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Am Abgrund lässt man gern den VortrittOverlay E-Book Reader

Am Abgrund lässt man gern den Vortritt

Alpenkrimi | Jörg Maurer

E-Book (EPUB)
2018 S. Fischer Verlag Gmbh
Auflage: 1. Auflage
432 Seiten
ISBN: 978-3-10-403776-9

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€ 8,99

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Kurztext / Annotation
Nur der Föhn kennt die ganze Wahrheit. Kommissar Jennerweins waghalsigster Fall - der zehnte Alpenkrimi von Nr.1-Bestsellerautor Jörg Maurer Kommissar Hubertus Jennerwein gönnt sich eine Auszeit. Ein wenig überrascht ist er schon, dass er auf dem Weg ins Allgäu gleich einen sehr bekannten Kollegen trifft. Aber bevor die beiden ins Fachsimpeln kommen, erreicht Jennerwein ein Hilferuf aus dem Kurort: Ursel Grasegger, Bestattungsunternehmerin a.D., hat eine blutige Morddrohung gegen Ignaz erhalten. Ihr Mann ist seit Tagen unauffindbar. Ist er in den Händen von Entführern? Oder hat er heimlich etwas Illegales geplant, was nun schiefgegangen ist? Jennerwein weiß nur zu gut, dass die Graseggers beste Mafiaverbindungen haben. Aber er verspricht Ursel, Ignaz' Spur außerdienstlich zu verfolgen - und bringt sich in noch nie gekannte Gefahr. Sein Team geht derweil tödlichen Umtrieben von Medizinern nach, eine frühere Freundin von Ignaz kündigt ihre bevorstehende Ermordung an, und auf einmal steht Jennerwein vor dem Abgrund seiner Polizeikarriere...

Jörg Maurer liebt es, seine Leserinnen und Leser zu überraschen. Er führt sie auf anspielungsreiche Entdeckungsreisen und verstößt dabei genussvoll gegen die üblichen erzählerischen Regeln. In seinen Romanen machen hintergründiger Witz und unerwartete Wendungen die Musik zur Spannungshandlung.All dies hat Jörg Maurer auch schon auf der Bühne unter Beweis gestellt. Als Kabarettist feierte er mit seinen musikalisch-parodistischen Programmen große Erfolge und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine inzwischen fünfzehn Jennerwein-Romane sind allesamt Bestseller. Sein Roman »Shorty« war ebenfalls erfolgreich.Jörg Maurer lebt zwischen Buchdeckeln, auf Kinositzen und in Theaterrängen, überwiegend in Süddeutschland.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1 10

Seit Anbeginn zählte der Mensch mit den Fingern. Die Zehn stand wohl auch deshalb für Anfang und Ende aller Zahlen und erschien so als magische Grenze.

 

»Irgendwann kommen wir beide in das Alter, wo wir nicht mehr klettern können wie die jungen Steinböcke. Und was dann?«

»Noch kraxle ich überallhin, das kannst du mir glauben!«

»Auch auf die Geiffelspitze?«

»Auch da komme ich locker rauf, aber ganz locker. Du wirst es morgen sehen. Aber wie ist es mit dir? Wenn du willst, dann ziehe ich dich das letzte steile Stück.«

»Ich nehme dich beim Wort.«

»Abgemacht.«

»Vielleicht sollten wir uns wirklich leichter zugänglichere Verstecke suchen.«

»Wie jetzt? Etwa mit Hacke und Schaufel nachts im Garten -«

 

Ignaz Grasegger unterbrach mitten im Satz, denn es kam ein Fußgänger die kleine Straße herauf, die am Grundstück der Familie Grasegger vorbeiführte. Sie erkannten ihn schon von weitem, es war der Rohrstangl Markus, der seit neuestem einen Atemschlauch auf der Oberlippe trug - »beheizbar«, wie er sofort ausführte, kaum dass er stehen geblieben war.

»Das ist sicher praktisch im Winter«, sagte Ignaz Grasegger lächelnd, »zum Beispiel beim Skispringen.«

Ursel versetzte ihm einen kleinen Rippenstoß.

 

Der Rohrstangl Markus hatte es an der Lunge, obwohl er nie geraucht hatte und darüber hinaus so gut wie nie aus diesem heilklimatischen Luft- und Schnupperkurort herausgekommen war. Man erzählte sich, dass die Rohrstangls ein vererbliches Lungenleiden plagte, ein pneumologischer Familienfluch, denn bei vielen seiner Onkel und Tanten hatte es in irgendeiner Weise an der Lunge gefehlt. Einer war trotzdem Sänger geworden, aber der Markus war der Erste mit Atemschlauch.

»Das hat mir die Krankenkasse bis auf den letzten Nickel gezahlt«, sagte er jetzt stolz und deutete auf das Plastikteil. »Zuerst wollte sie zwar nicht blechen, die Hundskrankenkasse, aber dann habe ich damit gedroht, dass ich die Sache ins Fernsehen bringe, in so ein kritisches Verbrauchermagazin. Die suchen ja heutzutage geradezu nach einem Missstand. Da ist die Kasse in die Knie gegangen und hat zähneknirschend gelöhnt.«

Die Sonne senkte sich auf das gegenüberliegende Karwendelmassiv und zauberte neue, fast mediterrane Farben in die wogenden Bergwälder.

»Zähneknirschend!«, wiederholte der Rohrstangl und deutete abermals auf den Plastikschlauch, der um seine Brust herum in den Rucksack führte. »Sauteuer. Und stufenlos regelbar.«

Ursel und Ignaz bewunderten die rasselnde Atemhilfe mit der gebotenen Höflichkeit und warteten geduldig, bis der Rohrstangl endlich fertig erzählt hatte und schließlich weiterzog.

»Der redet ja mit dem Schlauch noch mehr als ohne«, sagte Ignaz, als er außer Hörweite war.

»So viel Sauerstoff macht wahrscheinlich gesprächig.«

 

Die beiden Graseggers standen an den Gartenzaun gelehnt und blickten hoch zur Alpspitzwand, die sich in diesen Nachmittagsstunden begierig in der Sonne zu aalen schien wie ein Pauschaltourist auf der Südterrasse. Stumm und bedeutungsvoll zeigte Ignaz auf einen bestimmten Punkt des Berges, an dem der dunkelgrüne Hochwald in den hellen Kalkfels überging. Ursel lächelte wissend. Beide betrachteten die Stelle lange und versonnen. Ein Radler strampelte auf einem uralten Vehikel vorbei und grüßte ehrerbietig. Es war der Wasserableser Nuss, aussichtsreicher Kandidat auf den Posten des ersten Vorsitzenden des Skiclubs, fast wäre er ins Schleudern gekommen vor lauter Ehrfurcht. Die Graseggers nahmen hier am Gartenzaun die Parade ab. Auch Generalleutnant Witzel, der auf dem Klapprad vorbeifuhr, grüßte schneidig. Trotz ihrer legeren Gartenkleidung stellten Ursel und Ignaz respektable bürgerliche Erscheinungen dar, die Jahre und die reichlichen Schi