Buchhandlung Spazierer

Suche

Die Schande EuropasOverlay E-Book Reader

Die Schande Europas

Von Flüchtlingen und Menschenrechten | Jean Ziegler

E-Book (EPUB)
2020 C. Bertelsmann
160 Seiten
ISBN: 978-3-641-26467-3

Rezension verfassen

€ 9,99

in den Warenkorb
  • EPUB sofort downloaden
    Downloads sind nur in Österreich möglich!
  • Als Taschenbuch erhältlich
  • Als Hardcover erhältlich
Kurztext / Annotation
Die neue enragierte Streitschrift des bekannten Globalisierungskritikers!
Jean Ziegler hat als Vizepräsident des Beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrats im Mai 2019 das EU-Flüchtlingslager Moria auf Lesbos besucht. Anhand vieler, oft erschütternder Einzelfälle schildert er eingehend seine Begegnungen mit Flüchtlingen, die von ihrem Leidensweg berichten, mit den mutigen, engagierten Vertretern verschiedener Hilfsorganisationen (medico international, Pro Asyl u. a.) und Menschenrechtsaktivisten, mit Anwälten und Offiziellen.

Sein Buch legt Zeugnis ab von dem moralischen Verfall, auf den Europa zusteuert, und ist ein eindringlicher Appell an die zuständigen Politiker in Brüssel und an die Zivilgesellschaft, der Praxis des »Push-Backs« und der unmenschlichen Realität der Hotspots ein Ende zu machen - denn sie sind die Schande Europas.

Jean Ziegler, geboren 1934 im schweizerischen Thun, lehrte bis zu seiner 2002 erfolgten Emeritierung Soziologie an der Universität Genf und als ständiger Gastprofessor an der Sorbonne/Paris. Bis 1999 war Jean Ziegler Nationalrat im Parlament der Schweizer Eidgenossenschaft, von 2000 bis 2008 UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung und von 2009 bis 2019 Vizepräsident des Beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrats, als dessen Berater er heute noch tätig ist. Seine Publikationen wie »Die Schweiz wäscht weißer« (1992) und »Die Schweiz, das Gold und die Toten« (1998) haben erbitterte Kontroversen ausgelöst. Als Kritiker von Globalisierung und Raubtierkapitalismus ist er mit Bestsellern wie »Das Imperium der Schande« (2005), »Der Hass auf den Westen« (2007), »Wir lassen sie verhungern« (2012), »Ändere die Welt!« (2015) »Der schmale Grat der Hoffnung« (2017) und »Die Schande Europas« (2020) hervorgetreten.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

I

In meiner Eigenschaft als Vizepräsident des Beratenden Ausschusses des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen bin ich im Mai 2019 nach Lesbos gereist.1 Vierzig Jahre zuvor hatte ich staunend den Zauber dieser Insel entdeckt.

An der Universität Genf war Stelios Kamnarokos einer meiner sympathischsten und intelligentesten Studenten. Sein Vater, beleibt, lebenslustig, humorvoll und von bedingungsloser Gastfreundschaft, war der Pope von Mytilini: Im Hafen und in den Cafés der Stadt nannte man ihn nur liebevoll »Papa Dimitri«. Er hat mir das Naturwunder erschlossen, das sich Lesbos nennt.

Anschließend machte Stelios eine beeindruckende diplomatische Karriere. Vor allem war er neun Jahre lang der einflussreiche außenpolitische Berater von Staatspräsident Károlos Papoúlias. Empört über das Schicksal, das von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Griechenland verhängt wurde, lebt er heute in einem unruhigen Ruhestand in Athen.

Anlässlich meiner UN-Mission im Mai 2019 sah ich sie wieder, die Sand- und Kieselstrände und die Berge, die sich bis zu einer Höhe von 1000 Metern auftürmen.

Unzählige Buchten unterbrechen die Küstenlinie der Insel. Dem türkisfarbenen Wasser verdankt Lesbos, Heimat der Dichterin Sappho (6. bis 7. Jahrhundert v. Chr.), ihren Beinamen »Smaragdinsel«. Die wie ein Amphitheater angelegte Hauptstadt Mytilini - ungefähr 50 000 Einwohner, annähernd die Hälfte der Inselbevölkerung - ist seit der römischen Antike ein Kultur- und Handelszentrum von beeindruckender Vitalität. Davon zeugen die begeisterten zeitgenössischen Schilderungen seiner Pracht und Schönheit,2 aber auch die Ruinen des mächtigen, unter Trajan erbauten Amphitheaters. Strabon hielt die Stadt für »die größte ihrer Zeit«. Die byzantinische Festung, die von den Architekten Kaiser Justinians errichtet und im 15. Jahrhundert von den Baumeistern der Genueser Familie Gattilusi wiederaufgebaut und verstärkt wurde, überragt noch immer den Ostteil der Stadt. Später wurden die Genueser ihrerseits von den osmanischen Eroberern verjagt.

Bunte Fischerhäuschen. Palmen, die sich in der Meeresbrise wiegen. Blumen, so weit das Auge reicht. Landwirtschaftliche Flächen wechseln mit düsteren Bergen. Elf Millionen Olivenbäume und drei Millionen Schirmpinien bedecken die Hügel und Ebenen. Eine der spektakulärsten Attraktionen ist der riesige Wald aus versteinerten Mammutbäumen, der vor 20 Millionen Jahren durch eine Vulkanexplosion entstand. Mit einer Fläche von fast 1700 Quadratkilometern und einer Küstenlänge von 320 Kilometern ist Lesbos die größte Insel in der Ägäis.

Im Mai 2019 fand ich die überwältigende Schönheit der Insel unverändert wieder, genau so, wie sie mir während all der Jahre im Gedächtnis geblieben war.

Vier Jahre zuvor, im April 2015, waren gemäß eines Abkommens, das zwischen der Europäischen Kommission und der griechischen Regierung geschlossen worden war, auf den fünf Kleinasien am nächsten gelegenen Ägäisinseln Lesbos, Kos, Leros, Samos und Chios sogenannte Hotspots eingerichtet worden, Aufnahmezentren für Tausende von Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, aber auch aus Pakistan, dem subsaharischen Afrika und anderswo, die vor Krieg, Folter, Zerstörung ihrer Länder flohen und versuchten, die griechischen Küsten zu erreichen.

Diese Flüchtlinge hegen die Hoffnung, es könnte ihnen gelingen, von den Inseln auf den Kontinent zu gelangen und dort der Route über den Balkan nach Mittel- und Nordeuropa zu folgen.

Die offizielle Bezeichnung dieser Hotspots lautet »First reception facilities« (»Erstaufnahmeeinrichtungen«). Zwei europäische Dokumente und ein griechisches Gesetz definieren ihre Funktionen. Die beiden normativen Texte der Europäischen Union (EU) sind zum einen eine Richtlinie vom Mai 2015 mit dem Titel »Europäische Agenda für Migration«, z