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Der ZauberlehrlingOverlay E-Book Reader

Der Zauberlehrling

Novellen | Marta Karlweis

E-Book (EPUB)
2021 Dvb Verlag
Auflage: 1. Auflage
ab 18 Jahre
ISBN: 978-3-903244-17-7

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Kurztext / Annotation
NACH HUNDERT JAHREN IN VERGESSENHEIT ist ein fulminantes literarisches Debüt aus dem Jahr 1912 nun endlich wieder zu entdecken. Die titelgebende Novelle Der Zauberlehrling spielt im goldenen Wien der Jahrhundertwende und porträtiert in bunter Farbenpracht das Leben der jungen Künstlerbohème zwischen Burgtheater und Café Central. Eines heißen Sommernachmittags verführt der rastlose Dichter Georg Hübner die schöne, lebenshungrige Katharina. Doch auch ihre 17-jährige Schwester Elisabeth hat es dem zornigen jungen Mann angetan. Schnell entspinnt sich eine leidenschaftliche und zerstörerische Dreiecksgeschichte. Die verheerenden Konsequenzen daraus müssen zum Schluss alle drei tragen... Mit ihren in diesem Band erstmals versammelten Erzählungen schreibt Marta Karlweis (1889-1965) sich ein in die große Riege österreichischer AutorInnen von Weltrang. Ihr psychologisches Gespür für gesellschaftliche Abgründe und feinste seelische Regungen lässt ihr literarisches Werk ohne Weiteres neben dem eines Stefan Zweig oder eines Arthur Schnitzler bestehen. 'Marta Karlweis schreibt ohne Weichzeichner, manchmal distanziert, fast spöttisch, dann wieder mit großer Nähe zu ihren Figuren' - Bettina Eibel-Steiner, DIE PRESSE 'Am gründlichsten vergessen werden in der Literaturgeschichte jene Frauen, deren Werke der Nationalsozialismus zunichtemachte. So ein eklatanter Fall ist auch Marta Karlweis (1889-1965)' - Franz Haas, DER STANDARD

Die Tochter des Wiener Vorstadtdramatikers und Erzählers Carl Karlweis, Frau des Erfolgsschriftstellers Jakob Wassermann und Mutter des ehemals bekannten Journalisten Charles Wassermann, besuchte wie Maria Lazar die Schwarzwaldschule in Wien. Nach der Geburt zweier Töchter aus erster Ehe mit einem böhmischen Industriellen debütierte sie 1912 mit ihrer fulminanten Künstlernovelle "Der Zauberlehrling". 1929 gelang ihr endgültig der schriftstellerische Durchbruch mit ihrem Roman "Ein österreichischer Don Juan", der auch in Amerika groß herauskam und mitunter begeistert besprochen wurde. 1934 emigrierte sie in die Schweiz, wo sie u. a. mit Thomas Mann und C. G. Jung verkehrte. Nach dem Anschluss Österreichs ging sie 1939 ins Exil nach Kanada, wo sie einen Lehrauftrag an der Mc-Gill Universität in Montreal übernahm. 1965 starb Marta Karlweis auf einer Besuchsreise in der Schweiz. Ihr schriftstellerisches Werk geriet schon vor 1945 völlig in Vergessenheit. Der Verlag Das vergessene Buch entdeckt es seit 2016 sukzessive wieder.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1.

Die heiße Stadt hauchte ihren schwülen, beklemmenden Atem durch das offene Fenster in die Mansarde und erfüllte den niedrigen Raum mit einem quälenden Geruch von Menschen, Staub und erhitztem Asphalt.

