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Spiegel und LichtOverlay E-Book Reader

Spiegel und Licht

Roman | Hilary Mantel

E-Book (EPUB)
2020 Dumont Buchverlag Gruppe
Auflage: 1. Auflage
1104 Seiten
ISBN: 978-3-8321-8490-2

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Kurztext / Annotation
Regungslos verfolgt Cromwell die Hinrichtung der Königin, um dann mit den Siegern zu frühstücken. Der Sohn des Schmieds aus Putney taucht aus dem Blutbad des vergangenen Frühlings auf, um seinen Aufstieg zu Macht und Reichtum fortzusetzen. Zur selben Zeit gibt sich Henry VIII., der mehr und mehr zum unberechenbaren Gebieter wird, dem kurzlebigen Glück mit seiner dritten Königin hin, die schon bald bei der Geburt des lang ersehnten männlichen Thronfolgers sterben wird. Cromwell kann sich nur auf seinen Verstand verlassen, denn er hat weder eine starke adlige Familie noch eine private Armee hinter sich. Der Kampf mit dem Papst und der katholischen Welt Europas droht England zu zerreißen. Da sind die religiösen Rebellen im eigenen Land und die Verräter aus den eigenen Reihen, die sich im Ausland mit den Feinden verbünden. Und da ist der König, den nichts so sehr interessiert wie die Sicherung der Thronfolge. Trotz alldem sieht der weitsichtige Cromwell ein neues England im Spiegel der Zukunft - und ist für diese Vision zu jedem Opfer bereit. Doch kann eine Nation oder eine Einzelperson ihre Vergangenheit abwerfen wie eine Schlange ihre Haut? Was wird er tun, wenn die Toten sich nicht abschütteln lassen, wenn der König ihm sein Vertrauen entzieht? In >Spiegel und Licht< zeichnet Hilary Mantel die letzten Lebensjahre des Thomas Cromwell nach und entwirft ein eindrucksvolles Porträt von Jäger und Gejagtem, von dem erbitterten Wettstreit zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen königlichem Willen und der Vision eines einfachen Mannes: der Vision einer modernen Nation, die sich durch Konflikt, Leidenschaft und Tapferkeit selbst erschafft. Der lang erwartete dritte Band der Tudor-Trilogie! Für >Wölfe< (2009) und >Falken< (2012) wurde Hilary Mantel jeweils mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet.

HILARY MANTEL, geboren 1952 in Glossop, gestorben 2022 in Exeter, England, war nach dem Jurastudium in London als Sozialarbeiterin tätig. Für ihre Romane >Wölfe< (2010) und >Falken< (2013) wurde sie jeweils mit dem Booker-Preis, dem wichtigsten britischen Literaturpreis, ausgezeichnet. Bei DuMont erschien außerdem u. a. die Autobiografie >Von Geist und Geistern< (2015) und zuletzt der dritte Band der Tudor-Trilogie >Spiegel und Licht< (2020).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

II

Bergung

London, Sommer 1536

»Wo ist mein oranger Mantel?«, fragt er. »Ich hatte immer einen orangen Mantel.«

»Ich habe ihn nicht gesehen«, sagt der Junge, Christophe. Er sagt es voller Skepsis, als spräche er von einem Kometen.

»Ich habe ihn weggehängt. Bevor ich dich hergeholt habe. Als du noch jenseits des Meeres warst und in Calais einen Misthaufen mit deiner Anwesenheit gesegnet hast.«

»Sie verspotten mich.« Christophe ist beleidigt. »Dabei war ich es, der die Katze gefangen hat.«

»Hast du nicht!«, sagt Gregory. »Das war Dick Purser. Christophe hat nur die Jagdrufe ausgestoßen, und jetzt will er sich das Verdienst zuschreiben!«

Sein Neffe Richard sagt: »Sie haben den Mantel weggehängt, als der Kardinal zu Fall kam. Da waren Sie nicht mehr in der Stimmung dafür.«

»Ja, aber jetzt bin ich gut aufgelegt. Ich werde vor dem Bräutigam nicht als Trauernder erscheinen.«

»Nein?«, fragt Christophe. »Bei diesem König braucht man eine Wendejacke. Man weiß nie, ist es Sterben oder Tanzen?«

»Dein Englisch wird besser, Christophe.«

»Ihr Französisch ist wie immer.«

»Was erwartest du von einem alten Soldaten? Ich werde keine Verse mehr schreiben.«

»Aber Sie fluchen gut«, sagt Christophe ermutigend. »Besser als mein Vater, der, wie Sie wissen, ein großer Räuber und in der ganzen Provinz gefürchtet war.«

»Würde dein Vater dich heute erkennen?«, fragt Richard Cromwell. »Ich meine, wenn er dich heute sähe. Einen halben Engländer in der Livree meines Vaters?«

Christophe sacken die Mundwinkel herunter. »Wahrscheinlich haben sie ihn längst gehängt.«

»Macht dir das nichts?«

»Ich spucke auf ihn.«

»Das ist nicht nötig«, sagt er, Cromwell, tröstend. »Der Mantel, Christophe? Gehst du ihn suchen?«

Gregory sagt: »Das letzte Mal, als wir alle zusammen ausgegangen sind ...«

Richard sagt: »Nicht. Sag es nicht. Denk nicht mal an die andere.«

»Ich weiß«, sagt Gregory freundlich. »Meine Lehrer haben es mir eingeschärft, von Anfang an: Sprich auf einer Hochzeit nicht von abgeschlagenen Köpfen.«

Tatsächlich hat die Hochzeit des Königs schon tags zuvor stattgefunden - eine kleine, private Zeremonie. Sie kommen heute als Abordnung, um der neuen Königin zu gratulieren. Für gewöhnlich kleidet er sich in jene düsteren, teuren Farbschattierungen, die die Italiener berettino nennen: das Graubraun des Laubes zur Zeit des Festes der heiligen Cäcilia, das Graublau im Licht des Advents. Heute jedoch ist eine Anstrengung gefordert, und Christophe hilft ihm in sein Festgewand und bestaunt es, als Nennt-Mich hereingestürmt kommt: »Ich bin doch nicht zu spät?« Er weicht einen Schritt zurück. »Sir, das wollen Sie wirklich tragen?«

»Natürlich trägt er das!« Christophe ist beleidigt. »Ihre Meinung dazu ist nicht erwünscht.«

»Es ist nur so, dass auch die Leute des Kardinals Orange-Braun getragen haben, und wenn es den König daran erinnert ... Er wird möglicherweise nicht daran erinnert werden wollen ...« Nennt-Mich zögert. Das Gespräch vom gestrigen Abend liegt wie ein Fleck auf seinem eigenen Aufzug, wie etwas, das sich nicht herausbürsten lässt. Jetzt sagt er kleinlaut: »Natürlich, vielleicht mag der König den Mantel ja auch.«

»Wenn nicht, kann er mir sagen, ich soll ihn ablegen. Aufgepasst, dass er das nicht in Bezug auf Ihren Kopf sagt.«

Nennt-Mich zuckt zusammen. Er ist selbst für einen Rotschopf besonders empfindlich und schrumpft ein wenig, als sie hinaus in die Sonne treten. »Nennt-Mich«, sagt Gregory, »haben Sie gesehen, wie Dick Purser in den Baum hinauf ist und die Katze gefangen hat? Vater, kann er nicht etwas zusätzlich zu seinem Lohn bekommen?«

Christophe murmelt ein paar Worte. Eines davon klingt wie Ketzer.

»Was?«, fragt er.

»Dick Purser, ein Ketzer«, sagt Christophe. »Glaubt,