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Das Geburtstagsfest

Roman | Judith W. Taschler

E-Book (EPUB)
2019 Verlagsgruppe Droemer Knaur
Auflage: 1. Auflage
352 Seiten
ISBN: 978-3-426-45153-3

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Kurztext / Annotation
Ein Geburtstagsfest, ein unerwünschter Gast und eine unabwendbare Katastrophe Zu seinem 50. Geburtstag wollen die drei Kinder von Kim Mey ihren Vater mit einem besonderen Gast auf der Familien-Geburtstagsfeier überraschen: Ohne sein Wissen haben sie Tevi Gardiner eingeladen, jene Frau, mit der Kim als Kind aus Kambodscha geflohen ist. Und die er seit 25 Jahren nicht mehr gesehen hat. Doch statt sich wie erwartet zu freuen, reagiert Kim seltsam abweisend. Auch Ines, die Mutter der drei, begegnet Tevi unterkühlt. Was Kim und Ines jahrzehntelang verschwiegen haben, verschafft sich nun unaufhaltsam Gehör: die wahren Begleitumstände jener dramatischen Flucht aus Kambodscha und das schreckliche Ende einer großen Liebe. So lässt eine scheinbar harmlose Überraschung ein Geburtstagsfest in einem Familien-Drama enden ... »Das Geburtstagsfest«, das schmerzhaft-empathische Familien-Drama der renommierten Spiegel-Bestseller-Autorin und Glauser-Preisträgerin Judith W. Taschler, kreist um Familien-Beziehungen und Lebenslügen, die große Liebe und um Flucht und Heimkehr. Mehrstimmig und virtuos erzählt, erschafft die Innsbruckerin Judith W. Taschler in ihrer unverwechselbar klaren Sprache »Figuren, die dem Leser unter die Haut gehen und lange in Erinnerung bleiben« (Petra). Judith W. Taschler beleuchtet die großen Wendepunkte im Leben, raffiniert und psychologisch dicht erzählt, voller Mitgefühl für ihre Figuren, ohne je dabei kitschig zu werden. »Ich freue mich jedes Mal, wenn ein neues Buch der Autorin erscheint, weil ich ihre Art zu schreiben sehr schätze.« Christine Westermann, WDR2

Autorenvita: Judith W. Taschler, 1970 in Linz geboren, ist im Mühlviertel aufgewachsen. Nach einem Auslandsaufenthalt und verschiedenen Jobs studierte sie Germanistik und Geschichte. Die in Innsbruck lebende Autorin schreibt Romane für ein breites Publikum. Auf der Basis berührender, eindringlicher Geschichten mit Identifikationspotential fesselt sie literarisch und belletristisch orientierte Leser gleichermaßen. Das brachte ihr für den Roman 'Die Deutschlehrerin' im Jahr 2014 den Friedrich-Glauser-Preis ein sowie den Einstieg in die Spiegel-Bestsellerliste. Auch mit den nachfolgenden Romanen 'Roman ohne U', 'bleiben', 'David' und 'Das Geburtstagsfest' begeisterte sie Publikum wie Kritiker.Weitere Informationen unter: www.jwtaschler.at

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Freitag, 17. Juni 2016

Es dämmerte, als Kim das Haus verließ und hinüber zur Schlachthütte ging.

Die Tür quietschte leise beim Öffnen. Er überlegte, die Scharniere sofort zu ölen, doch dafür hätte er zurück ins Haus gehen müssen, um aus seiner Werkzeugkiste, die im Keller stand, das Öl zu holen. Er war unschlüssig und hielt, mit einem Fuß in der Hütte, mit dem anderen noch draußen, einen Augenblick inne. In der letzten Zeit passierte ihm das immer öfter, manchmal stand er minutenlang da und konnte nicht reagieren. Sein Kopf fühlte sich leer an in solchen Situationen, nicht fähig, abzuwägen und eine schnelle Entscheidung zu treffen.

Er sah zu den Teichen hinüber und atmete tief durch. Kein Geräusch war zu hören, die Tiere schliefen noch. Vorsichtig schob er die Tür ganz auf, betrat die Hütte und schaltete das Licht ein. Die altmodische hölzerne Hängelampe warf gespenstische Schatten.