Georg lehnte an der wackeligen Kommode, die Hände in die Taschen seiner gelben Leinenhose vergraben, und sah zu, wie Katharina vor dem halbblinden Spiegel etwas völlig Überflüssiges tat. Sie brachte an ihrer zierlichen Person allerlei in Ordnung, was gar nicht in Unordnung geraten war. Weiß, schlank und nett stand sie da, lockerte mit vorsichtigen Fingerspitzen die leichten Scheitelwellen ihres roten Haares, tastete prüfend über die feine Krause am Halsausschnitt, zupfte an der Bluse und strich glättend über den Rock. Schließlich wandte sie die gleiche ernsthafte Aufmerksamkeit dem Florentinerhute zu, der neben ihr auf dem Sessel gelegen. Sie hob den Hut, um ihn aufzusetzen, und warf einen huschenden Blick in den Spiegel. Da erschrak sie. Georgs Gesicht sah ihr aus dem Spiegel entgegen. Die hellen Augen lauerten zornig unter den buschigen blonden Augenbrauen hervor, und um den weichen, sinnlichen Mund unter dem hängenden Schnurrbart schlich ein weher Hohn, der auf rätselhafte Weise überall in diesem Gesicht vorhanden und dennoch unauffindbar schien. Katharinens Blick blieb einen Augenblick an der auffallend mächtigen Stirne haften, die merkwürdig weiß aus dem Spiegel leuchtete. Zögernd legte Katharina den Hut wieder fort und fragte unsicher über die Achsel weg: "Was schaust du so?"

Georg drückte die Augen ein wenig zusammen und antwortete langsam, als wäre ihm jedes Wort ein Genuß. "Junge Dame, ich sehe mit Vergnügen, daß Sie heute nichts anhaben."

Blitzschnell drehte sie sich um.

"Was?!"

"Ich meine, um den Hals."

Ja so!"

Sie sah ihm mit ihren gescheiten grauen Augen von unten her ins Gesicht und verzog den Mund, als müßte sie gewaltsam ein Lachen verschlucken.

Georg sah sie belustigt an. "Wurstl!", sagte er, mit einem raschen Schritt zu ihr hin, nahm sie um die Schultern und küßte sie. "Wurstl, du!"

Gleich war alle Heiterkeit aus ihrem Gesicht verschwunden. Sie sah aus wie ein erschrecktes Kind. Er ließ sie los, strich mit beiden Händen das feuchte Haar aus der Stirn und warf sich auf sein Bett. Sie blieb hilflos mitten im Zimmer stehen.

Er fing an zu pfeifen. Sie erwachte wie aus einem beklemmenden Traum, machte Ordnung in ihrer verstörten Miene und sagte: "Du sollst mich nicht Wurstl nennen!"

"Warum nicht?"

"Vielleicht hast du's gar nicht notwendig!" Ihr Ton klang eigensinnig. "Ich weiß ja noch nicht, ob du nicht selber einer bist..."

Georg richtete sich auf. "Komm' einmal da her, Katharina!"

Sie rührte sich nicht.

Georg sah, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Plötzlich begriff er. Lachend stand er auf, nahm die geblümte Kattundecke vom Tisch und legte sie über das offene Bett. Jetzt ist es ein Sofa", spottete er, "ein anderes hab' ich nicht. Wollen Sie hier Platz nehmen, Fräulein Katharina?"

Sie kam.

Er streifte sie mit einem lauernden, unter den Lidern verborgenen Blick. "So, Kind, jetzt können wir gemütlich plaudern. Sag' einmal -", er beugte sich vor, um ihr ins Gesicht zu sehen, "warum horchst du mich immer so ängstlich aus?" Er machte wieder eine Pause; dann vorsichtig, jede Silbe abwägend: "Witterst du irgend etwas in mir, was dich - quält?"

Da sie regungslos sitzen blieb, nahm er sie in seine Arme. Sie überließ sich mit geschlossenen Augen seinen Küssen. Er lachte über ihren wehen Mund und küßte sie wieder. Aber ihm wurde nicht wohl bei diesem Lachen.

"Richtig!", fing er wieder an. "Du bist heute zum erstenmal bei mir, und ich habe dich eigentlich noch gar nie gefragt: hast du mich lieb?" Er bohrte seinen sonderbar zornigen Blick in ihr armes trauriges Gesicht und wartete. Sie schwieg. Er wartete noch immer. Aber als er fühlte, d