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Kalter SommerOverlay E-Book Reader

Kalter Sommer

Ein Fall für Maresciallo Fenoglio | Gianrico Carofiglio

E-Book (EPUB)
2018 Goldmann
352 Seiten
ISBN: 978-3-641-21918-5

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Kurztext / Annotation
Der Sommer 1992 ist ein extrem kalter Sommer in Süditalien. Und es ist der Sommer der brutalen Mafia-Anschläge auf die Staatsanwälte Falcone und Borsellino. In Bari wütet derweil ein regelrechter Krieg zwischen verschiedenen Mafia-Gangs. Als der Sohn des Clanführers Grimaldi entführt und kurz darauf tot aufgefunden wird, übernimmt Maresciallo Fenoglio die Ermittlungen. Der Verdacht fällt schnell auf Grimaldis Gegenspieler Lopez, der Fenoglio daraufhin Informationen anbietet, um seine Familie zu schützen. Doch ist Lopez wirklich für den Tod des Jungen verantwortlich?

Gianrico Carofiglio wurde 1961 in Bari, Italien geboren und arbeitete in seiner Heimatstadt viele Jahre als Antimafia-Staatsanwalt. 2007 war er als Berater des italienischen Parlaments für den Bereich organisierte Kriminalität tätig. Von 2008 bis 2013 war Gianrico Carofiglio Mitglied des italienischen Senats. Berühmt gemacht haben ihn vor allem seine Romane um den Anwalt Guido Guerrieri. Carofiglios Bücher feierten sensationelle Erfolge, wurden bisher in 27 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen literarischen Preisen geehrt, u.a. mit dem Radio Bremen Krimipreis 2008. Er lebt mit seiner Familie in Bari.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

9

Beim Hinausgehen lief ihnen ein Hüne mit weißem Zwirbelbart und schaufelgroßen Pranken über den Weg. Er mochte um die siebzig sein, sah aber aus, als könnte er mehrere Zwanzigjährige mühelos auf die Bretter schicken. Als er Pellecchia erblickte, hob er grüßend die Hand. Pellecchia grüßte zurück.

»Erinnerst du dich an den?«, fragte Pellecchia, als sie das Jahrmarktgelände verließen.

»An wen?«

»Schnauzbart. Weißt du nicht mehr?«

»Wer ist das?«

Pellecchia fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ach, richtig. Blöd von mir. Das muss jetzt rund zehn Jahre her sein. Du warst noch gar nicht in Bari. Wir haben ihn nach einer Mordsprügelei verhaftet.« Er redete weiter, aber Fenoglio hörte ihm nicht mehr zu. Vor rund zehn Jahren. Als er nach Bari versetzt worden war, weil er Serena kennengelernt hatte und sie wenige Monate später heiraten wollten. Der glücklichste Teil seines Lebens sollte beginnen. Jetzt war er womöglich vorbei.

»He, alles in Ordnung?«, fragte Pellecchia.

»Wieso fragst du?« Die Frage überraschte ihn, Pellecchia war nicht der Typ, der für gewisse Stimmungen empfänglich war.

»Weiß nicht, du bist so komisch.«

»Merkt man das?«

»Ja, merkt man.«

»Ist gerade eine schwierige Zeit. Meine Frau ist ausgezogen, und ab und zu bringt mich das ins Grübeln.« Noch ehe er den Satz beendet hatte, wunderte er sich, ihn gesagt zu haben. Er hatte noch nie gern über seine Probleme geredet, und Antonio Pellecchia, genannt Tonino, war der Letzte, dem er sein Herz ausgeschüttet hätte. Sie waren einfach zu unterschiedlich. In all den Jahren ihrer Zusammenarbeit hatten sie noch nie eine Unterhaltung geführt, die nicht mit der Arbeit zu tun hatte.

»Dann sind auch Vorgesetzte vor solchen Dingen nicht gefeit.«

»Wie bitte?«

»Weißt du, wie die Jungs dich nennen?«

»Welche Jungs?«

»Die Jungs in der Abteilung.«

»Wie nennen sie mich denn?«

»Mister Perfekt. Manche auch: Mister Stock-im-Arsch. Ist nicht böse gemeint. Mehr muss ich dazu wohl nicht sagen.«

Das musste er nicht.

Schweigend gingen sie nebeneinander her, den Blick geradeaus gerichtet.

»Trinken wir einen Kaffee, Chef?«

»Klar doch, ist ja auch erst der sechste heute.«

Sie betraten eine unscheinbare Bar. Hinter dem Tresen stand ein dürres Mädchen mit Pferdegesicht und trübsinnigem Blick. Pellecchia grüßte sie mit Namen - Liliana -, und sie antwortete mit einem unmerklichen Kopfnicken.

»Wir setzen uns nach hinten. Zwei Kaffee.«

Als sie sich in das kahle Hinterzimmer setzten, empfand Fenoglio eine unerklärliche Erleichterung. Sie waren die einzigen Gäste. Pellecchia zündete sich seinen Zigarrenstummel an, zog zweimal daran und legte ihn wie gewohnt auf den Aschenbecher, um ihn verglühen zu lassen.

»Ihr habt euch getrennt?«

»Ich weiß es nicht.« Fenoglio machte eine Pause. »Sie meint, sie müsse mit sich selbst ins Reine kommen. Und dass es ihr leidtue, so etwas Banales zu sagen, aber es sei nun mal so.«

»Hat sie einen anderen?«

»Hat sie nicht gesagt. Aber möglich ist es schon.«

Liliana kam mit den beiden Kaffees, zwei süßen Teilchen und zwei Pralinen. Pellecchia wartete, bis sie alles abgestellt hatte und zum Tresen zurückkehrte.

»Meine Frau hat mich vor zehn Jahren verlassen. Kein Wunder, wenn eine Frau einen wie mich verlässt. Damals war ich wahnsinnig wütend. Ich geb's zwar nur ungern zu, aber sie hatte allen Grund dazu. Doch wieso will eine Frau einen wie dich verlassen? Der einzige Grund, der mir einfällt, ist, dass sie einen anderen hat. Entschuldige meine Direktheit.«

Fenoglio aß das Gebäck und die Praline. Pellecchia tat es ihm gleich. Dann tranken sie ihren Kaffee. Die Szene erinnerte an ein strenges Ritual, ähnlich einer Teezeremonie.

»Du wunderst dich, dass du dich mir anvertraut hast, stimmt's?«

Fenoglio wollte abwinken - i wo, kein Stü