Buchhandlung Spazierer

Suche

WolfsfährtenOverlay E-Book Reader

Wolfsfährten

Alles über die Rückkehr der grauen Jäger | Andreas Beerlage

E-Book (EPUB)
2017 Gütersloher Verlagshaus
240 Seiten
ISBN: 978-3-641-21652-8

Rezension verfassen

€ 15,99

in den Warenkorb
  • EPUB sofort downloaden
    Downloads sind nur in Österreich möglich!
Kurztext / Annotation
»Eine sachliche Diskussion über den Umgang mit Wölfen ist zwingend nötig.« (Andreas Beerlage)
Über 160 Jahre lang war Deutschland wolfsfreie Zone, nun ist er wieder zurück und vermehrt sich jährlich um 30 Prozent. Seine Rückkehr stößt auf ein geteiltes Echo: Während er Wolfskuschlern als Projektionsfläche für romantisch-diffuse Sehnsüchte dient, ist er für Wolfshasser ein personifiziertes Unbehagen.
Der Wolfsexperte Andreas Beerlage wirft einen frischen Blick auf die Themenwelt rund um den Wolf. Warum polarisiert die Rückkehr der Wölfe so sehr? Sind Wölfe wirklich gefährlich? Es gibt einen Weg, Natur und Wildnis in unser modernes Leben zu integrieren.
Mit umfangreicher Wolf-Populationskarte Deutschlands.
  • Zwischen Faszination und Angst
  • Alles, was man über Wölfe wissen muss
  • Ist in Deutschland Platz für Wölfe?
  • DAS Buch zur Versachlichung der aktuellen Debatte


Andreas Beerlage, geboren 1965, ist freier Journalist mit Schwerpunkten in Natur- und Wissenschaftsthemen (u. a. für Stern, GEO Spezial, Spiegel-Verlag, ManagerMagazin, Mare, ZEIT). Er lebt in Hamburg und schreibt mit Vorliebe Artikel mit Tieren in der Hauptrolle: über Homöopathie für Kühe; über Waschbären, die seltene Sumpfschildkröten gefährden; über die Rückkehr der Wilderei; über die Invasion der Tigermücke und über Nandus vor Lübeck. Darüber hinaus folgt er seit mehr als 15 Jahren beruflich wie privat den Fährten der zurückgekehrten deutschen Wölfe. Er war Mitbegründer und Chef vom Dienst der (inzwischen eingestellten) Zeitschrift 'WALD', die 2014 für LEAD- und ADC-Award nominiert wurde.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1. GEKOMMEN, UM ZU BLEIBEN?

Die Rückkehr der Wölfe

Ein Eichelhäher zetert. Eine Granate explodiert. Es ist sehr heiß, über 30 Grad. Hochgewachsene Fichten und Kiefern spenden etwas Kühle in ihrem Schatten. Im Sommer 2015 spaziere ich auf einem kleinen Waldweg ganz im Osten der Republik, bei Rietschen. Die bekannteren Orte hier in der Gegend sind Bad Muskau und Görlitz. Mein Weg führt südlich entlang des Truppenübungsplatzes Oberlausitz, der zur Muskauer Heide gehört, einer großflächigen, zum Teil dicht bewaldeten Sanddünenlandschaft an der sächsischen Grenze zu Polen. In regelmäßigen Abständen aufgestellte Warnschilder legen mir nahe, nicht in nördlicher Richtung in den Kriegsschauplatz einzudringen.

Das Wasser des Flüsschens Raklitza glitzert hinter dichtem Blattwerk. Ein fremd klingender Name? Rietschen liegt im Sorbenland, dem Land der deutschen Slawen. Ich höre mehr Gedonner hinter den Nadelbäumen. Doch es ist nicht die Tatsache, dass gar nicht so fern von mir Krieg gespielt wird, die mir an diesem Sommertag ein unpassend mulmiges Gefühl gibt. Es ist die Anwesenheit des Wolfes. Ich weiß genau, dass einer der Räuber hier lauern könnte oder gleich mehrere. Die Lausitz ist das Kernland der deutschen Wölfe, seit Ende der 1990er-Jahre.

Vielleicht duckt er sich hinter diesen hoch aufgeschossenen Fichten, hinter den Schildern, irgendwo dort im Heidesand, seine ausdrucksvollen Augen auf mich gerichtet, mit der leuchtend gelben Iris, dunklen Pupillen und einem markanten schwarzen Ring herum, wie mit einem Kajalstift gemalt.

Natürlich begegnet mir keines der Tiere, sie sind ja sehr vorsichtig. Und sie werden sich schon aus dem Staub machen, wenn sie mich hören, sehen, riechen, denke ich. Aber was, wenn ein Rudel jetzt auftauchte? Wie würde ich mich dann verhalten? Ich habe mein altes verrostetes Opinel-Taschenmesser dabei. Und weiß selbst, wie albern das ist.

Nach 20 Minuten Spaziergang stehe ich vor einem kleinen Denkmal aus Naturstein, einer Pyramide von Findlingssteinen: »Jahr 2000 - Wölfe in Deutschland«. Der Wald öffnet sich hinter dem Gedenkstein zum Halbrund eines Erdsturzes an einem sandigen Hang, etwa so groß wie ein Tennisplatz. Im Frühling 2000 kamen hier in der Muskauer Heide, ausgerechnet auf einem Truppenübungsplatz, die ersten deutschen Wölfe seit mindestens 100 Jahren zur Welt. Manche reden sogar von 150 wolfsfreien Jahren. So genau ist das nämlich nicht zu fassen.

Früher war der Wolf überall in deutschen Landen heimisch, davon sprechen unzählige Orts- und Flurnamen: Wolfstal, Wolfsbruch, Wolfsberg, wer mag, kann die Liste gerne vervollständigen. Um 1850 herum gab es dann, nach intensiver Jagd auf den Räuber, nur noch ein paar Einzeltiere, wohl meist auf der Wanderschaft von Polen in Richtung Westen. Der stille Zuzug ist nie versiegt, doch solche Einzeltiere hatten keine große Lebenserwartung.

In der DDR stand der Wolf zum Abschuss frei, vielleicht auch deshalb, weil man Angst hatte, die Grauhunde könnten den hohen Parteifunktionären auf staatlicher Jagd das Wild vor der Büchse wegfressen. Und wenn ein Tier dann einmal die Westwanderung durch den Arbeiter- und Bauernstaat schaffte, war doch am Eisernen Vorhang endgültig Schluss.

Es gibt allerdings Gerüchte, dass sich hin und wieder ein Exemplar an den Selbstschussanlagen vorbeimogeln konnte. So ganz »wolfsfrei« waren die hiesigen Breiten also nie. Neben dem legendären niedersächsischen »Würger vom Lichtenmoor« (er wird uns in Kapitel 3 das Grausen lehren) wurden von 1948 bis 1991 immerhin 24 Wölfe auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland geschossen, 13 davon auf dem der ehemaligen DDR.

Nach dem Mauerfall waren die Wölfe dann in ganz Deutschland strengstens geschützt, seit 1992 im Rahmen einer rigiden EU-Richtlinie, die das Bundesnaturschutzgesetz umsetzt. Die BRD hatte den Wolf schon früher, nämlich 1980, unter Schutz gestellt.

Doch