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Serotonin

Roman | Michel Houellebecq

E-Book (EPUB)
2019 Dumont Buchverlag Gruppe
Auflage: 1. Auflage
336 Seiten
ISBN: 978-3-8321-8442-1

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€ 9,99

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Kurztext / Annotation
Als der 46-jährige Protagonist von SEROTONIN, dem neuen Roman des Goncourt-Preisträgers Michel Houellebecq, Bilanz zieht, beschließt er, sich aus seinem Leben zu verabschieden - eine Entscheidung, an der auch das revolutionäre neue Antidepressivum Captorix nichts zu ändern vermag, das ihn in erster Linie seine Libido kostet. Alles löst er auf: Beziehung, Arbeitsverhältnis, Wohnung. Wann hat diese Gegenwart begonnen? In der Erinnerung an die Frauen seines Lebens und im Zusammentreffen mit einem alten Studienfreund, der als Landwirt in einem globalisierten Frankreich ums Überleben kämpft, erkennt er, wann und wo er sich selbst und andere verraten hat. Noch nie hat Michel Houellebecq so ernsthaft und voller Emotion über die Liebe geschrieben. Zugleich schildert er in SEROTONIN den Kampf und den drohenden Untergang eines klassischen Wirtschaftszweigs in unserer Zeit der Weltmärkte und der gesichtslosen EU-Bürokratie.

Michel Houellebecq, 1958 geboren, gehört zu den wichtigsten Autoren der Gegenwart. Seine Bücher werden in über vierzig Ländern veröffentlicht. Für den Roman >Karte und Gebiet< (2011) erhielt er den Prix Goncourt. Sein Roman >Unterwerfung< (2015) stand wochenlang auf den Bestsellerlisten und wurde mit großem Erfolg für die Theaterbühne adaptiert und verfilmt. Zuletzt erschien der Essayband >Ein bisschen schlechter< (2020).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

 

WIE ERWARTET, NAHM YUZU meine Entscheidung, unsere Urlaubszeit auf eine Woche zu verkürzen, gelassen auf und versuchte lediglich, nicht allzu erleichtert zu wirken; meine Begründung mit einer beruflichen Weisung schien sie sofort zu überzeugen, in Wirklichkeit war es ihr scheißegal.

Außerdem war es mehr als nur ein Vorwand, ich war nämlich tatsächlich abgereist, bevor ich meinen umfassenden Bericht über die Aprikosenerzeuger aus dem Roussillon eingereicht hatte, angewidert von der Nichtigkeit meiner Arbeit. Sobald die Freihandelsabkommen, über die gerade mit den Mercosur-Staaten verhandelt wurde, unterzeichnet wären, würde klar auf der Hand liegen, dass die Aprikosenerzeuger aus dem Roussillon keine Chance mehr hatten, der Schutz durch die Ursprungsbezeichnung »Rote Aprikose aus dem Roussillon« war bloß eine lächerliche Farce, der Vormarsch der argentinischen Aprikosen war unabwendbar, man konnte die Aprikosenerzeuger aus dem Roussillon im Grunde schon als tot betrachten, keiner, nicht ein einziger von ihnen würde übrig bleiben, nicht einmal ein Überlebender, um die Leichen zu zählen.

Ich war, ich glaube, ich habe es noch nicht erwähnt, im Landwirtschaftsministerium angestellt, im Wesentlichen bestand meine Arbeit im Verfassen von Mitteilungen und Berichten für Verhandlungsberater, die meist innerhalb der europäischen Verwaltungen saßen, manchmal auch in größeren Handelsrunden mit der Aufgabe, »die Positionen der französischen Landwirtschaft zu bestimmen, zu stützen und zu vertreten«. Meine Mitarbeit auf Vertragsbasis brachte mir ein hohes Gehalt ein, das deutlich über dem lag, was laut der geltenden Vorschriften einem Beamten zugestanden hätte. Dieses Gehalt war in gewisser Weise gerechtfertigt, die französische Landwirtschaft ist komplex und vielschichtig, und es gibt nicht viele, die die Herausforderungen all der verschiedenen Zweige meistern können, und meine Berichte stießen im Allgemeinen auf Wertschätzung, man würdigte meine Fähigkeit, auf den Punkt zu kommen, mich nicht in allzu vielen Zahlen zu verlieren, sondern im Gegenteil gewisse Kernelemente herauszuarbeiten. Andererseits könnte ich eine beeindruckende Reihe von Fehlern in meiner Verteidigung der landwirtschaftlichen Positionen Frankreichs aufzählen, doch diese Fehler waren im Grunde nicht meine gewesen, es waren viel unmittelbarer die Fehler der Verhandlungsberater gewesen, jener seltenen und eitlen Spezies, deren Arroganz durch ihre ständigen Misserfolge nicht im Mindesten gebremst wird, ich hatte einige von ihnen getroffen (nicht allzu häufig, meist kommunizierten wir per E-Mail), und ich war angewidert aus diesen Treffen herausgekommen, meist handelte es sich nicht um Agraringenieure, sondern um ehemalige Handelsschulabsolventen. Ich hatte von Anfang an nichts als Abscheu vor dem Handel empfunden und vor allem, was damit zusammenhing, die Idee eines »handelsgewerblichen Hochschulstudiums« war in meinen Augen eine Schändung des Studienbegriffs als eines solchen, aber letzten Endes war es normal, dass man junge, aus einer Handelsschule hervorgegangene Menschen mit dem Amt des Verhandlungsberaters betraute, Verhandlungen sind immer gleich, ob nun über Aprikosen, Spitzenkonfekt aus der Provence, Mobiltelefone oder Ariane-Raketen verhandelt wird, die Verhandlung ist ein eigenständiges Universum, das seinen eigenen Gesetzen gehorcht, ein allen Nicht-Verhandelnden auf ewig unzugängliches Universum.

Ich hatte meinen Bericht über die Aprikosenerzeuger aus dem Roussillon trotzdem wieder aufgenommen und mich damit in das obere Zimmer zurückgezogen (es war eine Maisonettewohnung), und schließlich hatte ich Yuzu eine Woche lang kaum zu Gesicht bekommen, an den ersten beiden Tagen hatte ich mir noch die Mühe gemacht, wieder zu ihr hinunterzugehen, die Illusion eines Ehebetts aufrechtzuerhalten, danach hatte ich es bleiben lassen, ich hatte mir angewöhnt, allein zu essen, in dieser tatsächlic