Uma und Nela. Sie muss sich um sie kümmern, sie darf sie nicht alleinlassen, nicht aufhören zu leben, nicht auf diesem Teppich liegen bleiben. Sie muss weiteratmen, darf die Augen nicht schließen, nicht einschlafen. Sie muss die kleinen Zauberwesen beschützen, sie in den Arm nehmen, das ist alles, was sie will. Es wiedergutmachen. Sie nie wieder allein lassen. Doch zu weit weg sind sie, Blum weiß, dass sie nichts mehr für sie tun kann, sie macht sich nur noch etwas vor, nur ein weiterer unerfüllter Wunsch ist es. Sie kann sie nicht zu sich holen, nicht einfach aufstehen und aus dem Zimmer gehen, nicht zu ihnen fahren und sie in den Arm nehmen. Sie kann nicht zurück in ihr altes Leben, sogar dann nicht, wenn das Wunder eintreten sollte, das sie sich herbeisehnt. Wenn die Tür aufgehen und Wasser in ihren Mund rinnen sollte. Blum wird nie wieder ihr Haus betreten, sie wird nie wieder in ihrem Garten sitzen und Wein trinken. Da ist nichts mehr von dem, was war, die Welt hat sich gedreht, sie wird hier zugrunde gehen wie ein angeschossenes Tier, anstatt für ihre Kinder zu kochen. Anstatt mit ihnen auf der Couch zu sitzen und ihnen vorzulesen. Der Geschmack in ihrem Mund sagt ihr, dass es nicht mehr lange dauern wird. Der Uringeruch und diese Stille. Alles hört auf.

Kein Laut ist zu hören von draußen. W



Bernhard Aichner, geb. 1972, lebt als Schriftsteller und Fotograf in Innsbruck. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien.