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Großmutters Haus

Roman | Thomas Sautner

E-Book (EPUB)
2019 Picus
Auflage: 1. Auflage
252 Seiten
ISBN: 978-3-7117-5390-8

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Kurztext / Annotation
Was ist ein gelungenes Leben? Die Begegnung mit der tot geglaubten, unkonventionellen Großmutter, die in einem verborgenen Haus mitten im Wald lebt, bringt einer jungen Frau unerwartete Erkenntnisse, die ihr Leben auf den Kopf stellen.

Malina lebt in der Großstadt, studiert und arbeitet nebenbei in einer Bücherei. Eines Tages bringt ihr der Postbote ein rätselhaftes Päckchen, prall gefüllt mit Geldscheinen. Auf einem beigefügten Kärtchen steht lapidar: 'Anbei ein paar Zettel mit Nullen drauf. Deine Großmutter.' Malina kann es kaum glauben, hat sie doch die Großmutter seit Jahren für tot gehalten. Also macht sie sich auf den Weg in ihre alte Heimat, zum großmütterlichen Haus, das tief im Wald versteckt liegt. Die alte Dame die sie dort vorfindet, ist extravagant, ausgeflippt und lebensfroh, zum Wiedersehen bietet sie ihrer Enkelin zunächst einen Joint an?...

Thomas Sautner wurde 1970 in Gmünd geboren, heute lebt er als Autor im nördlichen Waldviertel sowie in Wien. Neben zahlreichen Essays und Erzählungen erschienen im Picus Verlag seine Romane 'Fuchserde', 'Milchblume' und 'Die Älteste'. Zuletzt erschien, gemeinsam mit Thomas Kriebaum, das Kinderbuch 'Rabenduft' (2016) und 2017 der Roman 'Das Mädchen an der Grenze'.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

- 6 -

»Der Schlitten gehört also deinem Freund.« Großmutter zuckte despektierlich mit einer Augenbraue. »Und dieser Freund ist verheiratet.«

Ich nickte, hob entschuldigend die Schultern.

»Und er hält dich seit Jahren hin, und jetzt willst du ihm endlich den Laufpass geben. Und bei der Gelegenheit den Mercedes zurückgeben.«

Erneut bestätigte ich mit einem Nicken.

»Aber wieso denn, Malina?!« Großmutter sah mich an, als wäre ich unzurechnungsfähig.

»Dein Freund, wie heißt er noch einmal?«

»Christian.«

»Ich bin sicher, der gute Christian ist dir unglaublich dankbar für all die Jahre ... Freundschaft. Und er wäre untröstlich, könnte er dir nicht als Symbol seiner Freundschaft ein kleines Geschenk machen, und auch zum Dank dafür, dass du eure ... Freundschaft nie gegenüber seiner Frau erwähnt hast.«

»Du schlägst vor, ich soll ihn erpressen?«

»Aber wo«, Großmutter wachelte mit der Hand, »nicht erpressen. Du schenkst ihm eine neue Freiheit. Männer mögen das. Und du schenkst ihm die Möglichkeit, dir für all die Jahre zu danken und einen sauberen Schlussstrich zu ziehen. Auch das mögen Männer, eine überschaubare, simple Lösung. Und wie sieht die in eurem Fall aus? Ganz klar: Christians Augensternchen kriegt ein Mercedessternchen.« Großmutter zog an ihrer Selbstgedrehten und blickte zufrieden Richtung Blumengarten.

Ich hatte ihr alles erzählt. Wobei, eigentlich hatte ich ihr überhaupt nicht alles erzählt, sie aber hatte auf der Stelle alles verstanden. Flugs waren wir vom Mercedes auf Christian gekommen, meine Nichtbeziehung zu ihm, mein ewiges Singledasein, die kleine Wohnung, die Arbeit in der Bücherei, alles in allem mein Einsiedlerinnenleben. Gut, ich traf Leute, ging hin und wieder aus, durfte sogar zwei liebe Menschen meine Freundinnen nennen; und dennoch, im Grunde lebte ich ein Einsiedlerinnenleben. Niemals bekam jemand einen unmittelbaren, mich und meine Wesensart erschließenden Zugang, und am schwersten wog wohl: selbst ich nicht. Stets schien sich das Entscheidende zu entziehen, verbarg sich das mich Ausmachende. Bis vor Kurzem hatte ich gedacht, ich sei alleine damit. Doch wieder einmal half die Literatur. Georg Büchner, »Dantons Tod«. Hier erfuhr ich aus fremdem Mund - welch ein Trost -, was ich längst vermutete: Es wurde ein Fehler gemacht, wie wir geschaffen wurden; es fehlt uns etwas, ich habe keinen Namen dafür. Ich auch nicht, aber ich vermute, dieser Makel, diese Unfähigkeit, den Kern unseres Wesens zu erkennen, beschäftigt uns ein Leben lang, zwingt uns, Mensch zu sein.

Andere scheint derlei nicht sonderlich zu beschäftigen. Gewiss, manches Mal zweifeln sie an sich, zweifeln und verzweifeln an der Menschheit, an unserer Zivilisation, unseren Verhältnissen. »Kann das denn wahr sein?«, fragen die Menschen, doch nie ist dieses »Kann das denn wahr sein?« buchstäblich gemeint. Ich hingegen meine es buchstäblich, stelle unser aller Existenz infrage samt Physik, Mathematik, Biologie, Geologie, Kosmologie. Zualleroberst aber stelle ich mich infrage.

Begonnen hatte es schon als Kind. Von Beginn meines erinnerten Denkens an fühlte ich mich wie auf eine Bühne gestellt, auf der ich mich nicht zurechtfand. Die mir zugedachte Rolle schien mir unpassend und auch die gesamte Bühne dubios, obgleich alle, wirklich alle anderen ernsthaft behaupteten, diese unsere Rollen und diese unsere Bühne seien das einzige Leben und die einzige Welt.

Sobald ich aber auch nur einen eingehenden Blick darauf richtete, war doch der Vorhang zu erkennen, der alles verbarg, die Kostüme, der billige Klamauk. Und mit dem zweiten Blick sah ich auch das Dahinter, das Rundherum und also die Bühne samt uns darauf wie frei und luzid schweben in einem