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Der ehrliche Finder

Roman | Lize Spit

E-Book (EPUB)
2024 S. Fischer Verlag Gmbh
Auflage: 1. Auflage
128 Seiten; ab 14 Jahre
ISBN: 978-3-10-491870-9

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€ 16,99

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Kurztext / Annotation
Vom Glück, einen echten Freund zu haben, von Kindheit, Hoffnung und Verzweiflung - eine Geschichte aus dem Herz unserer Gegenwart. Seit er vor einem Jahr in Bovenmeer angekommen ist, sitzt Tristan in der Schule neben Jimmy, der klüger und einsamer ist als alle anderen und es sich zur Aufgabe macht, Tristan Ibrahimi durch das Schuljahr zu begleiten. Denn der hat nicht nur einen Krieg erlebt und eine Flucht durch ganz Europa, sondern auch das, wonach Jimmy sich am meisten sehnt: eine intakte, große Familie, die Halt und Geborgenheit bietet. Gemeinsam bauen sie sich ihre eigene Welt voller gegenseitiger Bewunderung und bedingungsloser Hingabe, geheimer Orte und einer Sprache, die beide verstehen. Bis jemand eine Entscheidung trifft, die nicht nur ihre Welt zum Einstürzen zu bringen droht, und ein Plan geschmiedet wird, der Jimmy und Tristan alles abverlangt. »?Der ehrliche Finder? ist ein literarisches Juwel, das die beste Werbung für die Kraft von Literatur ist.« Het Nieuwsblad »Lize Spit ist eine Meisterin im Aufbau von Spannung.« Trouw

Lize Spit wurde 1988 geboren, wuchs in einem kleinen Dorf in Flandern auf und lebt heute in Brüssel. Sie schreibt Romane, Drehbücher und Kurzgeschichten. Ihr erster Roman »Und es schmilzt« stand nach Erscheinen ein Jahr lang auf Platz 1 der belgischen Bestsellerliste, gewann zahlreiche Literaturpreise und wurde in 15 Sprachen übersetzt. Auch ihr zweiter Roman, »Ich bin nicht da«, war ein großer Erfolg. Mit ihrem dritten Roman, »Der ehrliche Finder«, hat sie ein ganzes Land aufgewühlt.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

II

Jimmy stellte sein Mountainbike in der Einfahrt ab, beim Brunnen, neben einer Reihe vor sich hin rostender Fahrräder, Buggys und dem Gokart mit den platten Reifen. Geschenke der Nachbarn, überbracht, als sich die Nachricht, die Ibrahimis hätten in ihrer Heimat alles zurücklassen müssen, im Dorf verbreitet hatte. Der Recyclinghof der Gemeinde musste vor eineinhalb Jahren am Rückgang des abgelieferten Sperrmülls gemerkt haben, dass die Leute ihre zum Ausmustern bestimmten Sachen - Matratzen, Elektrogeräte, Bettwäsche, Spielzeug, Bücher, Instrumente, Trampoline, Babysachen, Werkzeug - lieber den Ibrahimis schenkten. Die Nachbarn nebenan, die gesehen hatten, wie sich in dem Vorgarten neben dem ihrigen ein Übermaß an Gaben aufgetürmt hatte, waren zu Hilfe geeilt, um alles in die richtigen Bahnen zu lenken. Sie hatten eine Liste mit den Dingen ausgehängt, die benötigt wurden, und als so gut wie jeder Posten abgehakt war, hatten sie im Namen der Kosovaren ein Schild im Garten aufgestellt:

Wir haben alles, was wir brauchen, aber trotzdem vielen Dank an alle!

gefolgt von einer eigens angelegten Kontonummer, denn Geld hatte man mit acht Kindern nie genug. Auf dieses Schild hatte niemand etwas Unfreundliches geschrieben.

Trotzdem wurden noch jede Woche Möbel, Säcke mit Bettwäsche und Kartons voller Spielzeug von Leuten deponiert, die von nah und fern gekommen waren und in dem Wunsch, eine gute Tat zu vollbringen, nicht willens waren, ihre Opfergaben wieder mit zurückzunehmen.

Jimmy ging schnurstracks zur Hintertür, vorbei an den Nebengebäuden. Die gehörten alle Kurt, der Miete vom Sozialamt erhielt, solange er das Wohnhaus auf diesem Grundstück der Familie zur Verfügung stellte. Die dahinterliegenden Schuppen benutzte er für sich selbst als Lagerräume und für seinen Gebrauchtwagenhandel. Onkel Kurt (Tristan nannte alle Nachbarn, die ihm halfen, Onkel oder Tante) war schäbig gekleidet und hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Wile E. Coyote auf Flippo 204, fünf Punkte. Aus der Art und Weise, wie Jimmy von Kurt behandelt wurde, leitete er mit ziemlich großer Sicherheit ab, dass sein Vater Kurt noch Geld schuldete. Manchmal, wenn Jimmy auf das Grundstück kam und Kurt am Rande mit Kunden irgendetwas auskungeln sah, machte er sich rasch aus dem Staub aus Angst, Kurt würde auch ihn verhökern, um seinen Verlust zu reduzieren.

Jimmy öffnete das Tor von Klein-Kosovo, wie die Scheune im Dorf genannt wurde.

»Triiis-tan?«

Klein-Kosovo maß von vorn nach hinten etwas mehr als hundert große Schritte, von links nach rechts waren es dreißig. Der Raum hatte einst als Kuhstall gedient, was man noch an den gemauerten Futtertrögen erkennen konnte. Jetzt waren diese dreitausend Quadratmeter mit Sachen vollgestopft, mit denen Kurt ebenfalls handelte: Hochzeitskleider und Anzüge, Djembés und Didgeridoos, Utensilien für Großküchen, demontierte Toilettenschüsseln, Partien abgeschriebenen Bürobedarfs, Stapel Judomatten, alte Registrierkassen, Bowlingbälle und Kegel, ein Billardtisch mit zerrissenem Tuch, kleine Karussellwagen, Jahrmarktspistolen, kartonweise intakte Kreidestifte, ausgestopfte Tiere, Mopeds, eine Meeresboje, Skiausrüstungen, Bahnhofsuhren, eine Schwimmbeckenleiter, Spielautomaten, eine Bierzapfanlage und Kartons voller Kneipenausstattungsgegenstände, ein Sarg, abgeschriebenes chirurgisches Operationsmaterial, meterhohe Stapel Altpapier. Wer diese Scheune betrat, brauchte sich kein Spiel mehr auszudenken. Hier waren er und Tristan Könige gewesen, Bestattungsunternehmer, Jahrmarktsschausteller, Piloten, Barmänner, Journalisten, fünffache Olympiasieger, hier hatten sie Leiche gespielt, waren auf dem Rücken eines Wildschweins geritten, hatten mit Spielzeugpistolen auf Mücken geschossen und lebensrettende Operationen an überreifem Gemüse vorgenommen.

»Tristan?« Jimmy imitierte einen Eulenschrei zum