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Euren Applaus könnt ihr euch sonst wohin steckenOverlay E-Book Reader

Euren Applaus könnt ihr euch sonst wohin stecken

Nina Böhmer

E-Book (EPUB)
2020 Harpercollins
Auflage: 1. Auflage
208 Seiten
ISBN: 978-3-7499-5037-9

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Kurztext / Annotation

»Ich wünsche mir, dass die Versorgung an erster Stelle steht und nicht die Fallpauschale.«
Nina Böhmer arbeitet in der Pflege, seit sie sechzehn ist. Ihr Beruf macht ihr großen Spaß. Eigentlich. Doch als sich während der Corona-Krise die ohnehin schlechten Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte noch mal verschärfen, platzt ihr der Kragen. Auf Facebook veröffentlicht sie eine Wutbotschaft, in der sie erklärt, warum sie viele Entscheidungen der Politik nicht nachvollziehen kann und warum sie es irgendwie als Hohn empfindet, wenn ihr auf einmal Applaus von Balkonen entgegenschallt. - Wo war der eigentlich vorher? Und wieso war er so schnell wieder vorbei?
Nina Böhmer nimmt uns mit an die Front ihres Berufsalltags und bringt es auf den Punkt: Profitabilität darf nicht der alleinige Maßstab unseres Gesundheitssystems sein. Es muss um die bestmögliche Behandlung der Patienten und zugleich um die Menschen gehen, die sich von Berufs wegen um Kranke und Pflegebedürftige kümmern. Es geht in ihrem Buch aber auch um Sexismus am Arbeitsplatz, um kaum haltbare Bedingungen während der Ausbildung, die Nonstop-Belastung im Alltag und Bürokratie im Job sowie um das Modell des 'Leasings' von Pflegekräften.
Rebellisch, kritisch, wahr - ein Buch über die Unzulänglichkeiten der Politik, aber auch darüber, warum für Nina Böhmer ihr Job trotz allem der schönste der Welt ist.

»Im April, als auch Kliniken teilweise auf Kurzarbeit umschwenkten, setzte sie sich hin und schrieb. Herausgekommen ist eine 208 Seiten starke, kritische Abrechnung mit dem modernen Gesundheitssystem in Deutschland, verwoben mit der persönlichen Geschichte der Krankenpflegerin und immer mit dem Fokus auf die aktuelle Corona-Krise. Böhmer schreibt in klarer, verständlicher Sprache, teils sachlich, teils emotional, und spickt ihre Kritik immer wieder mit Studien oder auch praktischen Vorschlägen zum Thema. Es stehen zu wenig Corona-Tests für medizinisches Personal zur Verfügung? Wie wäre es zum Beispiel, auf dem Höhepunkt der Krise nicht Fußballprofis zu testen, sondern Ärzte und Pflegekräfte? Dieser Kunstgriff, immer wieder praktische Vorschläge einzuweben, lässt das Buch leichter wirken, als es der durchaus schwerwiegende Inhalt vermuten lässt, schließlich geht es im Wortsinn um Leben und Tod.« Neue Osnabrücker Zeitung



Nina Böhmer, Jahrgang 1992, ist in Brandenburg geboren und aufgewachsen. Nach der Schule machte sie ihren Abschluss als staatlich anerkannte Sozialassistentin, arbeitet danach für einen Pflegedienst und begann 2012 ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Seitdem arbeitet sie in Berliner Krankenhäusern. Nina Böhmer wusste schon als Kind, dass sie einmal einen Beruf ausüben wollte, mit dem sie Menschen hilft. Heute wünscht sie sich nichts mehr, als dass der Staat sich stärker für das Gesundheitssystem und ihren Berufsstand einsetzt. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde sie durch ihre Wutbotschaft »Euren Applaus könnt ihr euch sonst wohin stecken«, die sie am 23. März 2020 auf Facebook postete.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

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TRAUMBERUF »ÄRZTERIN«

Ich bin keine Samariterin. Aber ich habe früh in meinem Leben den Wunsch verspürt, Kranken zu helfen, damit sie - wie man so schön sagt - schnell wieder auf die Beine kommen. Der Impuls, für Schwächere da zu sein, treibt mich bis heute. Er ist es, der mich morgens um 5 Uhr aufstehen lässt, um zur Frühschicht zu gehen. Er motiviert mich, den Stress und manchmal auch den Irrsinn eines Krankenhauses auszuhalten. Mein Job wird garantiert nie vergnügungssteuerpflichtig sein. Für mich ist er dennoch auch Vergnügen. Es bereitet mir Freude, für andere da zu sein. Schon als Kind stand für mich fest, dass ich, wenn ich groß und stark bin, einen Beruf ausüben werde, der es mir - klingt pathetisch, ist aber wahr - ermöglicht, Dienst am Menschen zu tun.