In einer Ecke standen ein rechteckiger Tisch, bezogen mit einem Plastiktischtuch, darunter eine Holzkiste mit Deckel und eine Blechwanne. Er hob den Tisch hoch und platzierte ihn in die Mitte des Raumes. Beil, Stock und Balken, welche mittels Schlaufen an Wandhaken hingen, legte er auf den Tisch, die Holzkiste stellte er links vom Tisch auf den Boden, den Deckel öffnete er. Sie war innen mit dem gleichen Plastiktischtuch tapeziert, es zeigte, stark vergilbt und fleckig, verschiedene Obstsorten.

Kim verließ die Hütte wieder und trat an das Teichufer. Den Erpel, den er ein paar Tage zuvor ausgesucht hatte, fand er schlafend vor, er fasste schnell und sachte nach ihm, hielt mit der linken Hand die Beine fest, mit der rechten die Flügel. Er trug das Tier die wenigen Meter zur Hütte, darin angekommen ließ er die Flügel los und drehte das Tier, das nun wie wild mit den Flügeln schlug, um, sodass es nach unten hing. Mit der rechten Hand griff er nach dem Stock und schlug dem Erpel damit auf den Kopf. Das Ganze war eine einzige fließende Bewegung.

Das betäubte Tier legte er behutsam auf den Tisch, drapierte den Hals über den Balken und griff nach dem Beil. Mit einem gezielten Schlag trennte er den Kopf ab, der jämmerlich aussehend auf den Tisch fiel und neben einer verblassten Birne liegen blieb. Er legte das Beil zur Seite, nahm das kopflose Tier hoch, hob es in die Kiste und schloss augenblicklich den Deckel. Das Ganze hatte nicht einmal eine halbe Minute gedauert. In der geschlossenen Kiste begann die kopflose Ente zu rumoren.

 

Vor ein paar Jahren hatten seine beiden älteren Kinder gegen seinen Willen beim Schlachten einer Ente zugesehen. Tagelang hatten sie nicht aufgehört zu betteln, doch er, der ansonsten gegenüber seinen Kindern nachgiebig war, war hart geblieben. Er hatte es immer so eingerichtet, dass alles, selbst das Rupfen, Ausnehmen und Zerlegen der Ente, erledigt war, bevor sie von der Schule oder vom Kindergarten nach Hause kamen. Wenn sie Entenfleisch vor sich auf dem Teller liegen hatten, brachten sie es nicht in Zusammenhang mit den Tieren, die sie von den Teichen in ihrem Garten kannten. Alles sollte im Verborgenen geschehen, er allein wollte die Wandlung vom friedlich schwimmenden Tier auf dem Teich zum fertigen Tischgericht vollziehen. Er war es auch, der am Tag nach der Schlachtung in der Küche stand und Entencassoulet, Gebratene Nudeln mit Entenfleisch, Entenbrust mit Orangensoße, Knusprige Ente mit Wokgemüse, Entenkeule mit Apfelrotkraut oder anderes zubereitete, ansonsten fühlte er sich für die Küche nicht zuständig.

Seinen Kindern sollte es nicht wie ihm ergehen: Er hatte als Junge den Gedanken kaum ertragen, dass das Fleisch, welches vor ihm lag, bis vor Kurzem eins seiner geliebten Tiere gewesen war. Außerdem war der Anblick des fallenden Beils und des herunterkullernden Kopfes mit den brechenden Augen ohnehin nichts für Kinder, war seine Meinung.

Lea und Simon hatten ihren Vater überlistet, i



Taschler, Judith W.
Judith W. Taschler, 1970 in Linz geboren, ist im Mühlviertel aufgewachsen. Nach einem Auslandsaufenthalt und verschiedenen Jobs studierte sie Germanistik und Geschichte. Sie lebt mit ihrer Familie in Innsbruck und arbeitete einige Jahre als Lehrerin. Mittlerweile ist sie freie Schriftstellerin. Der Debütroman "Sommer wie Winter" erschien 2011. Mit ihrem zweiten Roman "Die Deutschlehrerin" gewann sie 2014 den renommierten Friedrich-Glauser-Preis.