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Krähen im ParkOverlay E-Book Reader

Krähen im Park

Roman | Christoph Peters

E-Book (EPUB)
2023 Luchterhand Literaturverlag
320 Seiten
ISBN: 978-3-641-31169-8

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Kurztext / Annotation
Ein Tag, eine ganze Stadt: das messerscharfe Porträt einer Gesellschaft im Umbruch - der neue große Roman von Christoph Peters.
Es ist der 9. November 2021, Lockdown in Berlin, doch das Leben bleibt nicht stehen. Der berühmte, aber menschenscheue Schriftsteller Bernard Entremont ist angereist, um einen Preis entgegenzunehmen - ein Ereignis, mit dem die halbe Stadt in Berührung kommt. Engmaschig verwebt Christoph Peters die vielen Geschichten eines Tages und erzählt packend vom Leben in unserer Gegenwart: von der hektisch strippenziehenden Kultursalonière, vom verschwörungsgläubigen Politikersohn beim seltenen Vaterbesuch, von der nicht mehr ganz so jungen Influencerin und ihrem Partner, der endlich seinen dritten Roman schreiben will, vom jungen deutsch-türkischen Pärchen, das nach einem positiven Schwangerschaftstest schwankt zwischen Freude und Angst, vom afghanischen Flüchtling auf der Suche nach einem Fixpunkt im anonymen Getriebe der Stadt. Es ist das große, messerscharfe, wimmelnde Portrait einer Gesellschaft, die sich auf ihre alten Formen nicht mehr verlassen kann, die neuen aber noch nicht gefunden hat.

Christoph Peters wurde 1966 in Kalkar geboren. Er ist Autor zahlreicher Romane und Erzählungsbände und wurde für seine Bücher vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Wolfgang-Koeppen-Preis (2018), dem Thomas-Valentin-Literaturpreis der Stadt Lippstadt (2021) sowie dem Niederrheinischen Literaturpreis (1999 und 2022). Christoph Peters lebt heute in Berlin. Zuletzt erschienen von ihm bei Luchterhand 'Tage in Tokio' (2021) und 'Der Sandkasten' (2022).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Am Himmel bewegte sich nichts. Tegel war seit einem Jahr geschlossen, jetzt klagten sie weiter südlich über Fluglärm, Kerosinschmier auf Rosenbeeten, Zierrasenflächen. Nervöse Schlaflosigkeit und Erschöpfungssyndrome würden zunehmen, die Suizidrate steigen. Zum Schutz des Klimas wurden Forderungen nach dem Ende des Zeitalters der Luftfahrt laut, obwohl die Passagierzahlen noch immer weit unter der Vorkrisenzeit lagen. Die Vergnügungsflüge mit der Ju 52 waren eingestellt. Nicht einmal Hubschrauber kreisten über der Stadt, weder um Demonstranten einzuschüchtern, noch zur Beförderung von Ministern, Staatsgästen, Unfallopfern.

Weiter unten: feuchter Auswurf, infektiöse Tröpfchen, toxischer Schleim aus kontaminierten Atemwegen, verklebten Lungen. Das Keuchen der Jogger auf den Gehsteigen war Hohn, war Verachtung, war Angriff; an der Supermarktkasse mutierte das Brüllen des unbekannten Kleinkinds zur Körperverletzung. Aerosole mit todbringender Viruslast, Eiweißmoleküle in äußerster Verdichtung, fatale Reproduktionsbefehle, sphärisch oder kubisch, evolutionäre Vorstufen lebendiger Wesen, noch vor der ersten Zelle entstanden, vielleicht degenerativer Abfall, letales Zerfallsprodukt - Katalysator, um die Höherentwicklung der Mikroben voranzutreiben. In der Wissenschaft herrschte Uneinigkeit. Die Natur kannte weder Gut noch Böse, die Evolution verfolgte kein Ziel. Seit Jahrmillionen wurden Tiere, Pflanzen, Pilze befallen, eliminiert oder optimiert. Es galt das Recht des Stärkeren. Der Weg zum Übermenschen führte durch Massengräber. The survival of the fittest. Wenn die arische Herrenrasse dem totalen Krieg nicht gewachsen war, sollte sie der Vernichtung anheimfallen - so der letzte Wille des Führers. Gegen Ende der pandemischen Notlage von nationaler Tragweite gab es 42 000 Neuinfektionen am Tag. PLANLOS IN DEN CORONAWINTER; AMPELPARTEIEN WOLLEN LOCKDOWNS VERBIETEN! 2G-HAMMER: ERSTES BUNDESLAND SPERRT JUGENDLICHE AUS! ESKALATION AN DER GRENZE ZU POLEN! NATO WARNT BELARUS! DIE FLÜCHTLINGE - SIE WOLLEN DIREKT NACH DEUTSCHLAND! FAHRVERBOT, WER KEINE RETTUNGSGASSE BILDET! ABBA'S BJÖRN: DAS SIND WIR WIRKLICH! HAPPY END IN MONACO

Frische Schlagzeilen im Minutentakt: Krisen, Sensationen, Klatsch waren der Treibstoff für die immerwährende Erregung aller, für künstliche Empörung, synthetische Emotionen, Eintagsskandale. Sie wirkten als Ereignissimulation, Gefühlssurrogat, Lebensersatz. Zuschauer, Hörer, Leser starrten vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang, zu jeder Tages- und Nachtzeit, unabhängig von Mondphasen, Sternenkonstellationen auf Bildschirme in allen Größen, hörten Stimmen, versanken in bedrucktem Papier. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Selbstständige, Freiberufler, Beamte, arm und reich, hässlich und schön, schlau und stupide, fungierten und funktionierten 24/7 als Konsumenten, User, Follower, schimpften, nickten ab, verteilten Likes und Emojis, füllten die Kommentarspalten, Chatrooms, Social-Media-Kanäle mit Liebe, Hingabe, Verachtung, Hass, während in Redaktionsbüros, Marketingabteilungen, Werbeagenturen, Messi-Buden Journalisten, Blogger, YouTuber, Nerds rund um die Uhr aus dem Strom der Meldungen, Bilder, Zahlen, die unablässig über die Ticker kamen, den Nachschub des Suchtstoffs Information raffinierten, ihn mit dem Brandbeschleuniger Meinung übergossen, je schriller, greller, lauter, desto besser. Augen, Ohren, Hirne der Käufer, Kunden, Nutzer mussten gelockt, gefangen, gefesselt werden. Es ging um Aufmerksamkeitsspannen, Verweildauer, Klicks. Die Werbetreibenden verlangten Statistiken, Evaluierungen, Beweise, dass ihre Produkte gegen Haarausfall, Blasenschwäche, Gedächtnisverlust, ihre Fruchtaufstriche, Katzenmenüs, Karibikkreuzfahrten sich tatsächlich ins individuelle und kollektive Bewusstsein und Unterbewusstsein einschrieben. Ein attraktives Nachrichtenumfeld war das A und O. PUTINS F