Eine Zeit lang favorisierte ich Physiotherapeutin, dann wieder Pathologin. Am Ende wurde ich Krankenschwester - und das war gut so. Als kleines Mädchen wollte ich eigentlich unbedingt Ärztin werden. Ich war noch zu klein, um das Wort meines Traumberufs richtig aussprechen zu können, und sagte »Ärzterin«. Ich liebte es, in Büchern über Mediziner und ihr Schaffen zu blättern. Ich hatte ein medizinisches Lexikon für Kinder, in dem in einfachen Worten erklärt wurde, was ein Stethoskop ist, warum man Menschen röntgt und was Bakterien und Viren anstellen können. Ich erfuhr spannende Dinge aus der Geschichte der Medizin, was die Pest im Mittelalter anrichtete und wie Operationssäle vor hundert Jahren aussahen.

Aus Papiervorlagen bastelte ich menschliche Körper. Und ich spielte stundenlang mit dem alten Verbandskasten aus dem Auto meiner Eltern. Vor allem das Verbandszeug und Pflaster hatten es mir angetan. Ich übte, meistens an mir selbst, Verbände an Armen und Beinen anzulegen. Wenn es in der Schule hieß, wir sollten ein Referat halten, entschieden sich andere Mädchen und Jungen für Ausarbeitungen über Tiere oder Naturereignisse. Ich widmete mich Themen wie Bulimie oder Magersucht. Ich weiß bis heute nicht, warum mich schon als Schülerin Krankheiten so fesselten - und vielleicht dachten auch einige in der Klasse, ich sei merkwürdig. Das war mir egal. Meine Großeltern nahmen mich als Zehnjährige mit zu der allerersten Berliner Ausstellung »Körperwelten« von Gunther von Hagens, der Mann, der Leichen »plastiniert« und öffentlich präsentiert. Die Schau im Jahr 2001 war hochumstritten, was ich als Kind nicht mitbekam. Ich war jedenfalls begeistert.

Im Unterricht hatte ich Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren. Die Lehrer bescheinigten mir, leicht ablenkbar und träumerisch zu sein - und ich wage nicht, es zu bestreiten. Aber ehrlich gesagt, war ich auch ziemlich faul. Einige Fächer interessierten mich zu wenig oder gar nicht, weshalb ich nicht für sie lernte. Ich beendete die Schule mit einem erweiterten Hauptschulabschluss.

Im Rückblick glaube ich, dass es unser Schulsystem jungen Leuten nicht gerade leicht macht, sich auf das Berufsleben vorzubereiten. Wie viele Jugendliche wissen mit 16 Jahren noch immer nicht, was sie später werden wollen. In handwerkliche Berufe zieht es die wenigsten. Wie viele Sachen, die man in der Schule lernen muss, nutzen einem später? Die meisten geraten doch ganz bald in Vergessenheit. Ich finde, man erfährt in der Schule nicht genug Wichtiges fürs Leben. Wie wäre es mit einem Unterrichtsfach, in dem man ganz speziell auf das Leben im Erwachsenenalter vorbereitet wird, in dem man Wissen vermittelt bekommt, das einem hilft, im Alltag besser klarzukommen? Warum bekommt man nicht beigebracht, auf was man beim Abschluss von Verträgen mit dem Vermieter, der Versicherungsfirma und dem Energielieferanten oder worauf man bei der ersten Steuererklärung achten soll? Oder wie man einen Kredit aufnimmt und das Tappen in die Schuldenfalle vermeidet?

In der 9. Klasse sollte sich jeder für zwei Wochen einen Praktikumsplatz suchen, um zu testen, welcher Beruf zu einem passt