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Stille Wasser

Commissario Brunettis sechsundzwanzigster Fall | Donna Leon

E-Book (EPUB)
2017 Diogenes
Auflage: 2. Aufl.
352 Seiten
ISBN: 978-3-257-60787-1

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€ 10,99

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Kurztext / Annotation
Schwächeanfall in der Questura. Das Räderwerk des Alltags hat Brunetti zermürbt. Krankgeschrieben, soll sich der Commissario in der Lagune von Venedig erholen. Wie wunderbar, einmal nicht Verbrechern hinterherzujagen, sondern in ländlicher Idylle seine Gedanken mit den Wolken ziehen zu lassen! Doch zwischen Bienen und Blumen kommt er einem größeren Fall als je zuvor auf die Spur.

Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, arbeitete als Reiseleiterin in Rom und als Werbetexterin in London sowie als Lehrerin und Dozentin im Iran, in China und Saudi-Arabien. Die ?Brunetti?-Romane machten sie weltberühmt. Donna Leon lebte viele Jahre in Italien und wohnt heute in der Schweiz. In Venedig ist sie nach wie vor häufig zu Gast.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

{9}1

Nach einer sehr zuvorkommenden Begrüßung zog sich die Befragung an diesem Morgen nun schon eine ganze Weile in die Länge, und Brunetti empfand das allmählich als quälend. Er hatte sein Gegenüber, einen zweiundvierzigjährigen Anwalt, Sohn eines der reichsten und somit einflussreichsten Notare Venedigs, gebeten, wegen einer ihn belastenden Zeugenaussage in der Questura vorbeizukommen. Es hieß, der Anwalt habe vorletzte Nacht einer jungen Frau auf einer Party Tabletten verabreicht, die jene mit einem Glas Orangensaft aus seiner Hand heruntergespült hatte. Wenig später war die junge Frau zusammengebrochen und schwebte, als sie in die Notaufnahme des Ospedale Civile eingeliefert wurde, in Lebensgefahr.

Punkt zehn war Antonio Ruggieri eingetroffen und hatte als Beweis seines Vertrauens in die Polizei nicht einmal einen eigenen Anwalt mitgebracht. Auch über die Hitze in dem einfenstrigen Raum hatte er sich nicht beschwert, nur kurz nach dem Ventilator in der Ecke geschielt, der - vergeblich - sein Bestes tat, um der drückenden Schwüle des heißesten Juli seit Menschengedenken entgegenzuwirken.

Brunetti hatte sich entschuldigt, dass der Raum nicht besser belüf_tet sei: Aufgrund der Hitzewelle habe man, um zu sparen, zwischen Computer und Klimaanlage wählen müssen. Ruggieri hatte Verständnis bekundet und nur darum gebeten, sein Jackett ablegen zu dürfen.

{10}Brunetti, der seines anbehielt, hatte gleich zu Anfang klargestellt, es handle sich lediglich um eine informelle Unterredung, die Polizei wolle klären, was sich auf der Party im Einzelnen zugetragen habe.

Angesichts der Bewunderung, die der linkische Commissario für das Haus Ruggieri und dessen stadtbekannte Klienten und Freunde bekundete, begegnete der Anwalt seinem älteren Gegenüber schon bald mit jovialer Herablassung.

Den uniformierten Polizisten neben Brunetti beachtete er gar nicht groß, er hatte lediglich im Visier, ob der junge Mann sich in Anwesenheit von Respektspersonen auch ja zu benehmen wusste.

Als dieser nicht die nötige Ehrerbietung an den Tag legte, wandte sich Ruggieri in der Folge nur noch an Brunetti. »Wie gesagt, Commissario, es war die Geburtstagsparty eines Freundes: Wir kennen uns seit der Schulzeit.«

»Dann waren Ihnen die meisten der Anwesenden also bekannt?«, fragte Brunetti.

»So gut wie alle: Wir sind von klein auf befreundet.«

»Und die junge Frau?«, fragte Brunetti leicht verwirrt.

»Die muss einer der geladenen Gäste mitgebracht haben. Sonst wäre sie gar nicht reingekommen.« Um Brunetti zu beweisen, wie gut er und seine Freunde ihre Privatsphäre zu schützen wussten, fügte er hinzu: »Einer von uns behält immer die Tür im Auge. Man weiß ja nie.«

»Wohl wahr«, sagte Brunetti mit zustimmendem Nicken, und als er Ruggieris Blick bemerkte: »Vorsicht ist besser als Nachsicht.« Er schob das Mikrophon auf dem Tisch ein wenig näher an Ruggieri heran. »Haben Sie {11}irgendeine Vorstellung, mit wem sie gekommen sein könnte, wenn ich fragen darf?«

Ruggieri antwortete nicht sofort. »Nein. Ich habe sie mit niemandem reden sehen, den ich kenne.«

»Wie sind Sie dann mit ihr ins Gespräch gekommen?«, fragte Brunetti.

»Ach, Sie wissen doch, wie das ist«, erklärte Ruggieri. »Es waren viele Leute dort, man tanzte oder plauderte miteinander. Als ich einen Moment lang alleine dastand und den Tanzenden zusah, tauchte sie plötzlich neben mir auf und sprach mich an.«

»Dann waren Sie einander bereits vorher begegnet?«, fragte Brunetti.

»Keineswegs«, versicherte Ruggieri. »Und trotzdem hat sie sich einfach das Du herausgenommen.«

Brunetti schüttelte missbilligend den Kopf. »Worüber haben Sie denn gesprochen?«

»Sie sagte, sie sei neu hier und wisse nicht, wo es etwas zu trinken gibt.«

Als Brunetti nichts darauf erwiderte, fuhr Ruggieri fort: »Also musste ic