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Patrioten

Eva Rossmann

E-Book (EPUB)
2017 Folio Verlag
Auflage: 1. Auflage
360 Seiten
ISBN: 978-3-99037-070-4

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Kurztext / Annotation
Nationalismus, Terror, Hass. Die Angst geht um in Europa. Der Vorsitzende der Patriotisch Sozialen wird ans Kreuz genagelt. Den Nationalisten gibt das noch mehr Aufwind. Christliches Abendland gegen Islam. Was sind schon Fakten? Hautnah erleben sie es mit: Frau Klein, die im Zweiten Weltkrieg ein Kind war. Herr Pribil, immer im Widerstand und plötzlich verliebt. Die Syrerin Sina, deren Mann verschwunden ist. Wech, David, Jennifer ... ES hetzt in den sozialen Medien. Kann uns nur mehr ein neuer Führer retten?

Eva Rossmann, 1962 geboren, lebt im Weinviertel / Österreich. Verfassungsjuristin, politische Journalistin, ORF-Pressestunde, Ressortleiterin für Innen- und Europa-Politik, seit 1994 freie Autorin und Publizistin. Sachbücher, Kriminalromane zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen, Köchin, Drehbuchautorin, TV- und Radio-Moderatorin des ORF. Bei Folio die preisgekrönten Mira-Valensky-Krimis, zuletzt: Gut, aber tot (2016). www.evarossmann.at

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

[ 1. ]

Sie haben ihn ans Kreuz geschlagen. Die Gäste sind schon gegangen, als Frau Klein es hört. Seit ihr Mann tot ist, dreht sie das Radio auf, wenn sie allein ist. Nicht, dass Jakob viel gesprochen hätte. Im Gegenteil. In den letzten Jahren war er zunehmend verstummt. So, als ob ein Teil von ihm bereits weggegangen wäre. Frau Klein sieht auf die Teller neben dem Geschirrspüler. Kuchenreste. Ulrike isst nie auf. Weingläser. Eines davon ist halb voll. Frau Klein weiß nicht, wer es stehen lassen hat. Sie trinkt es aus. Man lässt nichts übrig. Damit ist sie aufgewachsen. Damals hat es auch weniger gegeben, was man übriglassen hätte können. Sie geht ins Wohnzimmer und schaltet den Fernseher ein.

Will ich wissen, wie es aussieht, wenn einer ans Kreuz geschlagen worden ist? Sie zögert, bevor sie auf Zwei drückt. Sie werden es nicht zeigen. Sie sollte das Geschirr in den Geschirrspüler geben und sich dann eine Tasse Tee machen. Julius Sessler interessiert sie nicht weiter. Auch wenn sie erst gestern über ihn geredet haben. In der Geist-Gottes-Pfarre. Es war mehr als ein Gespräch, eine Diskussion, eigentlich schon ein Streit. Sie hat zugehört, weil so etwas selten ist bei den Damen vom Sozialkreis. Julius Sessler sei ein wahrer Christ, hat Frau Ziegler gesagt. Julius Sessler sei ein Hetzer, hat Frau Weinwurm geantwortet. Jetzt war er ein Hetzer. Oder ein wahrer Christ. Wie Jesus ans Kreuz geschlagen. Bringt ihn das Gott näher?

Frau Klein konzentriert sich. Sie hat nicht wahrgenommen, worüber in den Fernsehnachrichten gesprochen wurde. An ihrem dreiundachtzigsten Geburtstag.

Mein dreiundachtzigster Geburtstag, denkt sie.

Sie wundert sich, dass ihr nicht mehr dazu einfällt. Dass es keine Emotionen auslöst. Kein Bedauern, kein Staunen. Keinen Triumph. Man könnte schließlich triumphieren, wenn man so viele überlebt hat. Jetzt auch Julius Sessler. Und den eigenen Mann. Nein, bei ihm sicher kein Triumph. Niemals. Eher ein Gefühl, als ob sie etwas verlegt hätte, das darauf wartet, wiedergefunden zu werden. Sie muss nur ordentlich suchen. Es ist nicht verloren. Er ist nicht verloren. Auch wenn sie seine Sachen vor Monaten zur Caritas gebracht hat. Auch wenn sie natürlich weiß, dass er einen Schlaganfall gehabt hat, nur einen.

Mitten aus dem Leben gerissen, hat der Fernsehdirektor am Grab gesagt.

Jakob war dreiundachtzig. Wie sie. Was weiß der Fernsehdirektor schon davon, wie ihr Mann in den letzten Jahren immer seltener das Haus verlassen hat, wie seine Schritte klein und zögerlich geworden sind, wie er sich immer schwerer entscheiden konnte. Cordsamthose oder Anzughose. Weil Jogginghose für ihn nie in Frage kam, auch nicht daheim. Das ist eine Frage der Haltung, hat er gesagt.

- ... Haltung bewahrt, sagt jemand im Fernsehen.

Frau Klein sieht eine schlanke Frau mit blonden Haaren, die von zwei großen Männern in dunklen Anzügen flankiert wird. Sie kennt die Frau nicht. Sie tut ihr leid. Den beiden neben ihr kann man nicht entkommen. Frau Klein seufzt und schüttelt den Kopf. Wenn sie schon fernsieht, dann sollte sie sich konzentrieren. Das ist wohl die Witwe von Julius Sessler und die beiden stützen sie. Für Kinder sind sie zu groß. Zu alt, korrigiert sich Frau Klein. Wahrscheinlich Parteifreunde. Jetzt ist ein Hügel im Bild, der Frau Klein bekannt vorkommt. In dieser Gegend ist sie aufgewachsen. Hügel in der Nähe von Wien.

- ... wo Unfassbares geschehen ist, hört sie.

Offenbar auf dem Hügel. Golgatha zwischen Rebzeilen und Sonnenblumenfeldern. Schwenk auf ein Wegkreuz, ein kleines, mit einer verwitterten Christusfigur. Seit ihre Augen gelasert worden sind, sieht sie wieder annähernd scharf. Zwei Finger fehlen dem Jesus. Bleich schaut er ins Land. Stellvertretend jetzt au

Eva Rossmann, geb. 1962 in Graz, lebt im niederösterreichischen Weinviertel. Verfassungsjuristin, politische Journalistin. Seit 1994 freischaffende Autorin und Publizistin. Unter anderem schreibt sie regelmäßig für das Gastromagazin À la Carte. Eva Rossmann veröffentlichte zahlreiche Sachbücher und ihre Mira-Valensky-Krimis.